"Myriaden von toten Fliegen" - ein Bericht aus den Sammlungen des Stifts St. Florian
In den Wintermonaten galt die Aufmerksamkeit der Archivierung sämtlicher Restaurierungsprojekte des Vereines Florianer Freunde der Kunst. Dazu gehören u. a. Bilder, Skulpturen, die Schlagerhauskapelle und eine Reihe von kleineren und größeren Denkmälern in Stift und Markt. Es wurden alle relevanten Dokumente (Kostenvoranschläge, Rechnungen, Restauriermaßnahmen und Restaurierberichte, Korrespondenzen, Förderansuchen, Zeitungsausschnitte, Fotomaterial…) gesammelt und entsprechende Findbehelfe erstellt.
Im Frühjahr reinigten wir sämtliche Räume, in denen Kunstgegenstände aufbewahrt werden. Schon Kustos Josef Ackerl klagte über die „Myriaden von toten Fliegen“, die sich besonders im Capitulum über Herbst und Winter ansammelten. Das Reinhalten solcher Räumlichkeiten ist deshalb besonders wichtig, da so gewissen Schäden (Brot-, Speck-, Teppichkäfern …) vorgebeugt werden kann.
In der warmen Jahreszeit begannen wir mit der systematischen Erfassung der Gegenstände der Kunstsammlungen. Dazu wurden diese aus allen „Ecken und Enden“ des Hauses zusammengesucht. Diese wurden fotografiert, beschrieben und mit allen zur Verfügung stehenden Informationen (frühere Verzeichnisse, Österreichische Kunsttopographie, Ausstellungskataloge, Restaurierberichte, alte Notizen) in ein Verzeichnis aufgenommen. Dies geschah für das Zinngeschirr, das Serpentingeschirr, die Sammlung von Dosen, Miniaturen und Silhouetten, für die liturgischen Geräte und die Objekte aus Elfenbein. Das Herbarium wurde in einem neuen Schwerlastregal untergebracht.
Da das Landeshauptmannzimmer im Hinblick auf das „Brucknerjahr“ restauriert wird, war auch eine Begasung notwendig. Hier hat der Holzwurm ziemliche Arbeit geleistet. Eine Reihe von Bildern, Skulpturen und Mobiliar konnte im September dort eingestellt werden.
Auch in den Sammlungen: Eine Kollektion von hunderten Knöpfen verschiedener Größen, Farben und Materialien (c) Harald R. Ehrl
In der Graphischen Sammlung ging die Arbeit mit der Inventarisierung und Schadenskartierung durch Dr. Patricia Engel an den über 2000 Blättern der französischen, englischen, niederländischen Schule weiter. Mit Mag. Konstantin Putz steht ihr ein Historiker als Helfer zur Seite. Wir dürfen uns über einen gebrauchten und einen neuen großen Planschrank freuen, die uns geschenkt wurden. Infolge werden die wertvolleren graphischen Blätter und Zeichnungen in Passepartouts eingelegt, manche von ihnen können in den Wintermonaten restauriert werden.
Nachdem wir im vergangenen Jahr die zwei Predellenbilder Albrecht Altdorfers und die zwei Tafeln Wolf Hubers an das Belvedere verleihen konnten, sind zwei von den „Gaminger Scheiben“ und eine Handschrift bereits in Speyer. Im Historischen Museum der Pfalz Speyer findet vom 16. Oktober 2022 bis 16. April 2023 die Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter. Aufstieg einer Dynastie“ statt. Unter dem Thema „Die Habsburger als Klostergründer“ werden unsere Leihgaben ausgestellt. Das Kopialbuch hat für unser Haus einen äußerst hohen ideellen Wert. Für die Kartierung der Schäden dieser nur 56 Blätter umfassenden Handschrift wurden ca. 750 Fotos gemacht und ein entsprechender Bericht verfasst. Für die notwendigen Verbesserungen der Leihverträge bin ich unserem Wirtschaftsdirektor sehr dankbar.
Knopf-Sammlung
Helmut und ich staunen und schmunzeln immer wieder, was nicht alles gesammelt wurde und wo sich manches (be)findet. Eine Kollektion von hunderten Knöpfen verschiedener Größen, Farben und Materialien (auch barocke Metallknöpfe) unter den Inkunabeln – und irgendwo plötzlich die Spitzensammlung. Die Spitzenobjekte darunter sind sicher flandrische Klöppelspitzen mit Leinenschlag vom Ende des 16. Jahrhunderts.
Auch in den Sammlungen: Eine Sammlung von Spitzen (c) Harald R. Ehrl
Im Jahr 1914 stellte Ackerl diese Spitzen aus. Am 29. Mai beehrte Erzherzogin Valerie die Ausstellung mit ihrem Besuch. Über diese Ausstellung ist auch in der Tagespost und Wiener Zeitung zu lesen gewesen. „Von den Herrn Mitbrüdern des Hauses wurde die Ausstellung, wie gewöhnlich, sehr wenig beachtet; ja der Herr Stiftskustos besichtigte nicht nur nicht die Spitzensammlung, sondern verkaufte in dieser Zeit ein Stück von einer venezianischen Reliefspitze an einen Wiener um 400 Kronen (war nicht das erste Mal)! auf das hin erhielt ich den Auftrag, alles, was an Spitzen Wertvolles in der Hofwäsche noch vorhanden, in Sicherheit zu bringen“, so Josef Ackerl.
[Harald R. Ehrl, Kustos der Sammlungen, Augustiner-Chorherrenstift St. Florian]
Kontakt
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