Bischof em. Maximilian Aichern feiert 90. Geburtstag
Bischof em und ehemaliger Abt vom Stift Lambrecht feiert seinen 90. Geburstag: Maximilian Aichern. (c) Hermann Wakolbinger
Für sich persönlich habe er keine besonderen Wünsche zum Geburtstag, "wohl aber für unsere Zeit und für die Menschen", so Aichern. Ein Wunsch des Bischofs wäre, "dass die russische Kriegsführung in der Ukraine endlich einmal aufhört". Große Hoffnung setzt der bald 90-Jährige auf die Jugend, in der Kirche wie auch in der Gesellschaft allgemein.
Im Blick zurück auf seine Zeit als Bischof der Diözese Linz (1982-2005) betonte Aichern, dass von den Gläubigen immer sehr freundlich aufgenommen worden sei, "ob bei der Bischofsweihe oder später bei den vielen Pfarrbesuchen, die es gegeben hat". Und gestärkt habe ihn stets die große Bereitschaft zur Zusammenarbeit und die positive Atmosphäre in der Diözese Linz und im ganzen Land Oberösterreich. "Das habe ich von den Politikern so erfahren, von den Sozialpartnern, an der Universität, in den Schulen bei den Lehrkräften, in den Betrieben. Das Gespräch und die Atmosphäre waren im Wesentlichen überall positiv. Natürlich wurden auch harte Sachen angesprochen, aber das gehört zum Dialog dazu, da darf man nicht angerührt sein." Er habe in der Diözese Linz im Wesentlichen immer wieder einen aufgeschlossenen Glauben und einen großen sozialen und kirchlichen Einsatz erlebt. Uns so erlebe er es bis heute.
Menschenwürde und Solidarität
Internationale Solidarität war für Aichern stets ein Gebot der Stunde. Bereits als Abt von Stift Lambrecht hatte er Kontakte nach Kroatien und Slowenien. Es gab auch Verbindungen nach Bosnien, zur italienischen Bischofskonferenz, nach Tschechien, Weißrussland und Rumänien und nach Brüssel. Im Interview meinte er dazu: "Ich glaube, zu den Kennzeichen und Möglichkeiten unserer Zeit gehören das weltweite Zusammenwachsen und das gemeinsame Lösen der immer größer werdenden Probleme, von der Umwelterhaltung bis zu einer gerechten Wirtschaftsstruktur." Die Kirchen müssten dabei Motoren und Vorbilder sein.
Schon als Abt von Stift Lambrecht habe er sich um die neun Klöster der jugoslawischen Benediktiner und Benediktinerinnen angenommen, denen das Tito-Regime alles weggenommen hatte. In seiner Zeit als Bischof und Sozialreferent in der Bischofskonferenz seien dann weitere Bereiche dazugekommen. "Wichtig war in Bosnien-Herzegowina, in Rumänien oder in Tschechien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der Aufbau der Caritas", so Aichern: "Auch in Belarus sind wir oft gewesen." Der von ihm gegründete Osthilfefonds der Diözese Linz feierte dieser Tage sein 25-jähriges Bestehen.
Im Blick auf die Jugend betonte der bald 90-jährige Bischof, dass es gerade in einer für die Kirche nicht leichten Zeit mutige junge Christinnen und Christen brauche, "die sich von Problemen nicht abschrecken lassen, die den Mut haben, anzupacken, aufzutreten, sich einzusetzen". Die Besuche und die Gespräche mit der Katholischen Jugend und der Katholischen Jungschar, in den Schulen, in den Gruppen der Pfarren und darüber hinaus seien ihm stets ein Anliegen gewesen.
Sorgen bereiten dem Bischof der Klimawandel, die aufgehende Schere zwischen Arm und Reich oder auch die hohe Arbeitslosigkeit. "Das ist alles ein weltweiter Skandal und verlangt einen intensiven Einsatz von allen, auch bei uns", mahnte Aichern: "Das Verteilungssystem muss doch den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Menschenwürde und der Lebensqualität für alle entsprechen." Es gehe auch "um eine neue Gesinnung, die nicht den finanziellen Gewinn und den Konsum an die erste Stelle setzt, sondern die Menschenwürde, die Gerechtigkeit und die Lebensqualität für alle, nicht nur für einen Teil".
Und der Bischof fügte hinzu: "Es geht nicht ohne Einschränkungen, es geht nicht ohne Teilen, es geht nicht ohne Solidarität - besonders auch in den Asylfragen. Auch da braucht es mehr Solidarität, mehr Verteilungsgerechtigkeit und mehr Einschränkungen von anderen, denen es besser geht."
Gemeinwohl wichtiger als Parteiinteressen
Ein Grundanliegen des Sozialhirtenbriefs der Österreichischen Bischöfe (1990) und des Ökumenischen Sozialwortes (2003) "war die humane und geistige Grundlage der Gemeinschaft, die gegenseitige Verantwortung, aus der sich die Notwendigkeit des Zusammenhalts und der Zusammenarbeit ergibt. Das Gemeinsame, das Gemeinwohl muss immer vor den Gruppen- und den Parteiinteressen stehen. Das ist, denke ich, das Wichtigste, und dafür wird auch die Kirche immer sorgen müssen", so Aichern.
Ein besonderes Anliegen war dem Bischof stets auch die Gedenkarbeit. Dazu meinte er im Interview wörtlich: "Ich glaube, das Gedenken an Marcel Callo, Franz Jägerstätter oder an andere Märtyrer kann dazu beitragen, dass solche Unmenschlichkeiten sich nicht mehr ereignen und dass heute Ansätze von Menschenhass und Menschenvernichtung schon in den Anfängen verhindert werden. Dafür brauchen wir das Wissen um diese Wurzeln, um manches für heute aufarbeiten zu können. Das Aufarbeiten der Vergangenheit ist wichtig für die Gegenwart."
Frauendiakonat ist nicht aufzuhalten
Im Blick auf innerkirchliche Reformdebatten zeigte sich Bischof Aichern überzeugt, "dass die Diakonenweihe der Frauen nicht aufzuhalten ist, weil sie denn doch schon einmal da war". Und das Gleiche, so denke er, gelte auch für die Priesterweihe von verheirateten Männern. Und: "Ich würde natürlich doch auch dazusagen: vielleicht sogar von Frauen. Aber da ist auch vom jetzigen Papst schon einmal eine abschlägige Antwort gekommen." Alles brauche seine Zeit und es hänge auch immer wieder von den Päpsten ab.
Die Teilhabe der Frauen an der Seelsorge und an der Verwaltung sei unbestritten, "und man sieht, wie der Papst jetzt doch auch bei der Kurie in Rom nachzieht". Aber es gehe auch immer wieder um die Teilhabe am Amt, wie zum Beispiel dem Diakonat. Die Befähigung und der Auftrag aller Christinnen und Christen durch Taufe und Firmung, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) so intensiv betont wurden, sei noch immer zu wenig im Bewusstsein, greife aber immer besser.
Er wünsche jedenfalls der Kirche die Diakonenweihe für die Frauen und eine Änderung der Zulassungsbedingungen zu den Weihen; außerdem eine erfolgreiche Reform der Strukturen "und eine wirklich gute Hinwendung zu den Nöten der Menschen". Ihn persönlich ermutige es, "dass ich manche positiven Trends erlebe, vor allem auch bei jüngeren Menschen, die sich für Gerechtigkeit, für Friede und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen und immer neue, zeitgemäße Wege suchen - nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche".
Bedeutung der Orden
Bischof Aichern, der ja selbst dem Benediktinerorden angehört, kam in dem Interview auch auf die Bedeutung der Ordensgemeinschaften zu sprechen: "In Oberösterreich gibt es sehr viele Ordensgemeinschaften, auch heute noch, und sie haben eine große Bedeutung. Ich bin überzeugt, sie sind wesentliche Mitträger der Seelsorge und der sozialen und karitativen Aufgaben." Jedes Kloster habe seine besonderen Aufgaben. Gerade in der heutigen Zeit gingen gerade auch von den Klöstern wichtige gesellschaftliche und humane Impulse aus.
"Noch geht's"
Zur Frage, wie sein Alltag nun aussieht, berichtete der Bischof, dass er immer wieder zu diözesanen und pfarrlichen, aber auch zu gesellschaftlichen Veranstaltungen eingeladen werde. "Meinem Alter und der Gesundheit entsprechend kann ich noch manches im kirchlichen und gesellschaftlichen Bereich tun". Und in manchen Fragen, vor allem im sozialen und im gesellschaftlichen Bereich, könne er vielleicht auch weiterhin beitragen, "dass manche Brücken und Kooperationen, die wir in der Vergangenheit gebaut haben, weitergehen und zum Beispiel auch noch vertieft werden".
Bischof Aichern erzählte, dass er zum Beispiel immer noch sehr gerne firme. "Ich kann halt immer nur mit Fragezeichen zusagen - es entscheidet sich immer erst kurz vorher, ob es gesundheitlich möglich ist oder nicht. Wenn einer stirbt, weiß man eh, dass es nicht mehr geht. Aber man kann auch so krank sein, dass es nicht mehr geht. Aber noch geht's."
Ordensmann und Bischof
Maximilian Aichern wurde am 26. Dezember 1932 in Wien geboren, arbeitete nach der Matura in der elterlichen Fleischhauerei und trat 1954 in das Kloster St. Lambrecht ein. Nach dem Studium in Salzburg und Rom wurde er 1959 zum Priester geweiht, wurde 1977 Abt von Sankt Lambrecht sowie schon im Jahr darauf zum Abtpräses der österreichischen Benediktiner gewählt. Ende 1981 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Linz, gefolgt von der Bischofsweihe am 17. Jänner 1982 mit rund 10.000 Gläubigen im Linzer Dom.
Höhepunkte in Aicherns diözesanem Wirken waren u.a. die Feier zum 200-jährigen Bestehen der Diözese Linz 1985, eine Diözesanversammlung 1986 und die Besuche von Papst Johannes Paul II., der 1988 nach Enns-Lorch sowie ins ehemalige Konzentrationslager Mauthausen kam. In nur zehn Jahren war Aichern in sämtlichen 485 Pfarren der Diözese zur offiziellen bischöflichen Visitation.
Einen besonderen Namen machte sich Aichern jedoch auch österreichweit als "Sozialbischof": etwa durch seine Federführung beim "Sozialhirtenbrief" der österreichischen Bischöfe 1990, beim Sozialwort der 14 christlichen Kirchen 2003 oder durch seinen vehementen Einsatz in der "Allianz für den arbeitsfreien Sonntag". In Linz gründete er die Bischöfliche Arbeitslosenstiftung und beherbergte Flüchtlingsfamilien im Bischofshaus.
Am 18. Mai 2005 nahm Papst Benedikt XVI. das Rücktrittsgesuch von Bischof Aichern an, der sein Amt vier Monate später an seinen Nachfolger, Bischof Ludwig Schwarz, übergab. Diesen sowie auch den derzeitigen Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer unterstützte Aichern weiter in liturgischen und repräsentativen Aufgaben.
[elisabeth mayr-wimmer]