Bibel & Berufung – eine Installation
Die Installation "Berufung in der Bibel" hing für zwei Wochen im Quo vadis?. (c) qv
Text von Veronica Ilse, Theologin und Mitarbeiterin im Quo vadis?, erschienen im Werkheft des Canisiuswerkes.
Die Bibel ist voller spannender und berührender Erzählungen, die sich lohnen, gekannt zu werden. Nicht zuletzt, weil wir unsere eigenen Lebenswege in ihnen wiedererkennen und reflektieren können. Das Quo vadis? ist das Zentrum für Begegnung und Berufung der Ordensgemeinschaften Österreich in der Wiener Innenstadt. Unser Auftrag ist es, hellhörig für den Ruf Gottes im eigenen Leben zu machen. Für die Installation Bibel & Berufung wurden drei Bibelstellen ausgesucht, die verschiedene Aspekte von Berufungsgeschehen beleuchten. Jede Bibelstelle hing auf einer großen Bahn gedruckt in unserem Caféraum und wurde mit unterschiedlichen Methoden vertieft.
1. Deuten helfen: 1 Samuel 3,1–10*
Die Erzählung vom jungen Samuel, der nachts seinen Namen rufen hört und zu seinem Lehrer, dem Priester Eli läuft, bis dieser darin den Anruf Gottes an Samuel erkennt und diesen einweist, wie er darauf antworten soll. En akustischer „Lockruf“ im Hof vor unserer Einrichtung sollte die Passanten auf die Installation aufmerksam machen. Acht verschiedene männliche und weibliche Stimmen riefen mit kurzen Zwischenpausen den Namen „Samuel“. Die verschiedenen Stimmen sollten erfahrbar machen, wie vielfältig, vielleicht auch unerwartet, der Anruf Gottes klingen kann.
Ein Mobile gab Anregungen, die Stelle auf das eigene Leben hin zu lesen. Im Raum schwebten drei Blätter mit jeweils zugeordneten Gedanken auf Vorder- und Rückseite:
Wer hilft meine Erfahrungen deuten?
Das Gespräch mit Geistlichen BegleiterInnen und SeelsorgerInnen, aber auch Freunden, Familienmitgliedern und Pfarrangehörigen hilft, den Ruf Gottes an mich zu erkennen und besser zu verstehen.
Gott ruft beim eigenen Namen
Meine persönlichen Erfahrungen, Wünsche, Fähigkeiten, Lebensumstände zeigen mir den Weg, den Gott mich führen will
„hier bin ich“
Großherzige Bereitschaft bringt mich dem ICH BIN DA nahe.
2. Unvermittelt: Mt 9, 9–13*
Die Berufung des Zöllners Matthäus rückt unerwartete Lebenswenden in den Mittelpunkt. Scheinbar ohne nach Gott zu fragen, beschäftigt mit seinen Geschäften, wird der Zöllner von Jesus aufgefordert, ihm nachzufolgen; was er – erstaunlicherweise? – sofort tut. Diese Begebenheit wird bei allen Synoptikern erzählt. Nur im Matthäusevangelium hat der Zöllner diesen Namen. Auch bei dem Renaissancekünstler Caravaggio trägt das Gemälde zu dieser Szene den Titel „Berufung des Hl. Matthäus“. Jenes Bild verwendeten wir als Puzzle für eine interaktive Annäherung an diese Berufungserzählung. Es ermöglicht, sich selbst in die Szene zu versetzen und die Emotionen der Figuren nachzuvollziehen. Das Puzzle lässt sich auf der anderen Seite lösen und lädt mit einer Erinnerungsfrage erneut zur Reflexion über die Spuren Gottes in der eigenen Biografie ein: Wann hast Du schon einmal erlebt, dass PLÖTZLICH / UNERWARTET eine neue Perspektive in Dein Leben kommt?
Puzzlevorder- und rückseite. (c) QV
3. Zeugen glauben: Joh 1, 35–39
Die beiden ersten Jünger im Johannesevangelium folgen Jesus, nachdem der Täufer sie auf diesen aufmerksam gemacht hat. Jesus lädt sie ein, selbst zu erleben, wo er wohnt und d.h. wie er ist und sie bleiben bei ihm. Für diese Szene haben wir einen intellektuellen Ansatzpunkt gewählt, indem wir zwei unterschiedliche Bibelübersetzungen präsentierten. Der Vergleich soll neue und erklärende Aspekte zu den Szenen bieten: Die Elberfelder Bibel. 2008, die nah am griechischen Text übersetzt und die Ausgabe Willkommen Daheim. Eine Übertagung des Neuen Testamentes, die den Verstand überrascht und das Herz berührt. 2009, die einen alltagssprachlichen Puzzlevorderseite: Caravaggio, „Berufung des Hl. Matthäus“, Paul Hermanns, Wikipedia Puzzlerückseite mit Impulsfrage Zugang vermittelt. Die textliche Hervorhebung soll außerdem die Aufmerksamkeit auf Textpassagen lenken, die für das Berufungsgeschehen relevant sind:
Die ersten Jünger Jesu 35 Am folgenden Tag stand Johannes wieder da und zwei von seinen Jüngern; 36 und hinblickend auf Jesus, der vorbeiging, spricht er: Siehe, das Lamm Gottes! 37 Und es hörten ihn die zwei Jünger reden und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und spricht zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sagten zu ihm: Rabbi - was übersetzt heißt: Lehrer -, wo hältst du dich auf? 39 Er spricht zu ihnen: Kommt, und ihr werdet sehen! Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben jenen Tag bei ihm. Es war um die zehnte Stunde. Johannesevangelium, Kap. 1,35-39, aus: Elberfelder Bibel. 2008 Auf einer dritten Bahn stand die Frage „Wie bleibe ich bei Jesus?“ und Gäste konnten Antworten auf Post-its sammeln und nachlesen. Beispiele waren: für soziale Gerechtigkeit einsetzen; eine Pause gönnen; Stoßgebete; Pilgern …
Die Installation Bibel & Berufung hing für zwei Wochen in unseren Begegnungsräumen. Die interaktiven und multisinnlichen Methoden scheinen mir vor allem für Teilnehmer geeignet, die schon ein Interesse an der Erkundung biblischer Geschichten mitbringen. Um die Reflexionsangebote fruchtbar zu machen, benötigt es sicher eine begleitende Gesprächsmöglichkeit, entweder in Form einer Einzelführung oder in einem workshopmäßigen Gruppensetting. Für eine Berufungswerkstatt können sie eine belebende Grundlage bilden.