ksoe-Frühstück: Maßhalten, teilen und kommunizieren
"Eine kulturelle Revolution ist notwendig", sagt der Ökologe und Politologe Andreas Exner. (c) [rsonnleitner]
Die ksoe lud zu ihrem traditionellen Frühstück an einen besonderen Ort: Der Markhof im dritten Wiener Gemeindebezirk ist laut Eigendefinition ein Coworking und Colearning Space. Gegründet wurde der Hof vom Verein Colearning Wien, und sein Motto lautet: Wir sind ein „Dorf in der Stadt“. Das Haus beherbergt fixe und flexible Arbeitsplätze für UnternehmerInnen aus verschiedenen Bereichen über Event- und Kreativräume, ein Küchenstudio und Meetingräume bis hin zu einem Lernzentrum für Jugendliche. Eine lebhafte, vielfältige Gemeinschaft mit Kindern, CoworkerInnen, KünstlerInnen, UnternehmerInnen, SpezialistInnen in verschiedenen Bereichen, sowie EntdeckerInnen tauscht sich untereinander aus und bietet Unterstützung.
Nach Begrüßungsworten von Magdalena Holztrattner, Direktorin der ksoe, und vom Jesuiten P. Alois Riedelsperger hielt der Ökologe und Politikwissenschaftler Andreas Exner einen Vortrag mit dem Titel „Katholische Soziallehre als Ausdruck Solidarischer Ökonomie“.
„Aktuell werden Krisen missbraucht, um Menschen auszugrenzen“, stellt der Ökologe zu Beginn seines Vortrages fest. Darauf verweise auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“. Die sozialen und ökologischen Krisen seien nicht isoliert voneinander, sondern hängen zusammen: Wie wir miteinander umgingen, so gingen wir auch mit der Natur um und umgekehrt.
Im Mittelpunkt des derzeitigen Wirtschaftsmodells stehe die Frage nach wirtschaftlichem Wachstum und Gewinn. Das führe zu einer ständigen Beschleunigung. „An der Wurzel steht die rigide Trennung von Subjekt und Objekt“, so Ökologie Exner im Anschluss an "Laudato si". Damit verbunden seien fünf Mythen der Moderne, die Papst Franziskus kritisiert: Individualismus, ein undefinierter Fortschritt, die Konkurrenz, der Konsumismus und ein regelloser Markt.
ksoe-Direktorin Magdalena Holztrattner begrüßte die Gäste zum traditionellen ksoe-Frühstück. (c) [rsonnleitner]
Solidarische Ökonomie: Orientierung am Sein und am Gebrauchswert
Einen Gegenentwurf zu diesem Wirtschaftsmodell biete die katholische Soziallehre, die sich am Sein orientiere und für die die Produktion von Gebrauchswerten im Zentrum des Wirtschaftens stehe. Oder anders ausgedrückt: Solidarische Ökonomien orientieren sich am Sein orientiere und die Produktion von Gebrauchswerten zur Befriedigung konkreter menschlicher Bedürfnisse ins Zentrum des Wirtschaftens stelle. Oder anders ausgedrückt: Solidarische Ökonomien orientieren sich am Sein und am Gebrauchswert ihrer Erzeugnisse. Wirtschaft sei im Kern ein Beziehungsgeschehen, das auf dem Prinzip der Unentgeltlichkeit und der Logik des Geschenks beruhe. Aus Sicht der Soziallehre habe wirtschaftliches Handeln immer einen moralischen Charakter und müsse demokratisch gestaltet werden.
Das bedeute, dass sich die katholische Soziallehre fundamental von der herrschenden ökonomischen Lehre unterscheide. Sie grenze sich gegen die Idee von umfassenden, sich selbstregulierenden Märkten sowie gegen ein bedingungsloses, undifferenziertes Wirtschaftswachstum ab. Die Soziallehre thematisiere Gestaltungserfordernisse anstelle von Sachzwängen.
Kulturelle Revolution
In letzter Konsequenz bedeute dies, dass die Gesellschaft ihr Natur- und Geschlechterverhältnis fundamental verändern müsse. Eine kulturelle Revolution sei notwendig. Der traditionelle Genossenschaftssektor, die neuen alternativen Ökonomien und die breite Tendenz einer Moralisierung der Märkte müssen stärker zusammenwirken und expandieren, so Exner, um eine sozial-ökologische Transformation voranzubringen..
Mitveranstalter des ksoe-Frühstücks ist auch der Jesuit P. Alois Riedelsperger, der namens seiner Gemeinschaft die Gäste begrüßte. (c) [rsonnleitner]
Exners Resümee: „Die katholische Soziallehre drückt mehr als 150 Jahre an Erfahrungen mit Solidarischen Ökonomien aus. Sie ist überall an sich und mitunter auch für sich präsent, wo Menschen Verantwortung für ihr wirtschaftliches Handeln übernehmen, weil sie die moralische Dimension dieses Handelns erkennen.“ Das sei im traditionellen Genossenschaftssektor der Fall, aber auch in den neuen Alternativökonomien. Ein solches Verantwortungsbewusstsein zeige sich zudem in der zunehmenden Moralisierung der Märkte, das heißt, in der wachsenden Bedeutung moralischer Kriterien für den Kauf von Produkten. Diese moralische Dimension des wirtschaftlichen Handelns sei der katholischen Kirche wesentlich durch die Genossenschaftsbewegung bewusst geworden. Sie habe mit Beginn des 19. Jahrhunderts eingesetzt und sei mittlerweile ein bedeutender Teil der Weltwirtschaft geworden. Die Alternativökonomien der letzten zwei Jahrzehnte setzten neue Schwerpunkte, die allerdings zum Teil auf die Bewegungen nach 1968 zurückgingen. Für sie stünden Lebensmittel, Wohnraum, Care und die gemeinschaftliche Selbstverwirklichung in der Arbeit im Mittelpunkt. Beispiele seien Foodcoops, solidarische Landwirtschaftsprojekte, Foodsharing-Initiativen, Tausch-Ringe, Kostnix-Läden, Cohousing, Repair-Cafes, usw. Die Moralisierung der Märkte zeige sich in der Ausweitung von Bio- und Fairtrade-Produkten, aber auch in den Erfolgen von politischen Kampagnen wie etwa „Clean Clothes“.
Am Ende seines Vortrags formuliert Andreas Exner eine These: „Wenn sich der Genossenschaftssektor in seiner traditionellen Form, die neuen Alternativökonomien und die Tendenz einer Moralisierung der Märkte verbinden und wenn sie gemeinsam stärker werden, so könnte eine soziale Kraft entstehen, die den multiplen Krisen effektiv begegnet, indem sie eine soziale wie auch ökologische Transformation bewirken“. Eine solche Transformation, so Exner abschließend, beruhe auf den Grundsätzen des Maßhaltens, Teilens und Kommunizierens.
[rsonnleitner]