Wach? Das bedeutet für mich...
P. Christoph Müller. Foto: Propstei St. Gerold
P. Christoph Müller, Kloster Einsiedeln
Ganz Ohr und ganz Auge
Ungestüm fordert die Benediktsregel schon auf ihrer ersten Seite: „Stehen wir endlich einmal auf vom Schlaf, öffnen wir Aug‘ und Ohr!“ Für mich als nichtmotorisierter Pfarrer OSB mit drei kleinen Berggemeinden gibt es einen idealen Ort, um das einzuüben: das Radfahren. Wie beim Radeln die Straße, so kommt mir der Alltag entgegen mit allem, was er täglich so mit sich bringt. Beim Radeln nun darf ich darüber hinaus ganz Ohr und ganz Auge sein für die leisen, in einem Auto kaum hörbaren Töne, für die herrliche Weite der Landschaften einerseits als auch für das Kleine und Unscheinbare am Weg, auf das mich der HERR aufmerksam machen will. Vom Rade abgestiegen, versuche ich dann, diese wachsame Haltung in meinen kleinen Alltag hinüber zu retten – und sei es am PC.
Sr. Stefanie Strobel, Kongregation der Helferinnen in Wien
Mehr Freude und Lebendigkeit
Wach sein – was hilft mir? Jedenfalls ausgeschlafen sein! Die Arbeit nicht in die Nacht zu verlängern, ein interessantes Buch nicht zu spät aus der Hand legen. Zum „Wach leben“ gehört für mich das Unterscheiden. Der Hl. Ignatius von Loyola ist darin mein bester Kooperationspartner und Weggefährte. Er gibt mir wichtige Hinweise, ein wacher Mensch zu sein – zu achten, beispielsweise, ob mich etwas zu mehr Freude und Lebendigkeit führt oder ob es mich eher ängstlich und mutlos macht. Seine „Regeln zur Unterscheidung der Geister“ geben mir Hinweise auf meine inneren Bewegungen hin „wach“, aufmerksam zu sein. So kann ich leichter erkennen, wohin mich der Geist Gottes führen will. Dazu trete ich einen Schritt zurück, bekomme einen inneren Abstand, spüre, was los ist. Dann lassen sich mit einem wachen Geist die „Ungeister“ erkennen, die zwar manchmal dem Menschen schillernde Verheißungen machen, aber letztlich nicht dem Leben dienen.
Foto: Kongregation der Helferinnen
P. Peter Rinderer, Salesianer Don Boscos
Aufnahmebereit und lernfähig
Wach ist mehr als nur das Gegenteil von schlafend. Wach bedeutet für mich offen, aufnahmebereit und lernfähig zu sein. Wenn ich wach bin, verschließe ich mich nicht in meine eigene kleine Welt, sondern gehe mit offenen Augen, Ohren und Herzen durch den Tag. Menschen haben unterschiedliche Sensibilitäten und wir brauchen uns gegenseitig, um zwischen die Zeilen zu sehen oder Zwischentöne und Sehnsüchte wahrzunehmen. Das Neue versuche ich in mein Leben zu integrieren, indem ich es in Verbindung bringe mit meinen persönlichen Werten, mit meinem Umfeld und meiner Gemeinschaft - und mit Gott. Der mensch-gewordene Gott Jesus von Nazareth ist mein Bezugspunkt und ich frage mich: What would Jesus do? Was kann ich für diese konkrete Situation von Jesus lernen? Wach heißt für mich ein Hörender zu sein, „ge-hör-sam“ also.
Foto: Viktoria Hofmarcher/Don Bosco
Sr. Emanuela Resch, Halleiner Franziskanerinnen in Salzburg
Bewusst wahrnehmen
Wach sein ist für mich „bewusst sein“. Es beginnt in der Früh bewusst wahrzunehmen, dass Gott mir diesen Tag geschenkt hat mit den schönen Momenten und Herausforderungen. Dieser Tag ist ein Mosaik meiner Lebensgeschichte und hat seine Bedeutung. Deshalb versuche ich wach, aufmerksam zu sein und gut hinzuhören – nicht nur auf Gott sondern ganz besonders auf meine Mitschwestern und Mitmenschen. Wach sein heißt, meine Gefühle bewusst wahrzunehmen und meinen inneren Impulsen zu vertrauen, denn Gott spricht zu uns durch die verschiedensten Organe. Er zeigt mir, wo und wie ich an mir arbeiten und mich verbessern kann. Das Wach-Sein dient nicht nur mir, sondern auch meinem Nächsten. Es hilft mir, den Ruf Gottes zu hören und mit ihm meinem Leben Sinn zu geben. Wach sein heißt, hin zu sehen auf das, was ist. Die Not der Menschen braucht meine Aufmerksamkeit und mein Mitgefühl. Niemals zu staunen aufhören über „das Leben“, das uns leben lässt. Das Wort Jesu ernst nehmen: „… du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Foto: Leopold Neumayr
P. Bernhard Eckerstorfer, Stift Kremsmünster in Oberösterreich
Raus aus dem Alltag
Um 5:05 Uhr läutet mein Wecker. Das ermöglicht mir, in meinem Zimmer eine halbe Stunde zu meditieren. Dadurch bin ich bei der Laudes, der Messe und der Lectio Divina aufmerksamer. Die Gebetszeiten am Beginn des Tages brauche ich geradezu, um in der täglichen Betriebsamkeit nicht völlig unterzugehen. Ich bewundere Menschen, die von sich aus die Ruhe haben. Ich muss sie erst suchen. Die kurze Siesta nach dem Mittagessen ist ein weiteres Ritual, um für den Rest des Tages hellwach zu sein. Regelmäßig muss ich aus dem Alltag ausbrechen. Am liebsten fahre ich zum Almsee, ganz allein. Die Natur macht mich auf eigene Weise für die Stimme Gottes offen. Die schwierigste, aber fruchtbarste Form wach zu bleiben, ist das Leben und Arbeiten in der Klostergemeinschaft. „Im Bedürfnis der Zeit erkennen wir ja den Willen Gottes“, sagt P. Theodosius Florentini.
Foto: Stift Kremsmünster
Sr. Vera Ronai, Schulschwestern in Graz
Präsent im Hier und Jetzt
Ein waches, ein hellwaches Leben ist Ausdruck eines tiefen „Gehorsams“, des achtsamen Hinhörens auf Gott und die Menschen. Wir fragen beispielhaft drei Ordensfrauen und drei Ordensmänner, was WACH-Sein für sie heißt, welche Kooperationen helfen, wach zu sein. ganz Ohr und ganz Auge aufnahmebereit und lernfähig raus aus dem Alltag mehr Freude und Lebendigkeit „WACH“ sein heißt für mich: versuchen, präsent zu sein im Hier und Jetzt, auf das scheinbar „Nebensächliche“ zu achten, in dem Gott zu mir spricht, oft nur „nebenbei“. Tagsüber meinen Alltag unterbrechen und üben, möglichst vorurteilsfrei wahrnehmen und zulassen, was gerade da ist. „WACH“ sein heißt auch, meine Aufmerksamkeit in die Gegenwart holen, wenn ich mir zu viele Sorgen um die Zukunft mache. Dabei helfen mir die Möglichkeit des Austausches unter uns Frauenorden und eine neue, immer intensivere Form der Verbundenheit. Sie ist für mich in den letzten Jahren eine wichtige Kraftquelle geworden. Wir sind nicht allein unterwegs, wir können Ressourcen gemeinsam nützen, uns verbindet sehr viel. Das gibt mir Mut für die Zukunft und hilft, „WACH“ zu bleiben.
Foto: Grazer Schulschwestern
[fkaineder]