Das Ordensarchiv der Franziskanerinnen von Vöcklabruck
Die Franziskanerinnen von Vöcklabruck, vormals Arme Schulschwestern, wurden vom aus Lasberg (Bezirk Freistadt) stammenden Diözesanpriester Sebastian Schwarz (1809-1870) im Jahr 1850 ins Leben gerufen. In ihrem Ordensarchiv finden sich das Schriftgut, das in der Ordenszentrale, dem Mutterhaus sowie in den diesem unterstellten Filialen und Niederlassungen des Ordens angefallen ist und welches als archivwürdig bewertet wurde. Die Filialen sind im Prinzip Töchterkonvente, die mit diversen Aufgaben wie mit der Leitung, der Finanzierung, der personellen und der Sach-Ausstattung der ordenseigenen Schulen, Horte, Kindergärten, Pflege- und Alten- und Behindertenheime, Krankenhäuser usw. befasst sind.
Jede Filiale ist eigentlich verpflichtet, ihre für das Tagesgeschäft nicht mehr benötigten wirtschaftlichen Unterlagen sowie andere Aufzeichnungen ehest möglich an das zentrale Archiv im Mutterhaus abzuliefern. Das Archiv zeugt vom Leben und Wirken der seit Gründung nunmehr über 2000 Schwestern, aber den weitaus größeren Anteil hat jenes Archivmaterial, welches die vielfältigen Interaktionen des Ordens mit der Öffentlichkeit, den weltlichen und kirchlichen Behörden, den Betrieben und Firmen, kurz und pathetisch: den Menschen belegt. Somit ist das Ordensarchiv der Franziskanerinnen von Vöcklabruck ein Archiv, welches für viele sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte der österreichischen oder vielleicht auch nur der oberösterreichischen Landesgeschichte, sowie für theologische Forschungen und gender studies von 1850 bis heute interessant sein könnte.
Der Großteil der Filialen befindet sich zwar in der unmittelbaren Umgebung, also vor allem in den Bundesländern Oberösterreich und Salzburg, aber die Franziskanerinnen von Vöcklabruck verfügen bzw. verfügten auch über Niederlassungen in Deutschland (vor allem in der ehemaligen DDR), den USA, in Jerusalem und sogar in Kasachstan. Es ist also mit Sicherheit zu kurz gegriffen, das Ordensarchiv der Franziskanerinnen von Vöcklabruck als „provinzielles Schwesternarchiv“ zu bezeichnen
Archivgeschichte und Archivzuständigkeiten
Das erste Archiv des Ordens befand sich im alten Mutterhaus in der sogenannten Hinterstadt, einer mehr oder weniger parallel zum Vöcklabrucker Stadtplatz verlaufenden Straße. Viel weiß man über das Archivwesen in den ersten Jahrzehnten des Ordens nicht. Dass jedoch zumindest ab dem frühen 20. Jahrhundert sehr wohl Wert auf die Pflege und Erhaltung von altem Schriftgut gelegt wurde, zeigt die originelle Aufschrift auf dem Aktendeckel:
Abb. 1: „Wichtig auch für später“ (OAFrVö, SchB 125, Aktendeckel Filiale Rainbach, Akten von der Übernahme bis 1945).
Hauptverantwortlich für das Archiv des Ordens ist gemäß den Konstitutionen des Ordens stets die Generalsekretärin, denn „sie führt die Ordenschronik und das Ordensarchiv, ordnet und hinterlegt alle Urkunden und Akten, die sich auf die Kongregation, ihre Verwaltung und Geschichte beziehen.“ Es steht ihr natürlich frei, sich durch andere Schwestern oder, wie in jüngster Zeit, auch durch weltliches Personal in Teilbereichen ihrer Tätigkeit helfen zu lassen. Von 1926 bis 1976 war das Archiv, das Generalsekretariat und sogar die Bettstatt der Generalsekretärin in nur einem Raum im 1905 fertiggestellten neuen Mutterhaus in der Salzburgerstraße (Vöcklabruck) untergebracht.
Die Bestände des Ordensarchivs und deren Neuordnung
Das Ordensarchiv der Franziskanerinnen von Vöcklabruck umfasst heute (September 2020) Aktenmaterial im Umfang von 175 Archivkartons, zudem 160 Handschriften, 135 Chroniken aus dem Mutterhaus und den Filialen, eine umfangreiche Bauplansammlung, eine Fotosammlung sowie eine Sammlung von Urkunden, Diplomen und Orden. Bis 2012 waren die Akten des Ordensarchivs in nicht säurefreien Kartons oder zum Teil auch in Packpapier eingeschlagen und verschnürt in herkömmlichen Bürokästen untergebracht. Diese Kartons und die Papierpacken waren mit Etiketten versehen, die über den Inhalt informierten. Somit war nur das Umpacken in säurefreie Archivschachteln und Umschläge, das Entfernen von Büroklammern aus den Akten u.ä. von Nöten. Allerdings war der Grad der Erschließung nicht flächendeckend im gesamten Archiv von gleicher Qualität. Manche Materialien bezeichnete man nur mit z.B.: „Alte Akten“. In Bezug auf die sehr spärlichen oder oft auch völlig fehlenden Datierungen und Aktenlaufzeiten bestand jedoch dringender Handlungsbedarf. Die Archivkartons und Handschriften wurden mit Etiketten versehen, welche große, gut lesbare fortlaufende Nummern sowie etwas kleiner geschriebene Schlagworte, den Inhalt betreffend, (und natürlich auch das Ordenslogo) aufweisen.
Abb. 2: Etikette an einem Archivkarton
Die älteste Handschrift ist eine Gebetsammlung aus dem Jahre 1808, die wohl aus dem Besitz des Gründers oder eines Konventmitgliedes der Gründerzeit stammt. Ebenfalls aus der Gründerzeit stammen die drei Messjournale von Sebastian Schwarz sowie sein handschriftlicher Bericht über eine Reise nach Rom und Assisi im Jahre 1867. 24 Handschriften haben pädagogischen Inhalt, zumeist Unterrichtsplanungen und Lehrbehelfe verschiedener Schwestern, die den Lehrberuf ausübten. Weiters birgt das Ordensarchiv der Franziskanerinnen von Vöcklabruck eine Reihe von Verwaltungshandschriften, Kopierbücher (= gebundene Abschriften wichtiger Korrespondenz) sowie handschriftliche Aufzeichnungen religiösen und klösterlichen Betreffs der verschiedensten Art. Den weitaus größten Anteil am Handschriftenbestand haben die Tagebücher der Schwestern. Jedoch nicht jedes der Tagebücher ist auch ein solches im klassischen Sinne. Vielfach handelt es sich um täglich notierte, religiöse Betrachtungen der Schwestern oder auch Exerzitien-Tagebücher, die nicht zuletzt auch dem Zweck dienten, dem Spiritual vorgelegt werden zu können, damit sich dieser über den Fortgang der religiösen Entwicklung informieren konnte.
Abb.3: Blick ins Ordensarchiv der Franziskanerinnen von Vöcklabruck während der Neuordnung
Im März 2011 wurde der Autor dieses Beitrages geringfügig (neben seiner Haupttätigkeit im Stiftsarchiv der Benediktiner in Lambach) bei den Franziskanerinnen von Vöcklabruck angestellt und mit der Aufgabe, das Schriftgut des Ordens fachgerecht in säurefreies Material umzulagern sowie eine Archivordnung und ein Findbuch zu erstellen, betraut. Oberstes Gebot war natürlich, die Provenienzen zu erhalten und die bisherigen durchaus sinnvoll und brauchbaren Ordnungssysteme so weit als möglich zu adaptieren.
Beständetektonik
1. Orden, Kloster, Mutterhaus
1.1 Klosterleben, Ordensangelegenheiten
1.1.1 Gründerzeit
1.1.2 Konvent, klösterliches Zusammenleben
1.1.3 Schwestern
1.1.4 Dispensen
1.1.5 Kapitel
1.1.6 Ordensregeln, Statuten und Konstitutionen
1.1.7 Seelsorger (u.a. auch der Gründer Sebastian Schwarz)
1.1.8 Übergeordnete kirchliche Institutionen
1.1.9 sonstige religiöse Belange
1.2 betriebliche Angelegenheiten, Verwaltung im Mutterhaus
1.2.1 altes Mutterhaus (seit 2008 als Gründungshaus bezeichnet)
1.2.2 Mutterhaus, Bauangelegenheiten
1.2.3 Mutterhaus allgemein
1.2.4 Steuern und öffentliche Abgaben
1.2.5 Grundangelegenheiten
1.2.6 Weltliche Behörden
1.2.7 Versicherungen und Kreditinstitute
1.2.8 Hausgeschichte
1.2.9 Pädagogische Akademie der Diözese Linz
1.2.10 Weltliches Personal
1.2.11 Varia
2. Filialen
Die 104 bereits aufgelassenen oder noch bestehenden Filialen wurden nach den Orten in denen sie sich befinden/ befanden alphabetisch geordnet. Zu den Filialen in Österreich kommen noch jene aus Amerika, Deutschland und Jerusalem. Aus der noch sehr jungen Filiale in Kasachstan ist derzeit noch nichts ins Archiv gelangt, da die Akten noch vor Ort gebraucht werden.
Findbehelfe
Findbehelfe gab es, wenn man vom „Schwesternbuch“ und seinen Kopien absieht, bis 2012 keine. Die Archivarinnen kannten die überschaubaren Bestände sehr gut und an diese waren alle internen (von Seite des Ordens) und externen Anfragen zu richten. Im Rahmen der Neuordnung des Archivs wurde auch ein Findbuch, vorerst nur für den Hausgebrauch, angelegt. Einer Zugänglichmachung und Nutzung dieses Findbuches in naher Zukunft, beispielweise über das Medium Internet oder auch die Einspeisung in eine Archivdatenbank, ist geplant.
[Text und Bilder: Christoph Stöttinger]
Dieser Beitrag stellt eine überarbeitete Fassung des Beitrags des Autors in Scrinium, der Zeitschrift des Verbandes Österreichischer Archivarinnen und Archivare, Nr. 66 (2012), 111-124, dar.