Zum Weltpilgertag: Ein Tag auf der Romea Strata
Renate Magerl, die Leiterin des Medienbüros, und Pilgerbegleiterin Christa Englinger zeigen, wo es heute langgeht. (c) ÖOK | Zum Download
Auf der Romea Strata – ein Erlebnisbericht
Es ist ein schöner Morgen im Mai, als wir – Renate Magerl und Elisabeth Mayr – uns mit Pilgerbegleiterin Christa Englinger an der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 60 treffen. Rund 17 Kilometer und ca. vier Stunden Gehzeit liegen vor uns. Pünktlich um halb neun geht’s los.
Der erste, steile Abschnitt führt uns durch das Städtchen Perchtoldsdorf hinauf auf die Perchtoldsdorfer Heide und weiter auf den Föhrenberg. Dort werden wir mit wundervollem Blick zurück auf die Stadt Wien belohnt, den schon viele Pilger vor uns genossen haben.
Der erste Halt bietet gleich eine wunderbare Aussicht nach Wien. (c) ÖOK
Was ist die Romea Strata?
Die Wurzeln der Romea Strata reichen bis in die Antike zurück. Seit einigen Jahren gibt es nun Bemühungen des Vereins „Associazione Europea Romea Strata“ – dem Christa Englinger angehört – diese alte, vergessene Kulturstraße wieder zu beleben und bekannter zu machen. Dabei geht es nicht darum, einen neuen Pilgerweg zu erfinden, sondern die Romea Strata greift auf ein Netz aus Pilgerwegen zurück, auf dem seit Jahrhunderten Pilger von den Baltischen Staaten, Polen, der Tschechischen Republik, Österreich und Norditalien Richtung Rom unterwegs sind.
In Österreich führt die Romea Strata etwa über den Jakobsweg Weinviertel, die Via Sancti Martini, den Jakobsweg Wien, die Via Sacra und den Wiener Wallfahrerweg durch den Wienerwald, den Mariazeller Gründerweg, den Benediktweg und den Hemmaweg zum Kärntner Marienpilgerweg.
Die Romea Strata verläuft hier auf der Via Sacra bzw. dem Wiener Wallfahrerweg. (c) OÖK | Zum Download
Pilgern vs. Wallfahren
Genau genommen sind wir drei heute auf der Romea Strata und zugleich auch auf dem Wiener Wallfahrerweg unterwegs. Was uns gleich zu der Frage bringt, was denn eigentlich der Unterschied zwischen Pilgern und Wallfahren ist.
„Während bei einer Wallfahrt immer ein spirituelles Ziel im Fokus des Weges steht und sie auch nicht zu Fuß sein muss, liegt der Fokus beim Pilgern auf den Erfahrungen, die auf dem Weg zum Ziel gemacht werden, auf dem man stets zu Fuß unterwegs ist. Die Unterscheidung zwischen Wallfahren und Pilgern ist aber auch eine Besonderheit im deutschsprachigen Raum, in anderen Sprachen gibt es diese Unterscheidung nicht“, erklärt uns Christa.
Der Waldboden ist voller Bärlauch, dessen Duft uns durch die Wälder begleitet.(c) ÖOK
Sonne und Salzstangerl
Bevor es weiter geht, erhalten wir von Christa einen kurzen Glaubensimpuls. Als Pilgerbegleiterin ist es neben der Organisation der Reise samt Unterbringung, Verpflegung und Transport auch ihre Aufgabe, der Pilgergruppe auch „spirituelle Nahrung“ zu geben.
Beim Salzstangerlwirt auf der Kugelwiese lässt es sich gut aushalten. (c) ÖOK
Nach der Steigung hinauf zum Föhrenberg verläuft die Strecke bis zum „Salzstanglwirt“ um einiges gemütlicher, und wir gönnen uns dort eine kurze Pause. Auf der Sonnenbank gibt es eine Stärkung in Form eines – wie könnte es anders sein – Salzstangerls.
Stille und Flow
Auf unserem Weg, der weiter durch den „Naturpark Föhrenberge“ führt, sind wir allein unterwegs. Aber das stört nicht und wir merken, wie ruhig es sein kann. Obwohl wir so nahe an der Stadt sind, herrscht hier Ruhe, Stille, Natur – sogar ein Rudel Wildschweine begegnet uns auf dem Weg. Auf ein Schild macht uns Christa Englinger besonders aufmerksam: Es zeigt tatsächlich den Weg nach Rom.
Wir haben unseren Gehrhythmus gefunden, ein Schritt nach dem anderen, vergessen sind die anfänglichen Sorgen, ob der Weg für uns Ungeübte machbar ist. Wir spüren eine Art „Flow“, die Leichtigkeit des Gehens verbunden mit einer Lebendigkeit, die das Unterwegssein mit sich bringt und getragen durch unsere kleine feine Pilgergemeinschaft. Christa verrät uns, dass auch sie oft in einen Flow reinkommt – „nach drei, vier Tagen will man einfach immer weitergehen“. Pilgern tut Körper, Geist und Seele gut.
Die Stimmung auf dem Weg ist gut, wir löchern Christa Englinger mit vielen Fragen. (c) ÖOK | Zum Download
Reisegruppen fordern, Pilger nehmen dankbar an
Christa erzählt uns, wie sie das Pilgern für sich entdeckte. Viele Jahre war sie Reiseleiterin und hat Touristen durch überfüllte Städte und überlaufende Sehenswürdigkeiten geführt. Irgendwann war das nicht mehr stimmig. Durch Zufall entdeckte sie dann das Pilgern und fand damit ihre Berufung. „Ich kann wirklich sagen: Ich darf beruflich genau das machen, was mir wirklich Freude bereitet. Was für ein Glück“, erzählt sie und man spürt die wahre Freude, die ihr der Beruf als Pilgerbegleiterin macht, und fügt hinzu: „Klassische Reisegruppen fordern immer mehr und mehr, Pilger hingegen nehmen dankbar an.“
Ständig eröffnen sich uns unbekannte und wunderbare Aussichten auf dem Weg. (c) ÖOK
Von der Suche und Handyfasten
Pilgern liegt im Trend. Von April bis September ist Christa Englinger durchgängig mit Gruppen unterwegs. Es ist diese Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und die Suche nach dem Mehr, das Menschen zum Pilgern bringt, oft verbunden mit dem Wunsch nach einem Ausbrechen aus dem oft stressigen Alltag. Bei den Pilgergruppen, die sie begleitet, herrscht deswegen auch ein „Handyfasten“.
Sie merkt, dass ein zentrales Thema der Pilger die ‚Suche nach sich selbst‘ sei – oft an Lebensübergängen wie z. B. die Pension, nach persönlichen Krisen oder nach überstandenen Krankheiten. Aber: „Es klingt so leicht, aber es ist gar nicht so einfach, zu sich selbst zu finden.“
Pilgern soll vor allem Entschleunigung sein, eine Abwechslung zum Alltagsleben. „Auf-sich-selbst-Konzentrieren, Loslassen von Alltagslasten, die Gelegenheit, am Weg ganz im Hier und Jetzt zu sein – diese Dinge sollen im Fokus stehen. Auch mal Schweigen und sich mit sich selbst beschäftigen – das braucht oft ein bisschen, damit es funktioniert“, erklärt sie.
Eine Kuhherde interessiert sich nur mäßig für uns. (c) ÖOK
Eine nachhaltige Art zu Reisen
Über herrlich blühende Wiesen und durch den Wald geht es an der Burg Wildegg vorbei und kurz danach erreichen wir die Ortschaft Sittendorf und kommen wieder in die Zivilisation zurück. Das letzte Stück unseres Weges nach Heiligenkreuz hat begonnen. Es wird lauter – die Wiener Außenringautobahn ist zu hören – es kann nicht mehr weit sein.
Hier fällt der Kontrast zur Stille von vorhin besonders auf. Pilgern ist nachhaltig, die Urform des Reisens - auch das macht Pilgern immer attraktiver. Man ist in und mit der Natur unterwegs.
Endlich am Ziel: Wir sind beim Stift Heiligenkreuz angekommen. (c) ÖOK
Ein letzter Anstieg durch den Wald und schon erblicken wir den Kirchturm des Stiftes Heiligenkreuz. Zufriedenheit und ein bisschen Stolz machen sich breit, dass wir die Strecke ohne Zwischenfälle und Durchhänger geschafft haben.
Auch wenn es nur ein Halbtag war, die Pause vom Alltag hat uns gut getan, die Gemeinschaft und die körperliche Betätigung hat uns gestärkt. Wir würden gerne weiter gehen, immer weiter bis nach Rom. Stattdessen steigen wir in den Bus zurück nach Wien, froh und dankbar, diese kurze Auszeit gehabt zu haben.
Romea Strata – Internationale Zusammenarbeit
Der internationale Verein „Associazione Europea Romea Strata“ hat das Ziel, eine Kulturstraße entlang eines Pilgerkorridors von den baltischen Staaten über Polen, Tschechien, Österreich bis Rom zu errichten. In Österreich führt die Romea Strata über den Jakobsweg Weinviertel, die Via Sancti Martini, den Jakobsweg Wien, die Via Sacra und den Wiener Wallfahrerweg durch den Wienerwald, den Mariazeller Gründerweg, den Benediktweg und den Hemmaweg zum Kärntner Marienpilgerweg.
Die Wiederentdeckung der Via Romea Strata, einer von Glauben und Kultur geprägten alten Pilgerstraße, ist Kern des internationalen Vereins. Zur Sicherstellung einer nachhaltigen Förderung der Vielfalt und des Reichtums der gemeinsamen Kultur wird das Projekt „Romea Strata“ 2022 beim Europarat in Luxemburg zur Zertifizierung als internationale Kulturroute eingereicht.
Alle Infos zum Pilgern
Das Quo vadis? bietet Pilgerinnen und Pilgern in unmittelbarer Nähe des Stephansdomes den passenden Ort für Begegnungen, Vorträge, Workshops und Vernetzungstreffen. Sie erhalten Information und Service für Pilgerinnen und Pilger zu den regionalen und grenzüberschreitenden Pilgerwegen (Informationsbroschüren, Pilgerführer, Übersichtskarten), Pilgerpässe und Jakobsweg-Shopartikel.
Kontakt:
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[renate magerl & elisabeth mayr]