Kultur & Dokumentation

Vatikan-Archive: Papst Pius XII. wusste von Holocaust

Der Vatikan hat Anfang März 2020 die Archive zum Pontifikat Papst Pius XII. (1939-1958) geöffnet. Ein Teil der Archivalien zu Pius XII. war bereits auf Veranlassung von Paul VI. und Johannes Paul II. freigegeben worden. 

Schweigen über brisante Informationen

Die Öffnung betrifft das ganze Pontifikat des Papstes bis zu seinem Tod in Castel Gandolfo am 9. Oktober 1958. Neue Informationen zeigen auf, dass der damalige Papst wesentlich genauer über den Holocaust informiert war, als bisher bekannt. Ein Forscherteam um den deutschen Kirchenhistoriker Hubert Wolf konnte mit Hilfe der vatikanischen Archive rekonstruieren, dass der Papst persönlich am 27. September 1942 die brisanten Informationen erhielt. Im September 1942 legten ihm seine Mitarbeiter einen Bericht des amerikanischen Botschafters beim Vatikan, Myron Charles Taylor, über die Gräueltaten der Deutschen vor. Das belegen die bisherigen Recherchen des Kirchenhistorikers. Konkret ging es in dem Bericht an Pius XII. um die Liquidierung des Warschauer Ghettos und die Verschleppung Hunderttausender in Konzentrationslager. Das Kirchenoberhaupt erfuhr von Massenhinrichtungen und Massakern in Ostpolen sowie den besetzten russischen Gebieten. Dort sei „kein einziger Jude mehr am Leben“, so der Bericht.

pius xiiPapst Pius XII. nach dem Krieg (c) Betmann Archives / Getty Image

Kritische Stimmen bezeichnen Papst Pius XII. wegen seiner diplomatischen Haltung gegenüber dem NS-Regime als moralischen Versager.

Alle vatikanischen Archive freigegeben

Der Entscheidung des Papstes folgend werden nun die Archive bis zum Todeszeitpunkt Pacellis geöffnet, nicht nur das Geheimarchiv, sondern auch „das historische Archiv der Sektion für die Beziehungen mit den Staaten des Staatssekretariats, das historische Archiv der Glaubenskongregation, das historische Archiv der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, das historische Archiv der Ostkirchenkongregation, das Archiv der Bauhütte von Sankt Peter und, mit jeweils eigenen Zugangsmodalitäten, auch andere historische Archive von Kongregationen, Dikasterien, Ämtern und Gerichten, mit Genehmigung durch deren Leiter,“ erläutert der Präfekt des vatikanischen Geheimarchivs Bischof Sergio Pagano.

vaticannews piusPapst Pius XII. auf einer undatierten Fotografie (c) vaticannews

Archivöffnung auch für Österreich wichtig

Der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber will zum Thema „Pius XII. und Österreich“ eine Forschungsinitiative ins Leben rufen. Er sieht mit Blick auf Österreich eine Fülle an relevanter Themenfelder und zu klärender Fragen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aber auch nach 1945. Von Interesse sei etwa, welche Informationen während der Kriegsjahre aus österreichischen Kirchenkreisen in den Vatikan gelangten und welche Wirkungen sie dort entfalteten, so Klieber exemplarisch. „Inwieweit gab es Anweisungen und Anregungen der römischen Kirchenzentrale für das Verhalten und Agieren der heimischen Kirchenleute in der Zeit des NS-Regimes bzw. Weltkriegs?“, formuliert der Kirchenhistoriker eine weitere Forschungsfrage. Und: „Welches Wissen und welche Haltungen der betroffenen Akteure zu den Verbrechen des NS-Regimes wie der Shoa lassen die neuen Quellen erkennen?“

Es gelte nun, die schon bewährte Kooperation mit Partnern zu suchen, vor allem dem Österreichischen Historischen Institut in Rom sowie dem Forschungsnetzwerk des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf. Klieber: „Auf dieser Basis soll erneut versucht werden, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu Dissertationsprojekten im großen vielversprechenden Forschungsterrain zu motivieren, ebenso Kolleginnen und Kollegen aus der heimischen (kirchen-)historischen Landschaft zu gezielten Studien bzw. Forschungsaufenthalten in Rom.“

Quellen: religion.orf.at, vaticannews.va, zeit.de

[Karin Mayer]

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