Arbeit ergibt auch das Leben
Franz Pichler ist seit 2019 für die wirtschaftlichen Geschicke des Stiftes Admont verantwortlich. (c) Stefan Leitner
ON: Was verstehen Sie persönlich unter #gemeinsam arbeiten?
Franz Pichler: Bestmögliche, kreative Lösungen für die Menschen innerhalb und außerhalb des Stiftes bzw. für das Stift selbst zu erzielen. Das heißt aber auch, Menschen mit Vertrauen, vor allem mit Kompetenz auszustatten, um so für diese Menschen Widerstände in ihrer Tätigkeit zu vermeiden. So erzielen wir in unserer gemeinsamen Arbeit auch die besten Ergebnisse.
ON: Was war für Sie das Entscheidende, für eine Ordensgemeinschaft zu arbeiten und nicht in einem „normalen“ Unternehmen? Gibt es einen Unterschied?
Den gibt es. Aus der Historie des Hauses gesprochen: Der Eigentümer ist eine benediktinische Institution; wir brauchen kein Mission Statement erfinden, sondern letztendlich ist das die Regel des heiligen Benedikt mit einer fast 950-jährigen Tradition des Stiftes. Das sind die Leitplanken, die uns den Weg weisen. Und das macht es am Ende auch so interessant, für dieses Haus zu arbeiten. Es ist spannend und vielschichtig, weil wir eine sehr breite Palette an Betrieben haben. Ich bezeichne es immer als kleines Mikrouniversum, das sich seinen Mitarbeiter*innen und der Region verschrieben hat.
ON: Wie sieht Ihr Aufgabengebiet aus?
Da muss ich an die vorhergehende Frage anschließen: Ein wesentlicher Unterschied ist, dass wir eine Kreislaufwirtschaft betreiben; ich bezeichne es so. Wir haben keinen Eigentümer, der Gewinn und Ergebnisse vorschreibt. Natürlich müssen wir ergebnisorientiert agieren, denn nur so haben wir die Berechtigung, weiterhin als Betriebe bestehen zu können. Aber diese Mittel können wieder in die Betriebe reinvestiert werden. Wenn wir unsere Kernaufgabe erfüllt haben, nämlich das Bestehen des Klosters und des Konvents zu sichern, dann können die Betriebe ihre Gewinne wieder reinvestieren, zum Beispiel in Forschung oder in Entwicklung.
Und da bin ich bei meinem Aufgabengebiet: Das ist im Haus so definiert wie die Funktion eines Alleinvorstandes; in manchen Betrieben ist es mehr aktiv und operativ, in anderen ist es eher strategische Vorgabe und Entwicklungsarbeit, da habe ich eher die Funktion eines Aufsichtsrates. Ich stehe natürlich täglich mit den Betriebsleitern, Vorständen und Geschäftsführern unserer Tochterunternehmen in Verbindung, und das in enger Abstimmung mit den Eigentümern, dem Abt und dem Wirtschaftsrat.
ON: Was sehen Sie als Ihr größtes Ziel an?
Ich möchte die Regionalität fördern. Das hat zwei Gründe: Einer resultiert aus dem Gründungsauftrag des Stifts Admont aus dem Jahr 1074 durch Erzbischof Gebhard von Salzburg mit den Gütern von der heiligen Hemma von Gurk. Damals wurden zwei wesentliche Kernaufgaben klar definiert: Die Region urbar zu machen und Seelsorge zu betreiben. Ora et labora, da sind wir schon bei der benediktinischen Regel. Und auf mich heruntergebrochen: Ich komme aus der Region, bin hier geboren und aufgewachsen. Deshalb liegt mir die Region am Herzen. Stift Admont hat 26 inkorporierte Pfarren und eine Patronanzpfarre. In diesem Sinn ist die Regionalentwicklung nicht nur ein Ziel von mir, sondern eines, dass das Haus seit seiner Gründung hat. Wir sichern auch Arbeitsplätze. Wir haben saisonal zwischen 550 und 600 Mitarbeiter*innen, denen wir ein sicheres Einkommen bieten. Das Stift ist damit ein wichtiger Leitbetrieb für die Region.
Das Benediktinerstift Admont betreut 26 Pfarren, betreibt ein Stiftsgymnasium und ein Seniorenheim und ist mit seinen Wirtschaftsbetreiben wichtiger Arbeitgeber in der Region. (c) Stift Admont
ON: Wie ist es Ihnen während den vielen Lockdowns ergangen?
Es war eine Herausforderung. Wir haben den Schutz der Gesundheit in den Vordergrund gestellt; wir haben sogar, solange die Lage nicht beurteilbar war, die Produktion heruntergefahren. In anderen Bereichen haben wir sehr flexibel reagiert, wir verfügen über einen sehr hohen Digitalisierungsgrad im Haus und damit über alle Möglichkeiten moderner Telekommunikation, und das hat uns geholfen. Kündigungen konnten wir vermeiden, und wir mussten auch keine Betriebe schließen. Aber es heißt natürlich, weiterhin auf der Hut zu bleiben.
ON: Stichwort Schöpfungsverantwortung: Nachhaltigkeit lässt sich vermutlich nicht immer in Einklang bringen mit notwendigen wirtschaftlichen Entscheidungen. Prallen da nicht zwei Welten aufeinander?
Beim Stift Admont ist Nachhaltigkeit kein Trend oder Marketing-Gag, sondern bereits seit Jahrzehnten gelebte Realität. Wir haben durch unsere betriebliche Zusammensetzung Themen wie erneuerbare Energie, Energieautarkie schon lange umgesetzt. Wir erzeugen Energie mit Wasserkraftwerken, Solar-, Photovoltaik- und Biomasse-Anlagen und versorgen damit die Gemeinde Admont, Kunden aus Gewerbe und Industrie sowie das gesamte Kloster und seine Betriebe mit „grünem Strom“. Ein weiteres Beispiel: Wir setzten in unserem Industriebetrieb durchwegs auf zertifiziertes Holz (z.B. PEFC und FSC); wir setzen 100 Prozent der Prozesswärme aus dem eigenen Abfall um, also volle kaskadische Nutzung. Der Gedanke der Nachhaltigkeit, die vernünftige Nutzung der eigenen Naturressourcen, prägt unser Planen und Handeln bis zum heutigen Tag. Gerade unsere Forstwirtschaft beweist, dass Stift Admont seit fast 1000 Jahren für gelebte Nachhaltigkeit steht. Man darf nicht mehr nützen als zuwächst, es muss sich die Waage halten. Schöpfungsverantwortung heißt auch, Dinge nicht brachliegen zu lassen, sondern nach ihren Möglichkeiten zu erwirtschaften, sodass wir davon leben und ein Gleichgewicht herstellen können.
ON: Ganz im Sinne des benediktinischen ora et labora …
… und auch lege, der geistigen Lesung zur Erweiterung. Im betrieblichen Sinne sage ich: die Fortbildung. Es ist für uns wichtig, die besten und auch innovativsten Köpfe in unsere Unternehmen zu bekommen, mit denen wir dann gemeinsam arbeiten können. Um sie zu bekommen, muss man ein wirklich faires und wertschätzendes Umfeld definieren. Es reicht nicht, nur ein oberflächliches Leitbild zu formulieren, sondern das muss man Tag für Tag leben. Wenn man gerne zum Arbeitsplatz hingeht, bringt man auch gern Leistung. Damit ergibt Arbeit auch das Leben.
ON: Was möchten Sie mir noch in diesem Interview mitgeben?
Es ist vieles im Umbruch, aber durch Kooperation, durch gutes Zusammenwirken auch zwischen den Ordensgemeinschaften haben wir ein durchaus gutes Zukunftsbild.
Das Interview führte Robert Sonnleitner.
Weiterlesen:
[kerstin stelzmann]