Myanmar: Ordensfrauen gegen Menschenhandel
Ma Naing Naing Maw wurde zur Prostitution gezwungen und infizierte sich dabei mit dem HI-Virus © ORF / Marcus Marschalek
„Wer möchte nicht einen tollen Job in einem schönen Restaurant oder Hotel haben und viel Geld verdienen?“ Ma Naing Naing Maw sucht mit ihrer Frage nach Verständnis für einen Fehler, der sie fast das Leben gekostet hätte. Die Aussicht nach mehr Geld und einem sicheren Job habe sie aus der armen Provinz im Süden von Myanmar an die Grenze zum benachbarten Thailand gelockt, erzählt sie im Interview mit religion.ORF.at.
Damals sei sie 24 Jahre alt gewesen und ihre Ehe war gerade in die Brüche gegangen. Sie sei ohne Einkommen dagestanden, alleine mit zwei Kindern. Also habe sie vor zehn Jahren alles auf eine Karte gesetzt, sich Geld geliehen, um nach Kawthaung, in die südlichste Stadt von Myanmar zu gelangen. Die Kinder blieben bei der Großmutter zurück. Doch der vermeintliche Traumjob in der Gastronomie entpuppte sich als Alptraum.
Myanmar in Zahlen
In Myanmar (früher Burma) leben rund 53 Millionen Menschen, die 135 verschiedenen Ethnien angehören. Eine große Mehrheit von rund 88 Prozent zählt sich zum Buddhismus. Etwa sechs Prozent sind Christinnen und Christen und vier Prozent Musliminnen und Muslime. In der früheren Militärdiktatur sind seit April 2011 Demokratisierungsprozesse zu verzeichnen. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 1.269 Euro pro Einwohner (zum Vergleich Österreich: 47.290 Euro) gehört Myanmar zu den ärmeren Ländern der Welt.
Zwangsprostitution und HIV
„In der Nacht musste ich zu den Männern gehen und alles tun, was sie mir befahlen. Davor hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich da einlassen würde. Da ich aber noch Geld schuldig war, konnte ich nicht weg.“ Ins Bodenlose sei sie dann gefallen, als sie auch noch die Diagnose HIV-positiv erhalten habe.
Angesteckt habe sie sich bei einem der Freier. Ma Naing Naing Maw zittert, als sie von ihrer Verzweiflung spricht. Von ihrer Infektion wollte sie keinesfalls ihrer Mutter oder den Menschen in ihrem Dorf erzählen, so sehr schämte sie sich. Ein Schicksal, dass sie hier mit vielen Mädchen und Frauen teilt.
Hilfe auch aus Österreich
Zum Glück habe sie dann die katholischen Missionsschwestern von Unserer Lieben Frau kennen gelernt. Seit ein paar Jahren betreut die Ordensgemeinschaft in Kawthaung ein Projekt, um Frauen vor Zwangsprostitution zu schützen und mit dem HI-Virus infizierte Menschen zu begleiten. Unterstützt werden sie dabei auch von missio, den Päpstlichen Missionswerken in Österreich.
Regelmäßig treffen sich im Haus der Ordensschwestern vom HI-Virus betroffene Menschen. „Mit Medikamenteneinnahme kann man die Krankheit gut in den Griff bekommen“, erzählt Christina Thakhine vom Orden. „Wenn man ein paar Dinge beachtet, ist ein fast normales Leben möglich“, ergänzt Mitschwester Jucie Shwe. Um die Menschen hier im Umgang mit HIV aufzuklären, bitten die Schwestern Ärzte und Experten zu Vorträgen.
Ein Arzt erklärt HIV-Patientinnen und -Patienten im Haus der Ordensschwestern den richtigen Gebrauch der Medikamente und wie man das Ansteckungsrisiko minimieren kann. © ORF / Marcus Marschalek
Ordensschwestern verteilen Kondome
Der kleine Saal füllt sich mit Frauen, Männern und einigen Kinder. Viele haben teils kunstvoll aufgetragenes Thanaka im Gesicht, eine vom indischen Holzapfelbaum gewonnene gelblich-weiße Paste - ein einfacher Schutz vor Sonnenlicht und Hitze. Beim Schutz durch Kondome wird es für die katholischen Schwestern jedoch komplizierter. Die römisch-katholische Kirche verbietet den Gebrauch von Kondomen. Dennoch werden sie von den Ordensschwestern immer wieder verteilt.
„Wir Katholikinnen und Katholiken sind hier in Myanmar eine sehr kleine Minderheit. Unsere Besucherinnen und Besucher gehören fast allesamt zum Buddhismus. Für Buddhistinnen und Buddhisten ist der Gebrauch von Kondomen nicht verboten“, versucht Jucie Shwe den Spagat zwischen katholischer Lehre und gelebter Praxis zu erklären.
Soziale Ächtung
Neben den gesundheitlichen Beschwerden, die man mit Medikamenten mittlerweile recht gut in Griff bekommen kann, ist es aber vor allem die soziale Ächtung, die mit dem HI-Virus infizierte Menschen trifft. Daher bemühen sich die Ordensschwestern, diejenigen, die sich ihnen anvertrauen, wieder zurück in die Gesellschaft zu führen.
Myanmar Kawthaung
Kawthaung liegt direkt an der Grenze zu Thailand. Das Leben in der kleinen Stadt scheint vielen attraktiver als das Leben in den Dörfern. Doch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wird oft enttäuscht.
Spaziergang am Hafen von Kawthaung ohne Berührungsängste: Die Ordensschwestern Hand in Hand mit ihren HIV-positiven Schützlingen Ma Naing Naing Maw und Ma Khine. Ma Khine, eine Frau in den Fünfzigern, trägt demonstrativ eine nicht zu übersehende Kappe mit der roten Aufschrift „HIV“. Ihr Blick schweift über den Maenam-Kraburi-Fluss, der sich vor Kawthaung zu einem breiten Flussdelta weitet. Am anderen Ufer ist Thailand. Täglich stehen hier viele und schauen mit sehnsüchtigem Blick hinüber.
„Schlaraffenland“ Thailand
In Thailand soll es gute Verdienstchancen geben, so erzählt man sich hier. Schlepper verlangen viel Geld, um den Transport illegal über die Grenze ins vermeintliche „Schlaraffenland“ zu bewerkstelligen. „Mir hat eine Freundin erzählt, es gebe Arbeit für mich im Restaurant. Als damals 20-Jährige habe ich ihr geglaubt. Wir sind dann mit dem Boot über die Grenze nach Thailand gebracht worden. Als ich ankam, wusste ich nicht, dass wir die Grenze illegal überquert hatten. Die Schlepper wollten Geld und ich musste dieses Geld verdienen und wurde zur Prostitution gezwungen“, erzählt Ma Khine.
Auch sie habe sich damals bei ihren Freiern mit dem HI-Virus angesteckt, bemerkt sie bitter. Illegal in Thailand lebend, habe sie keine Rechte gehabt und konnte sich von offiziellen Stellen keine Hilfe erwarten. Schwer krank kam sie dann zurück nach Myanmar, um in ihrer Heimat zu sterben, erzählt sie religion.ORF.at.
Doch dank der Ordensschwestern habe sie medizinische Hilfe bekommen. Die Medikamente hätten ihren Gesundheitszustand stabilisiert. Die Freundschaft mit den Ordensschwestern habe geholfen, den Weg zurück ins Leben zu gehen. Heute lebt Ma Khine in einem Haus am Stadtrand von Kawthaung.
Beispiel macht Schule
Einige HIV-Patientinnen und -Patienten haben begonnen, sich nach dem Vorbild der Ordensschwestern selber für andere HIV-Kranke einzusetzen. So auch Ma Khine. Vor ein paar Wochen haben sie und ihr Ehemann zwei HIV-infizierte Männer in ihr Haus aufgenommen, um ihnen beim Besorgen nötiger Medikamente zu helfen und zu zeigen, wie man die Tabletten richtig und regelmäßig einnimmt.
Nach und nach ist es gelungen, dass heute viele HIV-Infizierte nicht mehr als Geächtete möglichst unerkannt durch die Straßen schleichen, sondern sich wieder selbstverständlich und selbstsicher in ihrem Umfeld bewegen. Sie und ihre Nachbarn haben gelernt, mit der Krankheit zu leben.
Ordensfrauen bieten Frauen Ausbildung
Die Ordensschwesterngemeinschaft in Kawthaung bemüht sich auch um Prävention. So wird versucht, Mädchen, die vom Land in die Stadt kommen, rechtzeitig aufzuklären und sie vor „Kellnerinnen-Jobs“ in den vermeintlichen „Restaurants“ und „Karaoke-Bars“ zu warnen.
Als Alternative bieten die Ordensschwestern eine Ausbildung in ihrer Näherei mit anschließender Berufsmöglichkeit. Die von den Frauen produzierten Taschen, Schals und Kleidungsstücke werden mittlerweile in viele Länder verkauft, auch über missio nach Österreich.
Quelle: Marcus Marschalek, Religion.ORF.at
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