Jesuiten-General P. Arturo Sosa: Inhaltliche und strukturelle Änderungen sind notwendig
Jesuiten-General P. Artuo Sosa (2.v.l.): "Wir Jesuiten sind viel multikultureller geworden." (c) rsonnleitner
Die "Universellen Apostolischen Anliegen der Gesellschaft Jesu" konzentriere sich vor allem auf vier Punkte: Erstens auf die Förderung der Unterscheidung der Geister und spirituelle Exerzitien. Zweitens werde man sich besonders um die Zuwendung zu den Armen und Ausgeschlossenen bemühen. Drittens um die Begleitung der Jugendlichen und jungen Menschen, denn „auf sie setzen wir unsere ganze Hoffnung“, so der Generalobere. Und viertes werde sich die Gemeinschaft im Sinne von Laudato si besonders um „das gemeinsame Haus", also um die Erde und Gottes Schöpfung einsetzen. „Papst Franziskus war in die Erarbeitung dieser Grundsätze von Anfang an involviert“, betonte Sosa. „Wir haben voll und ganz seine Unterstützung“.
Damit diese Grundsätze aber nicht nur graue Theorie bleiben, sondern tatsächlich Realität werden, wären auch strukturelle Änderungen innerhalb des Ordens notwendig, auch in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Das sei mit ein Grund für seinen Besuch in Österreich. Er wolle sich selbst ein Bild von der Situation in Österreich machen. Der ganze Strukturprozess sei sozusagen aktuell Work in progress, doch so viel verriet der Jesuiten-General: Künftig werde es nur mehr eine zentraleuropäische Provinz geben.
Dies sei nur eine der Veränderungen, die der Orden schon seit längerem durchlaufe. "Wir Jesuiten sind viel multikultureller geworden. Das zeigt, dass der christliche Glaube in jeder Kultur gelebt werden kann", sagte der Jesuiten-General. Afrika und Asien stellten mittlerweile mehr als 50 Prozent der Ordensmitglieder. Die Spannung zwischen lokaler und globaler Arbeit bringe interessante Entwicklungen. „Diese Diversität ist schön, aber auch eine große Herausforderung“, so Sosa im O-Ton.
Jesuiten helfen in Venezuela
Natürlich blieb es nicht aus, dass der in Venezuela geborene Ordensmann auf die verheerende Situation in seinem Heimatland angesprochen wurde. Das einst reiche Land leidet unter einer schweren wirtschaftlichen und humanitären Krise. Wirtschaftskrise und Hyperinflation sind die Gründe dafür, dass sich die Menschen kaum mehr das Lebensnotwendigste leisten können. Hunger und Krankheit stehen auf der Tagesordnung. Zwei von drei Kindern in Venezuela sind unterernährt. Aktuell liefern sich der sozialistische Staatspräsident Nicolas Maduro und sein Herausforderer Juan Guaido einen erbitterten Machtkampf, wobei zahlreiche westliche Staaten, darunter Österreich, Guaido als Übergangspräsident akzeptiert haben.
P. Sosa betonte, dass eine Lösung für Venezuela nur „durch internationale Unterstützung erfolgen“ könne, vor allem von Seiten der EU. Hier würden der Jesuitenorden und die Venezolanische Bischofskonferenz im Einsatz für eine gerechtere und demokratischere Gesellschaft dieselbe Meinung nach außen vertreten. Akute Nothilfe versucht die Ordensgemeinschaft über ihr Netzwerk von rund 200 Schulen zu geben, damit die Kinder „zumindest einmal am Tag eine warme Mahlzeit erhalten“.
Jesuiten federführend in der Amazonien-Synode
Thema bei der Pressekonferenz war auch die im Oktober stattfindende Amazonien-Synode. Auf die Frage, was Sosa von ihr erwarte, meinte der Jesuiten-General, dass für ihn die „Verteidigung der indigenen Völker und die Erhaltung deren Kultur sowie der Schutz der Amazonas-Region“ im Mittelpunkt stünden. Vertreter der Ordensgemeinschaft seien von Anfang im kirchlichen Panamazonien-Netzwerk REPAM federführend bei Inhalt und Organisation der Synode aktiv gewesen.
Missbrauch ist systemisches Problem
Angesprochen auf die große Problemthema „Missbrauch“ machte der Jesuiten-General klar, dass die Missbrauchsaufarbeitung und Missbrauchsprävention mit noch größeren Anstrengungen weiterverfolgt werde. Und hier dürfe man auch vor der eigenen Gemeinschaft nicht die Augen verschließen, denn „unter den Tätern waren auch Mitglieder der Gesellschaft Jesu“, so Sosa. Im Jesuitenorden sei inzwischen ein klares Regelwerk implementiert, wie bei Missbrauchsfällen vorzugehen sei, "wobei die Opfer immer an erster Stelle stehen".
Es gehe nicht um Einzelfälle, sondern vor allem um ein systemisches Problem, weil es genauso Formen des Machtmissbrauchs bzw. des geistlichen Missbrauchs umfasse. Innerhalb und außerhalb des Ordens brauche es einen fundamentalen kulturellen Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit, zeigte sich der Jesuiten-General überzeugt. Auch eine neue Kultur der Versöhnung und des Verzeihens sei deshalb notwendig.
Jesuit und Politologe
Arturo Marcelino Sosa Abascal wurde 1948 in Venezuela geboren. Als Schüler einer Jesuitenschule lernte er den Orden früh kennen und trat im Alter von 17 Jahren in das Noviziat der Jesuiten ein. Nach den üblichen Studien von Philosophie und Theologie erwarb er ein Doktorat in Politikwissenschaften.
Nach seiner Priesterweihe 1977 wurde Pater Arturo Sosa zum Verantwortlichen für das Sozialapostolat der Jesuiten in Venezuela ernannt. Gleichzeitig unterrichtete er an der Universidad Central de Venezuela und an der Universidad Católica Andrés Bello. Von 1996 bis 2004 war Pater Sosa Provinzial der Jesuiten in Venezuela.
2014 wurde Pater Sosa als Verantwortlicher für die Internationalen Häuser der Gesellschaft Jesu in Rom an die Generalskurie berufen. Als solcher nahm er an der 36. Generalskongregation teil. Diese wählte Pater Arturo Sosa SJ am 14. Oktober 2016 zum 31. Generaloberen des Jesuitenordens, zum 30. Nachfolger des Hl. Ignatius.
[rsonnleitner]