Zweites Kulturgüter-Vernetzungstreffen in St. Florian
v. l. n. r: Friedrich Buchmayr, Karin Mayer, Bernadette Kerschbaummayr, Herr Harald Ehrl Can. Reg. (c) mayr
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Zum Treffen eingeladen haben der Bereich der Kultur und Dokumentation der Ordensgemeinschaften Österreich sowie das Augustiner Chorherrenstift St. Florian, das zugleich auch Veranstaltungsort war. Bei der Eröffnung unterstrich Karin Mayer, die Leiterin des Bereiches Kultur und Dokumentation, das gemeinsame Ziel: „Wir kommen alle aus verschiedenen Wirkungsbereichen: Archive, Bibliotheken, Sammlungen und Kulturvermittlung und es ist wichtig, sich untereinander auszutauschen, zu vernetzen und das Wissen weiter zu geben.“ So können Impulse für die eigene Arbeit, den eigenen Bereich mitgenommen werden. Kooperationspartner, Herr Harald Ehrl Can. Reg. betonte: „Ich genieße diese Treffen. Man bekommt Informationen, trifft Leute, kann sich untereinander austauschen.“
Die Bibliothek des Stiftes umfasst mehr als 150.000 Bestände. (c) mayr
„Auf die Orgel“
Der Tag begann mit einer Führung durch das Stift. Gemeinsam ging man zuerst „auf die Orgel“, gemeint ist berühmte Bruckner-Orgel des Stiftes – benannt nach Anton Bruckner, der während seiner Arbeit als Linzer Domorganist darauf spielte. Nach einer kurzen Vorstellung der Funktionsweise und Klänge der Orgel wurden die TeilnehmerInnen hinter die Orgel – in den „Technikraum“ – geführt. Spannend zu sehen war, wie groß die Orgelpfeifen von der Nähe aus betrachtet tatsächlich sind sowie mit welch simpler Komplexität eine Orgel aufgebaut ist. Danach öffnete Herr Harald den Gästen die Tür ins Sommerrefektorium, das von Baumeister Jakob Prandtauer gestaltet wurde. Den Schluss markierte die beeindruckende Stiftbibliothek, die mit mehr als 150.000 Beständen aufwartet.
Wie aus einer Deponie ein Depot wurde, erzählte Herr Harald Ehrl, Kustos vom Stift Florian. (c) mayr
Herr Harald Ehrl: „Von der Deponie zum Depot“
2017 übernahm Herr Harald Ehrl als Kustos die Kunstsammlung des Stiftes. Schon bei der ersten Sichtung dieser war ihm klar, „etwas tun zu müssen“: Die Sammlung glich einer Kunstdeponie, die in Vergessenheit geraten war. Er wollte die Kunstwerke wieder auszustellen. Es begann nun „einer Phase voller Neugier und Neid.“ Neugier, weil er wissen wollte, wie andere Stifte Kunstwerke ausstellen. Neid, weil er sah, dass beschränkte finanzielle Mittel des Stiftes einen größeren Umbau und Ausstellungsfläche nicht zulassen. Eine kostengünstige Lösung wurde gesucht und gefunden: Ein ehemaliger Schüler des Stiftes, der mittlerweile Inhaber einer Baufirma ist, stellte zwei Handwerker für zwei Wochen lang kostenlos dem Stift für Umbauarbeiten zur Verfügung. Als neue Kunsträume wurden drei Lagerräume gewählt. Diese wurden entrümpelt, frisch gestrichen und mit Holzleisten und Metallgittern ausgestattet. Auf den Gittern fanden die Kunstwerke Platz und können nun von Besuchern besichtigt werden. Mit Materialkosten von etwa 5.000 Euro wurde aus der Deponie ein modernes Kunstdepot.
Sabine Sobotka: Kunst hautnah
Im zweiten Vortrag von Sabine Sobotka, der Sammlungsleiterin der Grafischen Sammlung in der Landesgalerie Linz, ging es darum, die bis zum Großteil wenig bekannte Grafische Sammlung einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die Sammlung ist eine der wertvollsten des Museums und beinhaltet etwa die Werke des „Paradeausstellers“ Alfred Kubin, der in der Landesgalerie auch eine permanente Ausstellungsfläche hat. Der Bestand von über 20.000 Handzeichnungen geht aber weit über Kubin hinaus und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich – der Aufwand wäre zu groß. Aus dem Grund hat das Team um Sabine Sobotka sich dazu entschlossen, „Museum backstage“ ins Leben zu rufen: Max. 20 Personen bekommen exklusiven Zugang zu ausgewählten Exponaten der Grafischen Sammlung. Gewürzt wird das Programm mit Informationen wie „Was ist die Grafische Sammlung?“, „Welche Grafiken gibt es?“ etc. Von Anfang an lief die Veranstaltung sehr gut, obwohl sie zu Beginn nur über Social Media beworben wurde. Was als Probelauf gedacht war, ist zu einer fixen Größe in der Kunstvermittlung des Museums geworden.
"Kinder wollen Dinge angreifen", ist Kulturvermittlerin Lydia Zachbauer überzeugt. (c) mayr
Lydia Zachbauer: „Erfahrbarkeit in allen Sinnen“
Wie man Kindern und Jugendlichen Kunst vermitteln kann stellte Lydia Zachbauer vom Stift St. Florian im nächsten Vortrag vor. Ausgestattet mit Zepter und Schleife nahm sie die Anwesenden mit auf eine Führung durch das Stift. Beide Utensilien braucht sie für die „Habsburger-Familienaufstellung“, bei der die Kinder spielerisch den Stammbaum der Habsburger kennenlernen. In der Vermittlung setzt sie viel auf das „Erleben“: „Kinder wollen Dinge erfahren und angreifen. Und: Unser Vorteil ist, dass das Stift voll von Dingen ist, die man im Klassenzimmer nicht hat.“ Die Gruft mit den Gebeinen etwa, die bei den Kindern immer auf großes Interesse stößt, oder die Säle des Stiftes, wo Menuett getanzt wird. „Wir wollen nicht vortragen. Wir wollen, dass die Kinder selber durch Fragen auf die Lösung kommen“. Die Führungen dauern daher auch immer mindestens 90 Minuten, weniger macht, ihrer Erfahrung nach, keinen Sinn. Ihr Fazit: Es lohnt sich, Kindern und Jugendlichen Raum zu geben, das Stift und seine Schätze im eigenen Tempo zu entdecken und dabei auch die Interessen der jungen Zielgruppe im Auge zu behalten.
Wolfgang Christian Huber: „Keine Angst vor Online“
Im letzten Vortag des Tages stellte der Kustos der Stiftstammlungen Klosterneuburg, Wolfgang Christian Huber, die Online Collection des Stiftes vor. Klosterneuburg war das erste Stift Österreichs, das seine Kunstsammlungen online zugänglich machte. Ziel war, „die grafischen Bestände, die nicht dauernd ausgestellt werden, der Öffentlichkeit zu präsentieren und die Bekanntheit zu steigern.“ Auf der Homepage wurde mit wenig technischen Aufwand ein zusätzliches Modul installiert, wo die Kunstwerke virtuell hochgeladen und nach Themen sortiert werden. Bis dato sind 500 Werke online zu finden, mehr sind in Planung. „Man muss es als ‚work-in-progress‘ sehen – der Aufwand ist einfach zu groß, um alles auf einmal zu machen“, betont Huber. Viel Arbeit ist etwa die Klärung der Rechte. Aber: „Am Schwierigsten ist es, zu einem leistbaren Preis professionelle Fotos des Objekts zu bekommen“, resümiert Huber. Er rät aber anderen Museen, den Aufwand nicht zu scheuen und ihre Sammlungen online zu stellen: „Es ist schön zu sehen, wenn die Arbeit beginnt, Früchte zu tragen – wir haben jetzt eine erste Anfrage zu Leihgaben von einem bisher außerhalb des Stiftes unbekannten Künstler.“
Bernadette Kerschbaummayr, wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Stift St. Florian, bedankte sich abschließend für die vorgestellten Möglichkeiten, Kunst vor den Vorhang zu holen: Herr Harald, der die Kunst zuerst einmal sichten und in einem geeigneten Rahmen bereitstellen musste. Dann Sabine Sobotka, die im Landesmuseum eine Nische für eine bereits bestehende Sammlung gesucht und gefunden hat sowie Lydia Zachbauer, die mit ihren Impulsen in der Jungen Kulturvermittlung stets neue Wege beschreitet. Und abschließend Wolfgang Christian Huber, der den Schritt gewagt und seine Kunst online gestellt hat.
Karin Mayer beendete das Treffen mit einem Dank an den Kooperationspartner Stift St. Florian für die gute Aufnahme und Gastfreundschaft, an die Vortragenden für die Einblicke in ihre Arbeit und an die TeilnehmerInnen für das Interesse.
[emayr]