Jeder will verändern
Michael Jayasekara trägt auf seiner Hand das Gummiband vom 31. Weltjugendtag in Polen: Jesus, I trust in you lautet die Aufschrift. Das internationale Jugendtreffen fand vom 26. bis 31. Juli 2016 in Krakau statt. Fotos: [fkaineder]
Wohin zieht die Jugend gerade?
Es gibt keine „allgemeine Jugend“. Jugend ist nicht homogen, sie sind in „Bubbles“ (Blasen) unterwegs. Da sehe ich unterschiedliche Gruppen, karrierebetonte, leistungsorientierte, ebenso wie jene, die nach Werten und Orientierung suchen. Grundsätzlich: In Österreich sind bei vielen die Grundbedürfnisse gestillt. Man ist auf der Suche nach „Impact“. Mit einer gewissen Ungeduld suchen sie das für sie Einzigartige. Ihre zentrale Frage lautet: Welchen Unterschied möchte ich ausmachen? Jeder und jede will etwas verändern. Und genau da spüre ich, dass das Interesse am und der Weg zum Glauben verstärkter da ist. Einen Halt finden und Work-Life-Balance ist zentral. Bei einem Besuch in Uganda konnte ich gänzlich anderes beobachten. Sie müssen tagtäglich ihre Lebensgrundlage sichern. Entscheidend ist, in welchem Umfeld wir stehen und uns bewegen. Authentisch kann ich leider nicht über jene sprechen, die eine Lehre gemacht haben, ich kenne auch nicht viele. Aber es war mir als Schülervertreter wichtig, mit jungen Leuten in der Lehre zusammenzuarbeiten, weil sie eine andere Sicht auf Leben haben und sich ihr Leben ganz anders entwickelt. Sie sind nicht Menschen zweiter Klasse, das finde ich überheblich von vielen Akademikern. Im Gegenteil, sie erleben ganz andere Verantwortungsphasen. Sie haben vielleicht schon Familie, Kinder und sind im Beruf fest verankert. Das können viele Akademiker in dem Alter nicht behaupten.
Wer ist heute imstande, diese Jugend anzuziehen?
Das ist nicht mit einer Antwort geklärt. Vereine, die einen Rahmen schaffen, in dem sich junge Leute betätigen können, ziehen an. Jugend zieht dorthin, wo es eine gewisse Spielwiese zum Probieren bis hin zum Scheitern gibt. Ich selber war intrinsisch motiviert als Schülervertreter und wollte verändern. Die Schülerunion hat mir diesen Freiraum, sich zu engagieren, gegeben. Dinge ausprobieren, ein Team führen, helfen und gestalten können. Darauf kommt es an.
Du warst ein Studienjahr lang Präsident des ÖCV. Was und wie zieht er junge Leute an?
Insgesamt haben wir 13.000 Mitglieder in Österreich und davon 1.500 aktive. Die Jungen tragen Verantwortung und die alten Herren ermöglichen diese Erfahrungen erst. Sie vermitteln das Gefühl, die Chance, die ich hatte, sollst du auch bekommen. Auch wenn sie manchmal skeptisch sind, habe ich oft gehört: „Probiere es. Vielleicht schaffst DU es ja.“ Sie helfen einem, Erfahrung zu sammeln. In unseren Verbindungen gestaltet die Jugend. Innovation kommt von uns. Wir sind nicht alt und verstaubt, sondern mehr denn je am Puls der Zeit. Das macht attraktiv und zieht an.
Was sind Erfolgsfaktoren, dass Junge einziehen und mitgestalten?
Jung und Alt begegnen einander generationenübergreifend auf Augenhöhe. Man lernt führen und Verantwortung zu übernehmen. Lebenslanges Lernen, argumentieren, Interessen abwägen und die Begegnung mit erfahrenen Menschen sind unser Rezept. Dabei ist jede Verbindung einzigartig und man lernt die Vielfalt schätzen. Wichtig ist, dass das soziale Gefüge sich an Werten und Prinzipien orientiert. Bei uns ist das Religio, Scientia, Amicitia und Patria. Ich selber habe es als genial erlebt, wenn der OeNB-Präsident, Geschäftsführer namhafter Unternehmen und Wissenschafter neben Studienanfängern sitzen und sich auf Augenhöhe begegnen und jeweils interessiert zuhören. Unsere Verbindungen sind in der heutigen Zeit wichtiger als je zuvor, weil dort die intrapersonale Kompetenz gesteigert werden kann. Wie kann ein Problem gelöst werden? Wie verhandle ich zielführend? Wie schaffst du Mehrheiten?
Was liegt heute in der Jugend drinnen?
Die Jugend ist heute schneller und entscheidungsfreudiger, aber in vielen Dingen auch beliebiger. Die Jugend ringt um ihre politische, soziale und intrapersonale Kompetenz. Viele sind darin heute wirklich gut. Man darf uns nicht unterschätzen. Ich würde meinen, dass es deshalb sogar eine Art Angst vor der Jugend gibt. Die Welt ändert sich so schnell wie nie zuvor. Beispiel Smartphone, Digitalisierung, Möglichkeiten der Kampagnisierung. Wenn du da nicht dranbleibst, bist du schnell weg. Allerdings ist die Beliebigkeit stark angestiegen. Das ist ein Problem, denn es nagt am Vertrauen, der Loyalität.
Was können Orden tun, um anziehender für Junge zu werden?
Ich selber bin mit dem Stift Admont persönlich eng verbunden. Der Tagesablauf von gemeinsamem Gebet, Essen, Arbeiten und Lesen ist unglaublich innovativ in einer taktlos dahinfließenden Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit, in der wir getrieben sind und jeden Tag anders gestalten. Dabei zeigen uns bereits Kleinkinder, dass ein geregeltes Leben die Gesundheit positiv beeinflusst und zum Durchschlafen verhilft.
Worin kann der Magnetismus der Anziehung liegen?
Der geregelte Tagesablauf mit Gebet und Gemeinschaft ist anziehend. Die Chance, auch mal zu reflektieren und die Außenwelt hinter sich zu lassen und auf eine Gemeinschaft zu treffen, die aus ganzem Herzen spürbar sagt und es erleben lässt: Sei willkommen. Das imponiert und so sollte Kirche sein – mehr beim Menschen. Es muss Räume geben für Spiritualität – klar, aber in der heutigen Zeit muss der Mensch dort abgeholt werden, wo er ist. Ein befreundeter Weltpriester macht das so. Er sagt stets: „Melde dich jederzeit, ruf an oder komm zum Essen vorbei.“ Das meine ich.
Ganz direkt gefragt: Was bedeutet dir Jesus?
Ich war vor zwei Jahren am Weltjugendtag in Polen mit dabei. Die Aufschrift auf dem Gummiband von damals ist schon schwer lesbar: Jesus, I trust in you. Meine Eltern waren Buddhisten. Ich selber bin vor sechs Jahren konvertiert. Der Zweifel hat mich oft begleitet, ich wollte verstehen und konnte nicht so recht. Heute weiß ich, dass ich nicht verstehen muss, sondern glauben. Deshalb heißt es ja Glaube. Ich zweifle, aber Jesus zweifelt nie an uns.
[fkaineder]