Münzprojekt reloaded – römische Münzen gehen ins Netz!
Knapp die Hälfte davon bilden alleine den Bestand der antiken Münzen, beginnend bei der Römischen Republik bis zum Ende der römischen Kaiserzeit und umfassen einen Zeitraum von 275 v.Chr. bis ca. 450 n.Chr.
Im Juni 2019 startete ein Münzprojekt im Stift Herzogenburg mit dem Ziel, die antike Münzsammlung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ermöglicht wurde es durch die Mittel des Niederösterreich-Fonds.
Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Erfassung bilden die chronologischen Inventarisierungslisten, die ab 1999 durch Studenten des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte erstellt wurden. In den letzten 20 Jahren hat es von Seiten der Herzogenburger Augustiner-Chorherren immer wieder Bestrebungen gegeben, den alten Inventar-Zettelkatalog der Münzsammlung zu überarbeiten und die Sammlung einer wissenschaftlichen Erfassung und Bewertung zu unterziehen. In Kooperation mit dem Institut für Numismatik in Wien wurden seit 1999 Teilbestände der antiken Münzsammlung systematisch neu aufgenommen und bei Seminaren für Münzbestimmung Zitat, Münzstätte, Datierung, Gewicht und Stempelstellung verzeichnetet. Für die Studenten eine praxisnahe Übung anhand einer Stiftssammlung, für den „Gastgeber“, das Stift, eine Möglichkeit einen Teil der Sammlung der wissenschaftlichen Bearbeitung zuzuführen.
Diese Vorarbeiten werden im derzeitigen Projekt auf Grundlage der gängigen aktuellen Katalogwerke - wie Roman Imperial Coinage (RIC) und Roman Republic Coinage (RRC) - korrigiert, teilweise aktualisiert und durch weitere Normdaten ergänzt. Der gesamte römische Münzbestand wird in diesem Zuge digital erfasst, Legenden zitiert und Beschreibungen der Münzbilder erstellt.
Die Erfassung der Normdaten und Digitalisierung der antiken Münzen gestaltet sich so, dass Teile dieser Daten problemlos für PDF-Listen herangezogen werden können, die Aufbereitung der Daten sich aber auch für die Einspeisung in eine Access- bzw. Mysql-Datenbank eignen. In einer Excel-Tabelle werden neben den Herzogenburger Inventarnummern jeweils folgende Normdaten (falls vorhanden) verzeichnet: Stempelstellung (h), Gewicht (g), Material, Nominal, Zitat (RRC, MIC, RIC), Prägejahr, Münzstand, Region bzw. Land, Münzstätte, Münzherr (inkl. Herrscherjahre), Münzmeister, sowie Münzlegende und Beschreibung des Münzbilds (jeweils Avers und Revers). Die digitalen Abbildungen der Münzen (Avers und Revers getrennt) sind hochaufgelöst im TIFF-Format als Sicherungskopie abgespeichert, parallel dazu gibt es eine verkleinerte und bearbeitete Version in JPG-Format.
Einige überarbeitete Listen sind derzeit schon als PDF-file auf der Website des Stiftes online abrufbar: nach einer begleitenden Einleitung der gesamte Münzbestand der Römischen Republik und Teile des römischen Kaiserreichs von den Kaisern Augustus, Tiberius, Caius, Claudius, Nero, Galba, Otho, Vitellius, Vespasianus, Titus, Domitianus und Nerva.
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Warum gibt es Münzsammlungen der Antike in Klöstern?
Die meisten Münzsammlungen in klösterlichen Einrichtungen wurden bereits im 18. Jahrhundert angelegt. Die Anregung dazu kam durch das neu erstarkte Interesse des Habsburger Hofes unter Karl VI., der dazu übergegangen ist eigens ein Münzkabinett in der Hofburg zu errichten, um die bisherigen höfischen Münzsammlungen zusammenzufassen (wie beispielsweise die Sammlung von Schloss Ambras). Begleitet wurde diese Unternehmung mit wissenschaftlichen Publikationen durch den Münz- und Antiquitäteninspektor. Eine Folge davon war die Herausbildung einer eigenen Fachwissenschaft: der antiken Numismatik. Münzkabinette bzw. eine Münz- und Medaillensammlungen waren fortan unabdingbarer Teil des barocken Sammlungskonzepts.
Wie viele klösterliche Einrichtungen legte auch das Stift Herzogenburg im 18. Jahrhundert eine Münzsammlung an und wurde sogar mit einem spätbarocken Münzkabinett ausgestattet, das heute noch zum Teil erhalten ist und seiner ursprünglichen Bestimmung nach genützt wird. Im 19. Jahrhundert wurden diese Sammlungen erweitert im Sinne der Wissenschaftspflege und als Canon einer umfassenden humanistischen Bildung fortgeführt.
Ein Blick in die Zukunft
Das aktuelle Projekt in Herzogenburg kann als eine Weiterführung dieser Tradition verstanden werden: der Idee der Gewährleistung des freien Zugangs zu Daten für die Wissenschaft und interessierte Laien.
Zugleich kann es die notwendige Vorarbeit für einen gemeinsamen Datenpool für - vorerst - antike Münzsammlungen von kirchlichen Einrichtungen sein. Das Institut für Numismatik und Geldgeschichte verfolgt unter der Projektleitung von Universitätsassistent Martin Baer diese interessante Idee. Münzsammlungen von Stiften und Klöstern Österreichs und Umgebung würden sichtbar gemacht werden und auf einer eigenen Webseite abrufbar sein. Zusätzlich zur Webseite würde eine Verknüpfung mit numismatischen Portalseiten stattfinden, wie z.B. OCRE (Online Coins of the Roman Impire), auf dem alle römischen Münzen vieler international teilnehmenden Onlinedatenbanken vereint sind. Die großen Münzkabinette wie KHM, Staatliche Münzsammlung zu Berlin, British Museum, aber auch kleinere Universitätssammlungen gehören dazu. Numismatische Objekte aus kirchlichen Einrichtungen fehlen in diesen Plattformen bisher zur Gänze.
Münzsammlungen können dadurch in einem geeigneten Rahmen und fachlich fundiert präsentiert werden und einem internationalen Publikum zur Verfügung gestellt werden. Münzen an sich sind - allein auf Grund ihrer Größe - relativ schwer vermittelbare und ausstellbare Objekte. Die vielen interessanten Münzsammlungen liegen zudem oft in entlegenen Gebieten, was zusätzlich eine Hürde für die Zugänglichkeit und Repräsentanz darstellt.
Das Netz kann der ideale Vermittler für Münzen sein, um die Lesbarkeit und Schönheit der Darstellungen oft erst zum Vorschein zu bringen und eine wesentlich größere Reichweite zu entfalten.
[Susanne Barabas, Mitarbeiterin Sammlungen und Archiv, Augustiner Chorherrenstift Herzogenburg]
Abb.: Münzkabinett, Stift Herzogenburg, © 2020 Ulrich Dertschei, Stift Herzogenburg
Abb. Bildergalerie 1-6: Römische Republiken, Dioskuren 148 v. Chr., Inv. Nr. 0036 Revers; Roma 146 v. Chr., Inv. Nr. 0038 Avers; römische Soldaten 103 v. Chr., Inv. Nr. 0061 Revers; Elefant zertritt eine Schlange 49-48 v. Chr., Inv. Nr. 0106 Avers; Mars 88 v. Chr., Inv. Nr. 0076 Avers; Jagdhund 74 v. Chr., Inv. Nr. 0094 Revers; © 2020, Stift Herzogenburg