Es gilt, die Freiräume die Papst Franziskus geschaffen hat, zu nützen
Papst Franziskus ruft zu heilsamer Dezentralisierung in kirchlicher Sexual- und Familienethik auf (c) magdalena schauer
Marie-Jo Thiel ist Theologin aus Straßburg und gehört seit 2017 auch der Päpstlichen Akademie für das Leben an. Es sei höchste Zeit, die von der Kirche beanspruchte "Herrschaft über Körper und Seelen" zu beenden. Leitlinie christlicher Ethik müsse das Prinzip der Barmherzigkeit sein. "Die Vergebung, die wir in der Liebe und im Glauben empfangen haben, befreit uns und führt uns so auf den Weg der Umkehr."
Das "Scheitern der bisherigen Sexualmoral" der Kirche zeige sich in den Verbrechen des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche, so Thiel weiter. Denn die Taten von sexuellem Macht- und Gewissensmissbrauch seien gerade von denen begangen worden, die die Moral beispielhaft vorleben sollten. Die Missbrauchstäter zerstörten damit, so die Theologin, "das gesamte Lehrgebäude der Sexual- und Familienethik und untergraben damit sowohl die absolutistischen und autoritären Normen als auch die zentralisierten, undurchsichtigen Machtstrukturen und die damit verbundenen Möglichkeiten der Verdunklung".
Entschieden wandte sich Thiel gegen das kirchliche Nein zur Empfängnisverhütung. "Gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen geschlechtlicher Vereinigung und Zeugung in der Natur? Nein!" Sie sprach zudem von einer "schuldhaften Naivität" der Kirche, wenn Bischöfe argumentierten, der Gebrauch von Kondomen führe zu Sittenverfall und leiste der Ausbreitung von HIV/Aids Vorschub.
Zudem wies sie Lehraussagen zurück, wonach homosexuelle Handlungen "pathologisch und immer sündhaft" seien. Innerkatholische Gegner von Franziskus behaupteten dies und bezögen sich dabei auch auf Benedikt XVI., kritisierte Thiel.
Europäische Gesellschaft für Katholische Theologie
[mschauer]