Leserbrief: Zeit, die Kirche im Dorf zu lassen
Leserbrief: Zeit, die Kirche im Dorf zu lassen
Betrifft: „Zeit, Schule und Kirche zu trennen“ von Peter Michael Lingens, Falter 5/22
Peter Michael Lingens geht es nicht um konstruktive Kritik, sondern um einen Rundumschlag gegen Kirche, Religionsunterricht und katholische Schulen. Diese Behauptungen mittels “alternativer Fakten” empfinde ich als unseriös und ich möchte sie so, im Namen der Ordensgemeinschaften Österreich, nicht stehen lassen.
Vorab ist festzuhalten, dass Missbrauch im pädagogischen Bereich nicht schöngeredet werden kann und darf. Gerade im Bildungsbereich der katholischen Kirche passiert hier seit vielen Jahren exzellente Aufklärungs- und Präventionsarbeit.
Die pauschale Verurteilung und Rufschädigung von Religionspädagog:innen (darunter heute nur rund 2 % Priester!) sind eine nicht hinzunehmende Grenzüberschreitung. Religionslehrer:innen sind wie alle Pädagog:innen, also auch jene an katholischen Privatschulen, nach staatlichen Standards professionell ausgebildet. Und gerade sie sind es, die in Krisensituationen an Schulen (zum Beispiel bei Trauerfällen) die ersten sind, die vor Ort Unterstützung leisten. Und das meist unbezahlt!
Festhalten möchte ich, dass Religionsunterricht oft der Raum ist, wo keineswegs nur über Gott, sondern auch über die Welt gesprochen wird – wo zu brennenden Themen (soziale Ungleichheit, Nachhaltigkeit u.v.m.) EIGENE Meinungsbildung oft mehr als Wissensbildung im Vordergrund steht.
Lingens‘ Ängste werden von österreichischen Eltern übrigens nicht geteilt: 25.000 Schüler:innen ohne religiöses Bekenntnis besuchen den Religionsunterricht freiwillig. Jede:r 15. Schüler:in besucht eine katholische Privatschule (Zahlen steigend). Die Sorge der Eltern dürfte also überschaubar sein.
Und bitte: Lernen Sie Geschichte, Herr Lingens! Dem Pflichtgegenstand Religion und der Bezahlung der Lehrkräfte an konfessionellen Schulen liegen nicht parteipolitische Interessen, sondern ein völkerrechtlich bindender Vertrag (#Konkordat) zugrunde.
Lassen wir also die Kirche im Dorf. Und Herr Lingens, kehren Sie doch zurück zu dem, was wir von Ihnen gewohnt sind: kritischen, aber seriösen und qualitätsvollen Journalismus.
Clemens Paulovics
Bereichsleiter für Bildung und Ordensschulen der Österreichischen Ordenskonferenz
Zum Kommentar von Peter Michael Lingens „Zeit, Schule und Kirche zu trennen“