"Unter einer dicken Staubschicht begraben"
Mitten in der Linzer City liegt das Kloster der Karmeliten, Schauplatz des kleinen, kulturellen Sensationsfundes. (c) Mayr
Kalt war es, als uns P. Paul S. Bavakkat um neun Uhr früh die Tore zum Karmeliterkloster auf der Linzer Landstraße öffnete. Dahinter erwartete uns ein moderner Klosterladen, der die Weihnachtssaison schon eingeleitet hatte, sowie das Klostergebäude mit angrenzender Kirche, Klausur und einem wunderschönen Garten mitten in der Linzer City.
Ein unerwarteter Fund
Es war im heurigen Sommer, als P. Paul die Tür in ein altes Lager öffnete und damit eine Kette an Ereignissen einleitete, die ihn wie auch die Klostergemeinschaft noch einige Zeit beschäftigen sollte. In einem alten Lager wurden über hundert Gemälde gefunden, die vor allem aus der Barockzeit stammen. P. Paul erinnerte sich: „Wir wussten, es gibt hier Bilder, aber wir wussten nicht wie viele.“ Hätte er gewusst, wie viel Arbeit hier auf ihn zukommt, hätte er vielleicht noch etwas damit gewartet, die Tür zu öffnen, verriet er uns augenzwinkernd.
P. Paul kam 2016 nach Linz. Davor wirkte er in Essen in Deutschland, wo er als Pfarrer in der Gemeinde St. Josef Essen-Kupferdreh tätig war. Der Wechsel zurück ins Kloster war ein bewusster: „Ich habe das Klosterleben - das Gebet, die Konzentration auf wesentliche Arbeiten - einfach vermisst.“ Seit seiner Ankunft ist schon einiges geschehen: Renovierungsarbeiten im Kloster – z. B. des Bet-Chors – und dann natürlich der Fund der Bilder.
Karin Mayer, Susanne Barabas und P. Paul inspizieren ein Bild, das enorme Wasserschäden aufweist. (c) Mayr
Bildfund – was nun?
„Ich habe zuerst gar nicht gewusst, was ich damit machen soll“, erzählte er. Sein erster Weg führte ihn zur Diözese Linz. Dort riet man ihm, sich an Karin Mayer, Zuständige für den Bereich Kultur und Dokumentation bei den Ordensgemeinschaften, zu wenden. Diese erinnert sich lachend an das Erstgespräch: „P. Paul hat angerufen und von einem Gemäldefund gesprochen. Ich ging zuerst von vier oder fünf Bildern aus. Als P. Paul dann die Anzahl auf über hundert Stück schätzte, war ich überrascht und erstaunt zugleich – so einen umfangreichen Fund fand ich sensationell.“
„Den Schaden hat man oder nicht“
Bald war ein erster Besuch vereinbart, bei dem die Expertin der Ordensgemeinschaften den Zustand der Bilder inspizierte und auch das weitere Vorgehen mit P. Paul und Provinzial Alexander Schellerer besprach. „Die Gemälde haben sich erstaunlich gut gehalten. Sie waren kühl und trocken gelagert. Trotzdem gibt es natürlich einige Bilder mit Schäden.“
Der Betchor der Karmeliten in Linz dient als vorübergehender Aufbewahrungsort für einige der Gemälde. (c) Mayr
Eines davon, welches die die hl. Helena zeigt, war im „Präparatorium“ auf zwei Tischen aufbereitet: Ganz deutlich waren Risse und Löcher auf der Leinwand erkennbar. Dahinter lehnte ein Bild, das die Himmelfahrt Mariä darstellt, und einen massiven Wasserschaden aufweist. „Dieser kann aber nicht von der Lagerung stammen, sondern muss davor passiert sein“, erklärte Susanne Barabas, Restauratorin und Kunsthistorikerin. Sie wurde von P. Paul beauftragt, die Bilder zu reinigen und in Zusammenarbeit mit der Kunsthistorikerin Elisabeth Hammer zu katalogisieren. Ein erster Schritt.
Bereichsleiterin Karin Mayer, Theresia Reischel, Susanne Barabas und P. Paul beratschlagen über Stoffhüllen, die zukünftig die Gemälde schützen sollen. (c) Mayr
Herkunft ungewiss
Unklar ist, woher die Bilder stammen. P. Paul weiß, dass keiner der im Kloster lebenden, älteren Patres sich an die Herkunft der Bilder erinnert. Frau Barabas geht etwa von Schenkungen oder auch Funden in anderen Karmelitenklöstern aus. „Viele Bilder zeigen Szenen mit dem Propheten Elija und Teresa von Avila - diese Sujets stehen in Verbindung zur Spiritualität des Karmelitenordens“, bestätigte auch Karin Mayer.
Vom „Präparatorium“ führte unser Weg weiter in einen Raum, der zurzeit für die zukünftige Lagerung der Gemälde vorbereitet wird. Streben und Schienen aus Holz wurden eingezogen, um die Bilder stehend zu lagern. Hier sind die Lagerbedingungen ideal: trocken, kühl und nicht zu hell. Eine große Rolle am Boden zog unsere Aufmerksamkeit auf sich: ein barockes Fastentuch. Dieser wertvolle Fund lagerte vergessen auf einem Kasten und wurde von Karin Mayer bei der Erstbesichtigung entdeckt. Diesbezüglich gibt es bereits Ideen für ein nächstes Projekt.
Das gerollte, barocke Fastentuch wird noch weiter untersucht werden. (c) Mayr
"Unter Staubschicht begraben"
Die letzte Station unserer Tour befand sich im zweiten Stock des Klosters. Dort trafen wir auf Sr. Magdalin, die gerade dabei war, eines der Gemälde vorsichtig zu reinigen. Sie hilft Susanne Barabas bei der Arbeit. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Klosters, Teresa Reischel, wird Stoffhüllen nähen, damit die Bilder auch in Zukunft staubfrei bleiben.
P. Paul freut sich, wie gut die Bilder im Vergleich zum Sommer schon aussehen: „Als ich sie in der kleinen Kammer gefunden hatte, war eine dicke Staubschicht auf den Bildern. Ich konnte das Motiv gar nicht erkennen.“
Die Staubschicht auf den Bildern ist mittlerweile verschwunden, dennoch wartet noch viel Arbeit: „Inventarisieren und bewerten ist der nächste Schritt“, erklärte Karin Mayer. Dabei werde untersucht, ob ein Bild pastoral, ökonomisch oder für die eigene Ordensgeschichte wertvoll ist. P. Paul möchte vorerst nur einige, für den Orden relevante Gemälde restaurieren lassen und diese dann Besucherinnen und Besuchern zugänglich machen. Es stehen einige für den Karmeliterorden wichtige Jubiläen - und damit auch Gelegenheiten zum Ausstellen der Gemälde - vor der Tür: 2022 feiern die Karmeliten (OCD) in Österreich ihr 400-Jahr-Jubiläum, 2024 die Karmeliten in Linz ihr 350-Jahr-Jubiläum und 2026 begeht die Karmelitenkirche in Linz ihr 300-Jahr-Jubiläum.
Die Gemeinschaft der Karmliten in Linz. (c) Karmeliten
Wie es weitergehen soll
Die restlichen Gemälde sollen vorerst fachgerecht gelagert werden, erklärte P. Paul das weitere Vorgehen, als wir uns wieder Richtung Klosterladen bewegten. Klar ist, er ist über die Hilfe und die Unterstützung der Ordensgemeinschaften sehr dankbar. Mit Karmelitengeist in der Tasche und der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen verabschiedeten wir uns.
(elisabeth mayr]