Rückblick auf den Kulturtag 2020
Der Kulturtag startete mit einem Begrüßungs-Video der Generalsekretärin Sr. Christine Rod, in dem sie die im letzten Jahr gegründete Österreichische Ordenskonferenz vorstellte. Die neue Strukturierung brachte auch eine Umbenennung der ehem. Referate in Bereiche mit sich. Karin Mayer, Bereichsleiterin für Kultur und Dokumentation, begrüßte anschließend die TeilnehmerInnen aus dem Kardinal König Haus in Wien.
Karin Mayer, Bereichsleiterin für Kultur und Dokumentation, begrüßte die TeilnehmerInnen an der Online-Tagung. (c) Elisabeth Mayr
Sie informierte über Projekte und Aufgaben des Bereichs Kultur und Dokumentation und betonte die Wichtigkeit des Erhalts der Kulturgüter der Orden.
Von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Den ersten Vortrag des Tages hielt Korbinian Birnbacher, Erzabt von St. Peter und Vorsitzender der Österreichischen Ordenskonferenz zum Thema „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - vom klösterlichen Leben und seinen heutigen Herausforderungen“.
Erzabt Korbinian Birnbacher, Erzabt von St. Peter und Vorsitzender der Österreichischen Ordenskonferenz (c) Srceenshot
Sehnsuchtsraum Kloster
Gleich zu Beginn stellte er fest, dass Klöster immer mit der Vergangenheit verbunden werden. Hier verstecke sich laut ihm „eine Sehnsucht nach einer idealen Welt, einem Idyll, nach der guten alten Zeit“, für die das Kloster sinnbildlich bis heute steht. Klöster strahlen oft bis heute Stille, Konzentration und Erhabenheit aus.
Viele Klöster haben eine lange Tradition, die bis heute gepflegt wird – innerlich und äußerlich. Beides stellt Klöster heute vor die Herausforderung, einerseits diese imposanten, jahrhundertealten Klosterbauten zu erhalten und andererseits Berufungen zu finden, die diese Tradition auch in Zukunft weiterführen.
Berufungen nicht nach „Designer-Plan“
Wichtig beim Thema Berufung sei, die Spreu vom Weizen zu trennen. „Berufungen nach einer Art Designer-Plan zu rekrutieren“ sei deswegen wenig nachhaltig. Wichtig sei, dass Menschen kommen, die wirklich ihre Berufung vertiefen wollen – auf Dauer. Berufungen könne man nicht herbeizaubern, aber dort fördern, wo man ein Signal spüre.
Orte der Aufrichtigkeit
„Der Mensch heute sehnt sich nach Wahrhaftigkeit, Authentizität, Glaubwürdigkeit“, so der Erzabt. Und hier hätten Klöster eine Chance, sich als Gegenspieler von den leider gängigen Fake News ins Spiel zu bringen als Orte der Aufrichtigkeit. Eine Gefahr sehe er darin, „wenn wir als Ordensleute glauben, der Welt etwas vormachen zu müssen. Dann haben wir schon verloren“. Oder auch darin, das Aufrechthalten der Fassade nach außen wichtiger zu nehmen als einen Menschen zu glauben, wie es teils bei der Missbrauchsthematik passiert sei: „Diese Diskrepanz ist wie eine Wunde im Gesicht, die sich nicht mehr überschminkende Narben hinterlässt“, so der Abt.
Er plädiert dafür, stets „radikal ehrlich zu sein“ und authentisch zu leben, das sei heute umso wichtiger „weil Menschen viel kritischer geworden sind und merken, wenn man ihnen etwas vormacht“. Der Vortrag endete damit, dass Klöster weder „out noch passé“ seien sondern „zu den notwendigsten Orden der Welt gehören“. Ideale Voraussetzungen, so Erzabt Korbinian, um ein Kloster oder eine Gemeinschaft in die Zukunft zu führen, sei eine dynamische Treue, also „das Wesentliche bewahren und Neues zuzulassen“.
Sr. Anna Elisabeth Rifeser sprach über das Potential der Frömmigkeit. (c) Elisabeth Mayr
Potential der Frömmigkeit
Nach einer kurzen Pause folgte der Vortrag von der Südtiroler Tertiarschwester Sr. Anna Elisabeth Rifeser zum Potential der Frömmigkeit. Sie hat ihren Vortrag vorweg auf Video aufgezeichnet, der den TeilnehmerInnen eingespielt wurde. Dieser Vortrag ist auf unserer Website frei abrufbar.
Frömmigkeit mit negativem Ruf
Ihr Vortrag fußte auf ihrer Dissertation zu diesem Thema, auf das sie gestoßen war, weil in vielen Büchern und Beiträgen das Thema Frömmigkeit nur stiefbrüderlich behandelt wurde. Derweil „war das geistliche Leben Dreh- und Angelpunkt des Ordenslebens“ und spielt bei vielen Ordensfrauen eine entscheidende Rolle, wie auch bei den Tertiarschwestern, so Sr. Anna Elisabeth.
Der Titel - „Potential der Frömmigkeit“ – habe sie deswegen so gewählt, weil Frömmigkeit damals und auch heute noch als Machtinstrument zur skrupellosen Durchsetzung von Interessen benutzt wird. Sr. Anna Elisabeth dazu: „Religiöse Ideale schenken nicht immer Inspiration und Mut sondern können unter gewissen Umständen eine gewaltige destruktive Kraft entwickeln.“ Ihr gehe es darum, die Kraft, die in der Frömmigkeit liegt, zu zeigen am Beispiel der Tertiarschwestern.
Zeugnisse der Jesukind-Mystik, die auch für Maria Hueber eine große Rolle spielte. Die Statue war eine wichtige Ressource zur Krisenbewältigung. (c) Rifeser
Ordensgründerin als Pionierin
Begonnen wurde mit einer kurzen Vorstellung der Ordensgründerin Maria Hueber (1635-1705), die auch eine „Pionierin in der Tiroler Bildungslandschaft“ war. 1700 hat sie die erste unentgeltliche Mädchenschule in Brixen/Südtirol, damals noch Teil der Habsburgermonarchie, gegründet. Ein Jahr später hat sie den Orden der Tertiarschwestern gegründet, bis zur Anerkennung als vollwertiger Orden sollte es jedoch noch dauern.
Die Bischöfe haben sich lange gegen den Orden gestemmt. Zu der Zeit waren nur klausurierte Orden zugelassen. Ein Orden mit einer Mädchenschule und somit Ausgang aus der Klausur entsprach nicht dem Ideal. Schikanen der Bischöfe waren vorprogrammiert: So gab es etwa einen sehr strengen Numerus Clausus, nur sieben aktive Schwestern waren erlaubt, ein neues Mitglied durfte nur dann aufgenommen werden wenn eine gestorben ist. Damit war eine Ausbreitung de facto unmöglich. „Es gibt Berichte, dass manche Kandidatinnen jahrelang auf einen Eintritt warten“, so Sr. Anna Elisabeth.
Nach den Vorträgen wurde noch eifrig diskutiert. (c) Elisabeth Mayr
Zuerst heimlich dann öffentlich
Die Schwestern gingen sehr beherzt vor, ihre Privilegien zu erhalten, indem sie diese in der Regel zuvor schon heimlich praktizierten und später sukzessive ausbauten. So wurden etwa feierliche Professfeiern in der Kirche abgehalten, obwohl dies nur vollwertigen Ordensfrauen vorbehalten war. Als der Bischof davon Wind bekam, hat er diese Praxis sofort verboten. Die Tertiarschwestern haben die Professfeiern daraufhin in die Sakristei verlegt und den Bischof geschrieben, „dass er falsch informiert sei“. Die Tradition wurde weitergeführt, bis sie schlussendlich erlaubt wurde.
Diese Kämpfe mit den Obrigkeiten waren kräftezehrend, wobei die Frömmigkeit der Schwestern immer eine „bedeutende Ressource war“, um diese durchzustehen. Bemerkenswert ist auch, dass diese Dispute autonom und ohne männliche Autoritäten von den Frauen selbst geführt wurden. Der Vortrag endete damit, dass das Leben der Tertiarschwestern Vorbild sein kann, auch heute noch Kraft aus dem geistvollen Leben zu tanken.
Save the date: Kulturtag 2021
Die zahlreiche Teilnahme am Kulturtag 2020 im virtuellen Format zeigte die große Bereitschaft auch Neues auszuprobieren. Der Kulturtag 2021 ist wieder in realer Präsenz im Kardinal-König-Haus geplant und wird am 24. November 2021 stattfinden.
Karin Mayer und Irene Kubiska-Scharl vom Bereich Kultur und Dokumentation. (c) Elisabeth Mayr
[elisabeth mayr]