Amerika in Göttweig
Freundschafts- oder Stammbücher sind bis heute unter Kindern sehr beliebt. Die Tradition, Freunde zur Erinnerung in ein Buch einschreiben zu lassen, gibt es unter Erwachsenen bereits seit dem 16. Jahrhundert.
Ein ganz besonderes Stammbuch aus dem späten 18. Jahrhundert ist vor kurzem in den Sammlungen des Benediktinerstiftes Göttweig aufgetaucht. Ob es einst einem Göttweiger Mönch gehört hat oder nur zufällig nach Göttweig kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.
Eintrag von W. S. Smith im Stammbuch am 10. September 1785 in Berlin © Bernhard Rameder
Viele der Persönlichkeiten, die sich in diesem Buch als Freunde und Bekannte des Besitzers verewigt haben, waren aber äußerst prominente Gelehrte und Politiker. So findet sich hier auch ein eigenhändiger (autographer) Eintrag (mit einem kleinen englischen Gedicht) des amerikanischen Politikers und Offiziers William Stephens Smith (1755-1816), der sich am 10. September 1785 in Berlin in diesem Freundschaftsbuch verewigte. Er war in dieser Zeit als amerikanischer Gesandter in Europa tätig.
William Stephens Smith kämpfte nicht nur im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und war mit George Washington bestens bekannt, sondern war auch der Schwiegersohn des zweiten amerikanischen Präsidenten John Adams. Auch Smiths Schwager John Quincy sollte später einmal Präsident werden.
Mit dem Eintrag von W. S. Smith in diesem Stammbuch hat sich ein eigenhändiges und bis dato unbekanntes Schriftzeugnis einer bedeutenden Persönlichkeit erhalten, die an vorderster Front bei der Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika beteiligt war.
[bernhard rameder]
Mag. Bernhard Rameder ist Kustos der Sammlungen, der Kunstsammlungen und im Archiv und in der Bibliothek im Benediktinerstift Göttweig tätig.