Abschied von Helga Penz: Eine Kämpferin gegen das Vergessen
Foto v.l.n.r.: Männerorden-Vorsitzender Abt em. Christian Haidinger, Frauenorden-Präsidentin Sr. Beatrix Mayrhofer, Helga Penz und der ehemalige Männerorden-Vorsitzende Propst Maximilian Fürnsinn vom Stift Herzogenburg. (c) Magdalena Schauer/Ordensgemeinschaften Österreich.
Mit dem Stift Herzogenburg ist Helga Penz tief verbunden; seit 1999 war sie dort als Archivarin tätig. Das ist auch der Grund, warum sie dort ihre Abschiedsfeier veranstaltete. Nach einer Festmesse, die vom „Hausherrn“ und ehemaligen Vorsitzenden der Superiorenkonferenz Propst Maximilian Fürnsinn geleitet wurde, waren die Festgäste in den Pfarrsaal gebeten worden.
Sr. Beatrix Mayrhofer: Helga Penz ist das Lesezeichen der Ordensgemeinschaften
In ihrer Dankesrede erinnerte sich Frauenorden-Präsidentin Sr. Beatrix Mayrhofer an Gespräch, dass sie vor einiger Zeit mit der Generaloberin der Caritas Socialis geführt hatte. Es ging darum, dass die Demenz zu einem immer größeren Problem in der Gesellschaft werde. Das große Vergessen würde immer zu einer Volkskrankheit mutieren. Doch: „Das Vergessen könnte auch zu einer Krankheit der Gesellschaft werden. Denn es gibt auch das soziale Vergessen, das spirituelle, das kulturelle. Es gibt auch die Gefahr eines kollektiven Vergessens unserer Geschichte. Es bedroht uns die Demenz des Geistes“, warnte die Frauenorden-Präsidentin in ihrer Rede.
Frauenorden-Präsidentin Sr. Beatrix Mayrhofer überreicht Helga Penz einen selbstgestrickten Frosch als Lesezeichen. (c) Magdalena Schauer
Es zeichne uns Menschen aus, dass wir ein Gedächtnis haben und auch darüber wissen. Und dieses Gedächtnis können wir Menschen nützen. Wir können dieses Gedächtnis auch ausdrücken in kostbaren Kunstwerken oder Schriftstücken. Es hilft uns, das, was Menschen vor uns ausgedrückt haben, uns überliefert haben, zu schätzen. Und es ist an uns, dieses Gedächtnis zu pflegen. Es ist ein Kampf gegen das Vergessen. „Und genau das macht Helga Penz: Sie kämpft gegen das Vergessen“, so Sr. Beatrix Mayrhofer.
Die Räume des Ordensgedächtnisses seien weit. Die Bücher darin bräuchten, im übertragenen Sinn, eine Lesehilfe. „Helge Penz ist für uns in den Ordensgemeinschaften im ganz speziellen Sinn ein Lesezeichen gewesen“, zeigte Sr. Mayrhofer überzeugt. "Ein Buch, das man nie in die Hand nehme, das irgendwo vergessen verstaubt, braucht ein Lesezeichen. Ein Lesezeichen sage, es ist wert, gelesen zu werden. Ein Lesezeichen sage, es ist gut, das Buch nicht nur zu überfliegen, sondern auch zu Ende zu lesen.“
„Im ganz umfassenden und vielfachen Sinn ist Helge Penz für uns ein lebendiges Lesezeichen“, sagte Sr. Mayrhofer in ihrer Dankesrede. Und schloss mit den bewegenden Worten: „Dafür danke ich ganz herzlich, auch im Namen der Ordensgemeinschaften. Danke, Helga Penz. Danke, Lesezeichen.“
Abt em. Christian Haidinger: Weitertragen des jeweiligen Ordenscharismas
Männerorden-Vorsitzender Abt em. Christian Haidinger begann seine Dankesrede mit einer Anekdote. Er erinnerte sich an den 28. April 2009; der Tag, an dem die Superiorenkonferenz im Stift Klosterneuburg ihr 50-jähriges Bestehen feierte. Haidinger, seit zwei Jahren im Vorstand, hatte die ehrenvolle Aufgabe, ein Festreferat zu halten. Er schloss dieses mit der Bitte aus einem Gebet zur Vorbereitung und Begleitung des II. Vatikanischen Konzils: „Erneuere, Heiliger Geist, in deiner Kirche die Wunder wie in einem neuen Pfingsten!“
Eine der Anwesenden war auch Helga Penz, die im Jänner 2008 ihren Dienst in den Ordensgemeinschaften Österreich angetreten hatte und voll wissenschaftlicher Neugierde von Haidinger wissen wollte, woher dieses Gebet stammte. Haidingers Antwort fiel dürftig aus: „Ich kann dieses Gebet seit meiner Jugend auswendig.“ Eine Antwort, die die Historikerin Helga Penz erst recht herausforderte. „Wenige Tage später bekam ich ein Fax mit dem genauen Hinweis: AAS 51 (1959), S. 832. Herzliche Grüße, Helga Penz.“ Dieses Fax hat sich der Männerorden-Vorsitzende bis heute aufbewahrt.
Foto v.l.n.r: Erzabt Korbinian Birnbacher (Erzabtei St. Peter), Männerorden-Vorsitzender Abt em. Christian Haidinger, Helga Penz und Karin Mayer (seit 1. Oktober 2018 Leiterin des Referats für die Kulturgüter der Ordensgemeinschaften Österreich). (c) Magdalena Schauer
Anschließend rief er „als unüberhörbare Wertschätzung und als Indiz deines wissenschaftlichen Eros“ noch einmal nur ein paar Highlights der großartigen Leistungen von Helga Penz stichwortartig in Erinnerung:
• Seit 1999 arbeitete Penz als Archivarin und Historikerin für österreichische Ordensgemeinschaften im Provinzarchiv der Jesuiten, im Archiv der Erzabtei St. Peter und als Archivarin im Stift Herzogenburg.
• Im Mai 2004 wurde die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs gegründet, wo Helga Penz am 1. Jänner 2008 ihren Dienst begann.
• 2010 kam es zur Gründung des Referats für die Kulturgüter der Orden, deren Leitung Helge Penz übernahm. Dieses Referat wurde unter ihrer Führung zu einer kompetenten Anlaufstelle für Fragen zu Kulturgütern der Orden.
• 2016 wurde schließlich auf ihre Initiative hin das Projekt zur Bewahrung der Kulturgüter der Ordensgemeinschaften Österreichs gegründet, als Anlaufstelle zu Fachfragen zu Kunst- und Denkmalpflege.
Haidinger strich in seiner Rede auch heraus, dass es Helga Penz in all ihren Bemühungen nicht nur um die notwendige und wichtige Erhaltung von Kulturgütern an sich ging, sondern immer auch um die Funktion der Kulturgüter in der Verkündigung und das Weitertragen des jeweiligen Ordenscharismas.
„Heute darf ich dir im Namen der großen Feiergemeinschaft, im Namen der Ordensgemeinschaften Österreichs ein ganz großes ‚Vergelt' s Gott‘ sagen für all das, was du im zurückliegenden Jahrzehnt für uns gewirkt und bewirkt hast“, beendete Haidinger seine Dankesrede. Und er schloss sehr emotional mit seinem anfangs zitierten Gebet ab, das er zu Ehren von Helga Penz ein klein wenig veränderte: „Erneuere, Heiliger Geist, in deiner Kirche - und durch das engagierte Wirken von Helga Penz deine Kirche in ihren vielfältigen Herausforderungen und stärke und inspiriere Helga in ihrem Wirken für die Kirche und für Ordensgemeinschaften in Österreich!“
Helga Penz mit „Hausherrn“ und ehemaligen Vorsitzenden der Superiorenkonferenz Propst Maximilian Fürnsinn. (c) Magdalena Schauer
Christoph Kürzeder: Ewigkeit ist eine Dimension der Tiefe
Den Festvortrag hielt der Theologe und Volkskundler Christoph Kürzeder, seit 2012 Leiter des Diözesanmuseums Freising. Er beschäftigte sich mit den „Ausstellungserfahrungen aus dem Kloster Beuerberg“.
Das Kloster, ca. 50 Kilometer südlich von München, hat in seiner langen, fast 900 Jahre währenden Vergangenheit eine wechselvolle Geschichte mit vielen Veränderungen und Neuanfängen erfahren. Es wurde geplündert, wiederaufgebaut, säkularisiert und zerstört - und dennoch immer wieder neu ins Leben gerufen. 1846 kauften die Salesianerinnen das Klostergebäude. Die Ordensfrauen renovierten das Haus und eröffneten eine höhere Mädchenschule mit Internat, das bis zum Beginn des Nationalsozialismus erfolgreich geführt werden konnte. Zu Kriegszeiten waren im Kloster ein Reservelazarett untergebracht.
Ab 1952/53 wurde im Kloster Beuerberg ein Müttergenesungsheim des Katholischen Caritasverbandes München eingerichtet. Hinzu kam ab 1965 ein Altenerholungsheim. Doch auch in Kloster Beuerberg machte sich der Nachwuchsmangel bemerkbar. Das Müttergenesungsheim wurde 1972 aufgegeben. Das Altenerholungsheim wurde 1989 geschlossen. 2014 wurde das Kloster endgültig stillgelegt. Die Ordensfrauen (ihr Durchschnittsalter betrug 84 Jahre) verließen das Gebäude und siedelten in Alten- und Pflegeheime nach München und nach Adelholzen um.
Die Frage war: Was sollte nun mit dem Kloster geschehen? Es ging nicht nur um die Verwertung der Immobilie oder um die Sicherung des materiellen Erbes des Klosters, sondern vor allem um den Versuch, eine Lebensform zu würdigen, die in ihren Kernstrukturen eine enorme gesellschaftliche Relevanz besitzt. Zuerst stand die Möglichkeit im Raum, die Immobilie im „Speckgürtel von München“ mit Hilfe einer Immobilienagentur gewinnbringend zu veräußern und in eine Wohnhausanlage zu verwandeln. Doch die Erzdiözese Freising entschloss sich, diesen Ort zu übernehmen, zu erhalten und unter veränderten Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln. „Am Anfang war das Ende“, zeigte sich Christoph Kürzeder erfreut. „Es geht nicht um Abwicklung, sondern um Entwicklung. Wir wollten den Geist und die Atmosphäre von Beuerberg bewahren.“
Doch Beuerberg sollte nicht ein reines Museum werden, im Gegenteil: Man wollte das Kloster aus der Distanz neu denken und wiederbeleben. Tatsächlich wurden streckenweise die historischen Räume wiederhergestellt: So wurde die Klosterapotheke, die mit Mobiliar aus den 60er-Jahren ausgestattet war, mit den ursprünglichen Möbeln, die man im Keller gefunden hatte, wieder ausgestattet. Aber gleichzeitig gelang auch eine Wiederbelebung: Die großzügige Küche wird heute von einem jungen Küchenteam betrieben, das die Gäste, die Beuerberg besuchen, mit Köstlichkeiten bewirtet. In der Folge wurde nicht nur ein Gastronomiebetrieb etabliert, sondern auch der Klostergarten soweit verändert, dass dort kleinere aber auch größere Veranstaltungen stattfinden oder moderne Kunst präsentiert werden können.
Denn Beuerberg ist zu einem Ort der Begegnung geworden, in dem man es zu einem Ort für Ausstellungen verwandelte. 2016 zeigte man mit „Klausur – Vom Leben im Kloster“ der Öffentlichkeit, wie die Diözese Freising mit dem Klostererbe umgegangen war. Im Sommer 2017 erfolgte die Fortsetzung "Klausur - Sehnsuchtsort Kloster". 2018 lud das Diözesanmuseum Freising unter dem Titel „Das Spiel beginnt!“ zum dritten Mal in das ehemalige Kloster ein; die neue Ausstellung zeigt spielerische Aspekte im Alltag der Nonnen wie zum Beispiel Spielkarten oder Brettspiele der Salesianerinnen.
Christoph Kürzeder: „Diesen geistigen und materiellen Schatz zu hüten und zu pflegen und den Menschen näher zu bringen, und sie damit zu ermuntern, sich auch diesen Fragen bewusst zu stellen, und aus diesem zutiefst christlichen Geist, unsere Welt mitzugestalten, nicht weniger wollen wir mit unserem Beuerberg erreichen. Damit erfüllen wir als Kirche auch unserm ureigensten Auftrag, nämlich die Welt mitzugestalten, damit sie eine bessere wird und auch für kommende Generationen ein guter Lebensraum bleibt bzw. wieder werden kann.“ Seinen Vortrag beendete Kürzeder mit einem Zitat von Helga Penz: „Ewigkeit ist keine Dimension der Länge, sondern der Tiefe. Mit keinem geringeren Anspruch wollen wir unsere Verantwortung im Bereich der Bewahrung und Vermittlung unserer einmaligen europäischen Klosterkultur wahrnehmen, aber da gibt es noch viel zu tun.“
Foto v.l.n.r.: Karin Mayer (seit 1. Oktober 2018 Leiterin des Referats für die Kulturgüter der Ordensgemeinschaften Österreich), Helga Penz, Sr. Ruth Pucher (Projektleiterin Kirchenpädagogik) und Irene Kubiska-Scharl (Fachreferentin für Archive und Bibliotheken). (c) Magdalena Schauer/Ordensgemeinschaften Österreich.
[rsonnleitner]