Der Göttweiger Heiligenkalender
Es handelt sich dabei um sechs in Buchform montierte furnierte Holztafeln (60 x 32 cm), die auf zwölf Monatsseiten sämtliche Tagesheilige des Kirchenjahres enthalten. Die Heiligen sind in Form von kleinen Emailmedaillons als Halbfiguren dargestellt. Diese hochovalen Medaillons (jeweils ca. 3,1 x 2,6 cm) sind in vergoldeten Blechrahmen auf einem rötlichen Seidenuntergrund montiert. Von 365 Emaildarstellungen fehlen heute fünf Stück.
Die früheste fassbare Beschreibung dieses Kalenders stammt aus dem Herbst des Jahres 1746. Fr. Heinrich Pichler (1722-1809) und zwei weitere Brüder aus dem Stift Kremsmünster unternahmen in dieser Zeit eine Ferienreise durch Ober- und Niederösterreich. Diese Tour führte die jungen Mönche Ende September für zwei Tage auch nach Stift Göttweig. Bei diesem Besuch wurde den Gästen in einem ausgedehnten Rundgang durch das neu errichtete Kloster auch die Naturalien- und Kunstkammer gezeigt, die unter Abt Gottfried Bessel (reg. 1714-1749) angelegt wurde. Fr. Heinrich hielt seine Eindrücke beim Besuch dieses „Museums“ in einem Reisetagebuch gewissenhaft fest (siehe Literaturhinweis unten). Dieser Bericht, der sich im Stiftsarchiv Kremsmünster erhalten hat, zählt zu den bedeutendsten Quellen zur Göttweiger „Kunst- und Wunderkammer“. Natürlich zeigte man den Gästen auch stolz den Heiligenkalender als bedeutendes Sammlungsobjekt. Im Diarium vermerkte Fr. Heinrich dazu: „mitten in diesen musaeo stehet ein tisch, allwo ein buch oder calender ligt, wo alle heilige auf das ganze jahr in geschmölzter arbeith in der groß wie ein sibner zu sehen, wovon das stück: 3 fl. 30 xer kostette“. Interessant erscheint der Umstand, dass durch den Kulturvermittler, dem hiesigen Gastmeister P. Magnus Klein (1717-1783), auch Informationen über den (hohen) Kaufpreis des Stückes weitergegeben werden konnte. Dies spricht für einen noch nicht allzu weit zurückliegenden Ankauf.
Heute gilt der Kalender als vermutlich böhmische Emailarbeit und wird nach 1730 datiert. Wie bereits durch P. Gregor Lechner 1983 festgestellt, spricht die Abwesenheit von typischen Göttweiger Heiligen, etwa dem hl. Altmann von Passau als Klostergründer, im Kalender für eine auswärtige Herstellung. Vermutlich kam der Kalender als fertiges Kunstkammerstück in die Göttweiger Sammlung. Der Heiligenkalender ist zur Zeit in der ständigen Ausstellung des Göttweiger Museums im Kaisertrakt ausgestellt.
Stift Göttweig: www.stiftgoettweig.at
Öffnungszeiten Museum im Kaisertrakt (bitte achten Sie auf Coronavirus bedingte Schließzeiten): 5. Juni bis 1. November 2020 - täglich 10:00-17:30 Uhr (letzter Einlass 16:30 Uhr), 2. November bis 13. Dezember 2020 - täglich 10:00-16:30 Uhr (letzter Einlass 15:30 Uhr), 14. Dezember bis 19. März 2021 - geschlossen
Literatur:
900 Jahre Stift Göttweig 1083-1983. Ein Donaustift als Repräsentant benediktinischer Kultur, Katalog zur Jubiläumsausstellung, Stift Göttweig, Eigenverlag, 1983, Kat. Nr. 1031, 504-506 (Katalogeintrag zum Kalender).
Bernhard RAMEDER, Sammelleidenschaft im Kloster – Die ehemalige Naturalien- und Kunstkammer des Stiftes Göttweig. Zum Fund eines unbekannten Inventars der Barockzeit. In: Das Achtzehnte Jahrhundert und Österreich. Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, Band 33 (2018), 135-156.
Bernhard RAMEDER, „zu fues nacher closter Köttwein“. Stift Göttweig im Herbst 1746 – Eine Momentaufnahme. In: Hippolytus. Neue Folge. St. Pöltner Hefte zur Diözesankunde 36 (erscheint 2020), 9-25.
[Text und Bild: Mag. Bernhard Rameder, Kustos der Sammlungen, Kunstsammlungen, Archiv & Bibliothek Stift Göttweig]