Archive stellen sich vor: Das Archiv des Schottenstifts
Es blickt auf eine lange Tradition zurück, steht seine Gründung doch in engem Zusammenhang mit der Erhebung Österreichs zum souveränen Herzogtum im Jahr 1156. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die ältesten Stücke im Stiftsarchiv aus dem 12. Jahrhundert stammen. Die Kernaufgabe des Archivs ist es, der Rechtssicherheit und der Verwaltung des Klosters zu dienen und die Tätigkeiten seiner Einrichtungen und Werke zu dokumentieren. Das Archiv ist somit das historische Gedächtnis des Hauses.
Vielfältige Bestände aus 800 Jahren Stiftsgeschichte
Entsprechend vielfältig sind die im Stiftsarchiv aufbewahrten Bestände. Darunter sind unter anderem:
• die chronologische Urkundenreihe: sie umfasst ca. 940 (teils mittelalterliche) Urkunden und Kopialbücher
• Personalakten, Nachlässe und Korrespondenz der Äbte und Konventualen
• Urkunden, Akten und Amtsbücher und Pläne zur Haus- und Konventgeschichte, zu den Wirtschaftsangelegenheiten, Ämtern, Gebäuden, Grundherrschaften und Besitzungen sowie zu den Sammlungen des Stiftes
• Akten zu den 19 dem Stift (aktuell bzw. früher) inkorporierten Pfarren (mit Ausnahme der Matrikelbücher, die in den jeweiligen Pfarrarchiven verwahrt werden!)
• Akten über Studienwesen und Schulsachen
• Tauf-, Trauungs- und Sterbematriken der Stiftspfarre Unsere Liebe Frau zu den Schotten
Handschriften, Inkunabeln und Musikalien
Eigentlich zur Stiftsbibliothek gehörig, aber vom Archiv betreut werden auch die Handschriften- und Inkunabelsammlung sowie das Musikarchiv. Die Handschriftensammlung umfasst rund 740 Codices, wovon 400 mittelalterlichen Ursprungs sind. Die Inkunabelsammlung zählt rund 440 Stück (in 380 Einzelbänden). Der Schwerpunkt liegt auf theologischen und juristischen Werken. Sie sind im Handschriften- bzw. im Inkunabelcensus erfasst und teilweise digitalisiert: 2017 konnten vorerst acht Handschriften als Volldigitalisate online zur Verfügung gestellt werden; mehr sollen noch folgen.
Das Musikarchiv umfasst mehr als 2.500 handgeschriebene kirchenmusikalische Kompositionen und etwa 600 gedruckte Noten. Es entstand aus der Musikaliensammlung der ehemaligen Stiftsorganisten und -kapellmeister des 18. und 19. Jahrhunderts (u.a. Autographe von Johann Joseph Fux, Joseph Eybler und Ignaz Aßmayer) sowie aus den Pfarren St. Ulrich, Stammersdorf, Gaweinstal und Pulkau.
Fachmännisches Personal für 170 Anfragen und 100 Benutzer pro Jahr
Seit dem Jahr 2010 wird das Archiv von Stiftsarchivar Dr. Maximilian Alexander Trofaier betreut. Er ist promovierter Historiker, ausgebildeter Archivar (Absolvent des Masterstudiums am Institut für Österreichische Geschichtsforschung), und – nicht zuletzt – selbst ehemaliger Schüler am Schottengymnasium. Unterstützt wird er seit 2012 von seiner Teilzeit-Mitarbeiterin, Mag. Larissa Rasinger, MA, ebenfalls Absolventin der Archivausbildung. Gemeinsam betreuen sie die rund 170 schriftlichen Anfragen pro Jahr, die von Forschenden, anderen Abteilungen des Klosters oder Mitgliedern des Konvents an das Archiv gestellt werden. Außerdem betreuen sie jedes Jahr zwischen 60 und 100 Archivbenutzer, die persönlich zu Forschungszwecken ins Archiv kommen. Für sie ist die Benutzung des Archivs bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, etwa bei amtlichen, pastoralen oder wissenschaftlichen Zwecken und nach vorheriger Kontaktaufnahme möglich. Die Archivare helfen und beraten Forschende, wo sie können. Die Beantwortung von Anfragen und die Benutzerbetreuung sind aber nur ein kleiner Teil ihrer täglichen Arbeit. Trofaier und Rasinger haben in den letzten Jahren vor allem großangelegte Ordnungs- und Erschließungsarbeiten in Angriff genommen. Bei dieser Gelegenheit überprüfen sie auch gleich den Erhaltungszustand und setzten wichtige Maßnahmen zur Bestandserhaltung. Parallel dazu sind die beiden Archivare dabei, eine Archivdatenbank aufzubauen (mit dem Programm „Archivis Pro“). In diese werden nun die Erschließungsdaten, die bisher auf diversen Listen gesammelt wurden, ebenso wie neu erarbeitete Daten eingespeist.
Abb. 1: Stiftsarchivar Dr. Maximilian Alexander Trofaier und Mag. Larissa Rasinger, MA. (Foto: Ordensgemeinschaften Österreich)
Gut gelagert ist besser als teuer restauriert – oder: wozu brauchen Bücher Schuhe?
Die Aktenbestände sind zu einem großen Teil noch in Möbeln des 19. und 20. Jahrhunderts gelagert. Damals wurde Akten gern zu Faszikeln gebunden und in mit Nummern beschrifteten Laden abgelegt. Diese historischen Möbel werden auch weiterverwendet, allerdings wurden die Akten vorher in archivfähige (d.h. säurefreie) Umschläge und Mappen umgelegt. Trofaier und Rasinger wissen um die Wichtigkeit sachgerechter Lagerung: Der Einsatz von säurefreiem Verpackungsmaterial und das richtige Raumklima sorgen dafür, dass die Unterlagen gut erhalten bleiben und sich so die Kosten für Restaurierungen – auch bei sehr alten Beständen – in Grenzen halten. In den vergangenen Jahren musste nur eine Handvoll an Archivalien und Büchern durch Fachleute restauriert werden.
Abb. 2: Die mittelalterlichen Urkunden wurden in säurefreie Mappen umgelegt. So können sie weiterhin in den historischen Möbeln gelagert werden. (Foto: Schottenstift Wien)
Abb. 3: Die Aufbewahrung von Aktenmaterial erfolgte früher oft in Laden. (Foto: Schottenstift Wien)
Im Bibliotheksraum sind die Handschriften und Inkunabel ebenfalls in historischen Regalen aus dem 19. Jahrhundert aufgestellt. Die – teils mittelalterlichen – Bände waren allerdings zu dicht gedrängt, so dass die Einbände aneinander rieben und die Metallbeschläge Beschädigungen anrichteten. Außerdem waren einzelne Bände mit (inaktivem) Schimmel befallen. Es hieß also, Maßnahmen zu ergreifen um weitere Schäden zu vermeiden. Dabei war durchaus Kreativität gefragt, schließlich mussten sowohl konservatorische als auch ästhetische und finanzielle Anforderungen vereinbart werden. So konnte die Handschriften- und Inkunabelsammlung zwischen 2014 bis 2017 mit über 800 Buchschuhen und -schubern aus dünner, säurefreier Archivpappe ausgestattet werden. Danach wurden sie neu – und lockerer – aufgestellt. Der dadurch erhöhte Platzbedarf konnte durch das geschickte Anordnen der Fachbretter ausgeglichen werden. Dabei wurde auch gleich dem Schimmel zu Leibe gerückt: 2017 wurden im Rahmen einer „Dekontaminierungsaktion“ etwa 35 Inkunabel vor Ort fachmännisch gereinigt. So können die Handschriften und Inkunabeln in ihren historischen Räumlichkeiten bleiben und stellen nach wie vor das „Herzstück“ des Schottenstifts dar.
Abb. 4: Mittelalterliche Handschriften werden fachmännisch von Schimmel und Staub gereinigt. (Foto: Schottenstift Wien)
Die aktuellen Projekte: die Erfassung von Bildern und Plänen
Derzeit kümmern sich Trofaier und Rasinger um ein lang gehegtes Projekt, nämlich die Aufarbeitung der Bildersammlung. Wie in vielen Konventen und Stiften fehlte auch im Schottenstift ein Überblick über die vorhandenen Fotos und Bilder. Dadurch konnten viele Anfragen nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Trofaier und Rasinger widmen sich nun schwerpunktmäßig diesem Bestand und haben bisher mit 3000 Bildern etwa die Hälfte des Bestands erfasst, geordnet und verzeichnet (sowohl nach Motiven als auch nach Formaten und Trägermedien). Diese Ordnungsarbeiten nutzen Trofaier und Rasinger auch gleich für eine Umlagerung der Bilder in säurefreie Fotohüllen und Mappen. Aber noch immer finden sich Bilder verstreut in unterschiedlichen Beständen. Auch zahlreiche Dias und Fotoalben harren noch ihrer Erfassung. 2019 sollen diese Ordnungsarbeiten abgeschlossen werden.
Parallel dazu wurde auch das Planarchiv in Angriff genommen: Die ebenfalls verstreuten, oft ohne Schutzverpackung in Schränken gelagerten Pläne wurden zusammengeführt, erfasst und in säurefreie Mappen (für planliegende Pläne) bzw. Schachteln (für gerollte Pläne) verpackt. Insgesamt wurden so derzeit rund 1000 Pläne geordnet. Dies stellt die Grundlage für eine strukturierte Verzeichnung und Signierung dar. Der Abschluss dieser Arbeiten ist ebenfalls für das laufende Jahr 2019 geplant.
Abb. 5: Die Fotos wurden in säurefreie Umschläge und Kartons umgelagert. (Foto: Schottenstift Wien)
Planung ist alles
Die Vorbereitung zu diesen Ordnungsarbeiten nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Trofaier entwirft dafür Konzepte, holt Angebote und Expertisen ein und berechnet den Bedarf an benötigtem Verpackungsmaterial. Die Anschaffung dieser Materialien wird dann oft über einen längeren Zeitraum verteilt, um die finanziellen Ressourcen nicht zu stark zu strapazieren.
Notfallplanung im Archiv
Um auch im – hoffentlich nie eintretenden – Notfall (etwa im Fall eines Brandes oder Wasserrohrbruchs) gut gerüstet zu sein, hat das Archiv seit 2017 vorbereitende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen: Im Stiftsarchiv liegt eine Notfallmappe auf, die einen Alarmplan und eine Handlungsanweisung für die Erstreaktion enthält, so dass rasch gezielte Rettungsmaßnahmen ergriffen werden können. Schließlich droht im Fall eines Wasserschadens nach spätestens 72 Stunden die Gefahr der Schimmelbildung – und damit schwere Schäden. Ebenso sind eine Prioritätenliste zur Notbergung, eine Telefonliste mit den wichtigsten Kontaktdaten und ein Infoblatt mit wichtigen Dienstleistern darin. Außerdem steht eine Notfallbox bereit, die einen Grundstock an benötigten Materialien und Schutzausrüstung enthält. Im Jahr 2018 ist das Stiftsarchiv dem Notfallverbund beigetreten, welcher dazu dient, materielle, räumliche und personelle Ressourcen zu bündeln und die vorhandene Fachkompetenz zu vernetzen.
Zwischen Kernaufgaben und Bewusstseinsbildung
Die steigende Bekanntheit des Schottenstift-Archivs liegt sicher auch am engagierten und technikaffinen Stiftsarchivar Trofaier, der „sein“ Archiv auch mit durchaus modernen Mitteln präsentiert – das Archiv hat einen eigenen Blog, auf dem jährlich etwa 25 neue Beiträge gepostet werden. Das Archiv hat auch eine Facebook-Seite, der etwa 550 Personen regelmäßig folgen. Stiftsarchivar Trofaier ist in der Fachwelt vielfältig engagiert: Er organisiert regelmäßig Veranstaltungen und etwa 2-3 Ausstellungen im Jahr, hält Vorträge und Lehrveranstaltungen und verfasst Publikationen, sitzt in Redaktionsteams und im Vorstand des Verbandes Österreichischer Archivarinnen und Archivare (VÖA). Außerdem zeigt er „sein“ Archiv auch immer wieder einer interessierten Fachöffentlichkeit: Seit 2017 fanden knapp 30 Führungen in den Räumlichkeiten des Archivs und des Stifts statt, Tendenz steigend. Die Gäste seiner Führungen reichen von Ministern, Botschaftern und Diplomaten über Wissenschaftler und Studierende bis hin zu Schülergruppen und Kindergartenkindern – denn Bewusstseinsbildung fängt früh an!
Abb. 6: Trofaier führt regelmäßig Gruppen von Studierenden durch die Bibliothek.(Foto: Schottenstift Wien)
Abb. 7: Stiftsarchivar Maximilian Alexander Trofaier zeigt einer Gruppe Kindergartenkinder eine mittelalterliche Handschrift. (Foto: Schottenstift Wien)
Interessante Links zum Weiterlesen:
Zur Website des Archivs des Schottenstifts: http://www.schotten.wien/stift/stiftsarchiv/
Zum Blog des Schottenstifts: https://schotten.hypotheses.org/
Zum Facebook-Auftritt: https://www.facebook.com/archiv.schottenstift
Zu den Volldigitalisaten der Handschriften: http://manuscripta.at/lib_digi.php?libcode=AT8900
[irene kubiska-scharl]