Versammlung und Studientag der Ordensfrauen: Wie Jugend heute tickt
Jugend-Tagung in Vöcklabruck
"Die Jugend heute ist nicht besser oder schlechter als Generationen vor ihr. Sie ist anders.“ Beate Großegger betont das eingangs zum Thema „Jugendarbeit der Frauenorden als Herausforderung“. Die Jungendforscherin rät dazu, sich genau damit zu beschäftigen, was Jugend heute unter Religion verstehen: „Heute wachsen junge Menschen selbstverständlich in interreligiösen Gesellschaften auf.“ Woran denken Jugendliche, wenn sie Religion hören? „Glaube an Gott, Institution Kirche, Religionsgemeinschaft oder eine der Weltreligionen, soziales Miteinander und Zusammenhalt, Gemeinschaft, veraltetet (Wert)Vorstellungen, Lebenssinn, moralisches Handeln, gesellschaftliche Einflussgröße, Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, Religionsfreiheit, Religion ist Privatsache, jedem das Seine in Sinne einer gleichgültigen Toleranz und nichts für mich.“ Großegger sieht die Gesellschaft im Wandel, die gerade auch die Jugend verändert. Daraus ergeben sich „drei Lesearten von Religiosität“: 1) Glauben, ohne dazuzugehören. 2) Dazugehören, ohne zu gehorchen. 3) Dazugehören, ohne Verpflichtung. „Jugend ist heute ein Transit-Projekt hinüber ins Erwachsenenalter. Normen und Werte werden von der Erwachsenengesellschaft als Entwicklungsnormen an die Jugendlichen direkt herangetragen. Die frühere Schonzeit im Sinne von Experimentieren, Ausprobieren, Platz für Hedonismus und Gegenwartsorientierung findet heute keinen Platz mehr.“
Jugendforscherin Beate Großegger
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Gegen soziale Exklusion
Deshalb rät die Jugendforscherin den Ordensfrauen: „Wichtig ist es, sich zu positionieren. Die sozialen Bruchkanten werden schärfer und die Gesellschaft zerfällt mehr und mehr in GewinnerInnen und VerliererInnen. Die soziale Stufenleiter ist glitschiger geworden. Der Absturz scheint von überall möglich.“ Es geht darum, an der Sicherung der Zukunft der Jugend mitzuwirken und der „sozialen Exklusion“ entgegenzuwirken. Orden haben hier eine besondere Rolle, wenn sich der Sozialstaat als immer brüchiger erweist. Es geht darum, „exklusionsgefährdete Jugendliche als Zielgruppe der kirchlichen Jugendarbeit zu sehen. Da geht es um Jugendliche, die sich selbst selektieren, die erfüllt sind von einem Mut zur Unverschämtheit, die einer radikalen Gegenwartsorientierung nachgehen oder erfüllt sind von Angst, noch Randständigeren zu begegnen.“ Für solche Leute Angebote schaffen wäre Aufgabe der Orden.
Assoziationen zu Ordensfrauen
Woran denken Junge, wenn sie an Ordensfrauen denken? „Ordenskleidung und Habit, Jungfräulichkeit und sexuelle Enthaltsamkeit, strenger Glaube und Disziplin, Klosterleben und Klostergemeinschaft, Verzicht auf ein eigenes Leben, moralisches Handeln und Filme sowie TV-Serien.“ Jugendliche suchen laut Expertin weniger Lebenssinn, sondern sie wollen etwas bewirken. „Da muss sich etwas tun.“ Jugendliche sind performativ unterwegs, „sie suchen immer eine Bühne“. Das heißt für die Orden, das „verstaubte Image“ abzulegen, mehr Flexibilität zu entwickeln, projektbezogen zu arbeiten und Dinge zu tun, „die mit einem Nutzen verbunden sind“. Ansatzpunkte für kirchliche Jugendarbeit sieht Großegger darin, „Moratorien und Eigenzeit für die Jungen bereitzustellen wie beispielsweise mit Infrastruktur ohne Normendruck und einfach Raum geben“. Gerade exklusionsgefährdete Kinder und Jugendliche korrelieren gut mit dem Image der Ordensfrauen. Engagementbereite junge Menschen können gut angesprochen werden. 10% der Jugendlichen wollen etwas bewegen. Und: „Das bestehende Image der Kirche als Herausforderung annehmen.“
Bereichsleiter für Analoyse und Prognose bei Statistik Austria Alexander Hanika
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Bevölkerungszahlen
Aus profundem Mund hören die Ordensfrauen von Alexander Hanika die aktuellen Zahlen und Einschätzungen: „Die Zahl der Schülerinnen und Schüler bis 13 Jahre nimmt österreichweit zu. Die Jugendlichen zwischen 14-17 Jahre bleiben bis 2024 etwa gleich und dann wird die Zahl wieder stark steigen. Die 18-29-Jährigen sind derzeit auf dem Höchststand. Die 30-54-Jährigen werden in Zukunft nach dem Anstieg in der Vergangenheit wieder reduzieren.“ Hanika rechnet damit, „dass Ordensschulen und Bildungseinrichtungen der Kirche weiter guten Zulauf haben werden“. Kein Zweifel besteht darin, dass der Bevölkerungsanteil der über 80-Jährigen aufgrund der gesunderen Lebensmöglichkeit, der besseren medizinischen Betreuung und die lange Friedensepoche langfristig stark ansteigen wird. Das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes ist heute mittlerweile über 30 Jahre.
Schulen und Religionszugehörige
Bei der Schulbesuchsprognose zeigt der Analyse- und Prognose-Experte das Steigen und Sinken der Zahlen nach Bundesländern, nach Schultypen und nach öffentlichen und privaten Schulträgern. Hanika: „Das größte Wachstumspotential für Privatschulen liegt in Wien. Aber auch in den anderen Bundesländern sollen die Zahlen steigen.“ Die Zahlen zu den religiösen Bekenntnissen sind aus Datenschutzgründen nicht so einfach festzuhalten. Da ist man auf die Statistik der Kirchen angewiesen. „Der Katholikenanteil ist von 1952 bis 2018 von 89% auf 58% gesunken. Die Katholikenanzahl wird weiter sinken bis 2046, etwa auf weniger als die Hälfte der Bevölkerung.“ Der muslimische Bevölkerungsanteil wird von derzeit 8% auf ca. 12-21% steigen, die Konfessionslosen steigen von derzeit 16% auf 22-29%.
Gemeinsame Leitungssitzung des Vorstandes und Präsidiums im Vorfeld der Studientagung
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Im Vorfeld gemeinsame Leitungssitzung
Im Vorfeld der Studientagung der Ordensfrauen tagte am 26. Feber 2019 die gemeinsame Leitung der Ordensgemeinschaften Österreich mit dem Vorstand der Männerorden und dem Präsidium der Frauenorden. Gemeinsam beraten wurden Punkte wie die aktuelle Missbrauchsdebatte, die neue gemeinsame Struktur und Statuten einer gemeinsamen österreichischen Ordenskonferenz ab Herbst 2019 und die Evaluierung der Bereiche Kommunikation und Medien sowie des Ordens-Begegnungszentrums Quo Vadis am Stephansplatz.
Abschluß mit einem Podiumsgespräch mit Sr, Anna Pointinger von den Marienschwestern(2. vl), Beate Großegger und Sr. Ida Vorel von den Franziskanerinnen Vöcklbruck. Moderation: Sr. M. Cordis Feuerstein (li)
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Institut für JugendkulturforschungInstitut für Jugendkulturforschung
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