Philosophin von Schirach fordert „spirituelle Wende“ in Bildung
Die bekannte deutsche Philosophin und Autorin Ariadne von Schirach fungierte bei der VOSÖ-Klausurtagung als Keynote-Speakerin. (c) Rahel Täubert
Als Antwort auf die Maxime von Konkurrenz, Konsum und Profitsteigerung möge die Schule um jenes Menschenbild bemüht sein, das den Sinn des Lebens in Kooperation, Entfaltung und Lebensfreude sieht, wünschte von Schirach im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress am Rande ihres Keynote-Vortrags in der Schule Sacre Coeur Riedenburg.
Oberflächlichkeit greife seit rund 20 Jahren rasant um sich, begründete die deutsche Philosophin die Notwendigkeit eines „spiritual turns“. Eine große „Geistlosigkeit“ sei zu verspüren, „nachlassende Kompetenz und Urteilskraft sowie das allgemeine Problem, mit heutigen Problemen und der Komplexität der Welt zurechtzukommen“. Auch in den politischen Haltungen mache sich dies bemerkbar. Zugleich schreite die Ökonomisierung der Welt voran und sorge für alleinige Ausrichtung auf Profitmaximierung und menschliche Selbstoptimierung, die in Wahrheit Ausbeutung bedeute. Besonders unheilvoll: „Das Wesentliche verschwindet aus den Augen.“
Sinnsuche und Innerlichkeit als Ausweg
Als „Ausweg, der zurück zum Leben führt und die Leute nicht länger für dumm verkauft“, präsentierte von Schirach die Sinnsuche und Innerlichkeit, die an der Erkenntnis der Kirchen einer Rückkehr des Spirituellen aus den 1990er-Jahren ansetze. Die Botschaft „dass der Mensch innen größer ist als außen“ gelte es schon Kindern zu vermitteln, sowie auch, „dass wir mit Geist und Kompetenz ausgestattet sind, um die von so vielfachen Krisen bedrohte Welt zum Besseren zu verändern“.
Das Bewusstsein der Verbundenheit allen Lebens nannte die Philosophin dabei als Ausgangspunkt. „Wird die Umwelt zerstört oder jemand ertrinkt im Mittelmeer, ist es deshalb so furchtbar, da wir alle so vieles gemeinsam haben und füreinander Verantwortung tragen. Retten wir andere, retten wir auch uns selbst.“ Auch an die Fähigkeit des Menschen, „sich stets für das Gute oder für das Böse zu entscheiden“ und somit das eigene Verhalten zu bestimmen, gelte es zu erinnern. Auf Viktor Frankl verwies von Schirach schließlich mit dem Appell, „auch in schweren Zeiten Sinn zu finden - und den Ort, an den du gestellt bist, ein wenig aufgeräumter zu verlassen“. Die Rettung der Welt solle bei sich selbst beginnen, „beim Bemühen um liebevolle Beziehungen und Rettung der eigenen Seele“.
Drei auch in der Schule vermittelbaren Aspekte von Spiritualität hob die Autorin besonders hervor: Güte – „das Gegenteil von Ausbeutung und Egoismus“, Demut – „die Erkenntnis, dass man immer nur ein Stück der Welt retten kann, nicht alles“, sowie auch Humor – „das Bewusstsein eigener Fehlerhaftigkeit“.
Neben Zeitgeist auch Geist
Ihrem Ideal kommt die Schule laut Schirach am ehesten dann nach, „wenn sie Zeitgeist und Geist zugleich vermittelt“. Lehrpläne hätten sich mit den Fragen und Themen der Gegenwart auseinanderzusetzen, „ein guter Lehrer sagt aber auch, dass man es eventuell auch anders machen könnte. Seine Schülerinnen und Schüler sollen am Ende selbst entscheiden und beurteilen, sollen neben den Antworten auch das Fragestellen lernen.“ Schulen seien in der sich verändernden Welt ein „Ort, an dem Gemeinschaft und Menschsein gelernt wird“.
Auch auf die dunkle Nazi-Vergangenheit ihrer Familie - ihr Großvater Baldur von Schirach (1907-1974) war NSDP-Reichsjugendführer und einer der 24 Hauptangeklagten im Nürnberger Prozess - kam die Philosophin zu sprechen. Die Sorge, „dass man den Respekt vor anderen Menschen verliert“, überschatte ihre Biografie, weshalb das Entschuldigen und „allen Zuhören, die damals auf der anderen Seite standen“ zu einem Lebensinhalt für sie geworden sei, erklärte von Schirach.
Die Vereinigung von Ordensschulen Österreichs
Die Vereinigung von Ordensschulen (VOSÖ) besteht seit 1993 und ist mittlerweile größter privater Schulträger Österreichs. Einst gegründet als Angebot für Ordensgemeinschaften, die ihre Bildungswerke nicht mehr in die Zukunft führen können, sind heute insgesamt 70 Schulen an 20 Bildungsstandorten in allen Bundesländern außer Kärnten vertreten. Die Einrichtungen werden von 13.300 Kindern und Jugendlichen besucht.
Quelle: kathpress