Mitra aus dem Benediktinerstift Kremsmünster
(Abb. 1).
Am Ende der beiden ungewöhnlich langen Bänder, die mit metallenen Schließen (Abb. 2) an der Mitra befestigt sind, ist das Stiftswappen (Abb. 3, rechte Seite: Eber, Hund und Stier) und das persönliche Wappen des Abtes Anton Wolfradt (Abb. 3, linke Seite.: Drei Wölfe, die gemeinsam „Rat halten“) mit der Jahreszahl 1616 eingestickt. An der Spitze sind zwei vergoldete Kreuze angebracht (Abb. 4).
P. Altman Kellner († 1981), vermerkte in seinem Inventar von 1951, dass bei einer Reparatur im Jahre 1960 innerhalb des Futters der Name „Julius Stadler, Passau 1616“ zum Vorschein kam. In den Kammereirechnungen fand er dann die Rechnung der Mitra mit genauem Datum und den Kosten von 150 fl.
Abb. 1: Gesamtansicht der Mitra
Abb. 2: Detail der Mitra, metallene Schließen
Abb. 3: Detail der Mitra, links Stiftswappen und rechts persönliche Wappen des Abtes Anton Wolfradt
Abb. 4: Detail der Mitra, Spitze mit vergoldetem Kreuz
In den Inventaren des 17. Jahrhunderts ist diese Mitra ebenfalls schon verzeichnet. Die erste Aufzeichnung in einem Inventar, nach der Entstehung der Mitra, ist im sehr knappen, fünfseitigen Inventar von 1632. Zu dieser Zeit existierte die heutige Schatzkammer noch nicht und die Kirchenschätze wurden zwischenzeitlich in „Truhen“ gelagert. Nur eine Mitra ist hier in einem flüchtigen Kommentar vermerkt: „In der Truhen No. 5“ ist als letztes „Ein weiss gestickhte Inful“ aufgeführt. Dies ist zwar keine ausführliche Beschreibung, aber die Informationen sind eindeutig: Es handelt sich nahezu sicher um das noch vorhandene Objekt, denn die Beschreibung passt und eine andere Mitra hat es wohl zu dieser Zeit nicht gegeben. Zumindest nicht im vollständigen „Verzeichniß“ über „Alles und jeden Khirchenschazs […] anno 1632“ und andere Aufzeichnungen gibt es nicht. Durch diese Informationen wissen wir, dass es überhaupt die erste Mitra ist, die Abt Anton Wolfradt anschaffte.
Die weitere Paramenten- bzw. Mitrengeschichte im Stift Kremsmünster zeigt das noch größere Wunder, dass ausgerechnet noch diese Mitra erhalten ist.
Das folgende, schon genannte Inventar, ist für die Mitrengeschichte sehr aufschlussreich. Es wurde im Jahr 1638, gerade noch unter Abt Anton Wolfradt verfasst und dann 1642 unter Abt Bonifaz Negele (reg. 1639-1644) ergänzt. Es führt einen weitaus größeren Mitrenbestand an. Es werden sogar thematisch alle „Infuln“ gemeinsam aufgelistet: 1638 noch fünf an der Zahl, nach 1642 dann mit noch acht weiteren ergänzt, von denen nur noch zwei rote erhalten sind.
Hier wird die Wolfradt-Mitra gleich als erstes mit „Ein Inful von weissem Atlas mit Gold gestickht“ beschrieben. Dazu wurde 1642 noch ein Kommentar verfasst: „Vorigen Herrn Praelat Stekl.“ . Gemeint ist ein Stück, also eine Mitra, des vorheriger Abtes, also Abt Anton Wolfradt.
Dank dieser genauen Beschreibung und dem letztem Hinweis auf den Vorgängerabt lässt sich dieses wertvolle Objekt im Inventar von 1638 eindeutig identifizieren. Dass die Mitra gleich an erster Stelle genannt wird, ist äußerst bemerkenswert und kann durchaus auch etwas über ihren Wert aussagen. Von den anderen vier Mitren, die 1638 verzeichnet wurden, hat man eine von „Goldstuckh“ 1642 durchgestrichen, zwei „alte weisse Infuln“ sind „mit Perlen“ bestickt und die Letzte ist von „Silberstuckh“ .
Das Mitrenverzeichnis des Inventars von 1669 (Im ersten Jahr des Abtes Erenbert Schrevogl, reg. 1669-1703) ist dem von 1638 bzw. 1642 sehr ähnlich, es ist davon auszugehen, dass der Schreiber das vorige Inventar kannte .
Erst in den Inventaren ab 1678 trifft man auf eine neue Struktur und auf teilweise neue Beschreibungen der Objekte. Beispielsweise werden die roten Mitren zuerst genannt. Das gestaltet die Identifizierung jedoch schwieriger. Denn nachträglich wurden manche Mitren auch den falschen Äbten zugeschrieben, erst ab 1678 wird in den Inventaren auch der Abt genau genannt, unter dem das jeweilige Objekt angeschafft wurde. Bei den älteren Objekten wurde offenbar auch mehr auf den jeweiligen Abt vermutet. Denn manche Angaben zu den Mitren stimmen hier nicht mit dem Inventar von 1638/42 überein. Beispielsweise werden alle roten, mit Gold bestickten Mitren Abt Anton Wolfradt zugeordnet. Dies, obwohl bei einer der vorhandenen Mitren am Ende der Bänder „B[onifaz]. N[egele]. A[bt]. Z[u]. K[remsmünster]. 1639“ eingestickt ist. Eventuell wollte man in diesem Fall den abgesetzten und schlussendlich unbeliebten Abt Bonifaz nicht erwähnen. Aber es werden auch alle anderen sieben Mitren, die erst 1642 verzeichnet wurden und die „ieziger herrn Praelath [hat] machen lassen“, also Abt Bonifaz Negele, ebenfalls Abt Anton nachträglich zugeschrieben.
Im Inventar von 1697 wird zwar die vorherige Struktur übernommen, aber dafür liefert es die genauesten Beschreibungen der Mitren. Die Mitra von Abt Anton Wolfradt ist an fünfter Stelle genannt. Hier werden der bisher üblichen Beschreibung noch die Kreuze an der Spitze und die Wappen von Abt Anton und Konvent hinzugefügt: „am oben mit silbern Creizl und vergolt, am unten die wappen Antoniy Prin: et Conventus“.
Im Inventar 1716 ist bei der Mitra der Nachtrag „Mitterer“ eingefügt. Dies bezieht sich auf eine Änderung des Lagerungsortes, vom „Viertten Kasten“ in den sogenannten „Mitteren Tisch“ in der Schatzkammer. Bei letzterem handelt es sich um einen großen Tisch in der Mitte der Schatzkammer, der insgesamt 12 Laden enthält, jeweils in der Größe von ca. 3-3,5 m mal 1,5 m. Dadurch ist gesichert dass die Mitren - zumindest zwischenzeitlich - bis zum 19. Jahrhundert teilweise liegend in Laden gelagert wurden. Erst im 19. Jahrhundert wurden sie (wieder) stehend im Kasten gelagert, was manche Zeitungen belegen, die um die halbkreisförmigen Holzklötze gewickelt wurden, auf welche die Mitren schließlich gestellt wurden.
Im Inventar von 1728 ist der Mitrenbestand größer als vermutlich nie zuvor. Insgesamt sind in diesem, das bis zum Ende des Jahrunderts noch mit einzelnen Nachträgen weitergeführt wurde, 29 „Infulae“ verzeichnet: 7 „von rother Farb“, 18 „von weisser Farb“, 3 „von blauer Farb“ und eine „von schwarzer Farb“. Von diesen sind heute noch 15 Mitren erhalten: 5 rote, 9 weiße und eine violette (damals blau ). Hier werden auch alle Mitren zum ersten mal nach Farben sortiert aufgelistet, aber auch hier stehen die roten Mitren an erster Stelle. Die goldbestickte Mitra wird bei den weißen Mitren an zweiter Stelle genannt, in der üblichen kurzen Form, aber auch die „Creiitz“ werden beschrieben.
Im einzigen große Inventar des 19. Jahrhunderts, das um 1860 verfasst wurde, wird zum ersten mal auf die Jahreszahl der Mitra aufmerksam gemacht: „Ein I[nfel]. von weißen Seidenstoff mit Goldstickerei 1616.“
Im Inventar von 1951 ist die Beschreibung sehr detailliert. P. Altman Kellner fügte später noch hinzu, dass im „April 1960“ eine Reparatur erfolgte. Dazu erläuterte er: „Kaum ein Stich hält noch, es wäre unmöglich gewesen, den gebrochenen vorderen Deckel zu erneuern“ .
Kaum beispielhafter könnte diese Bemerkung für die Restaurierung historischer Textilien sein, denn diese Aussage aus den 60er Jahren zeigt in aller Deutlichkeit die Fragilität historischer Textilien. Auf der Vorderseite der Mitra ist der Bruch des Kartons unter dem Stoff deutlich zu sehen (Abb. 5). Von dieser Reparatur wird vermutlich auch das neue, dunkelrote Baumwollfutter stammen.
Abb. 5: Detail der Mitra, Bruchstelle Karton
Abb. 6: Detail der Mitra, Goldstickerei
Abt Anton Wolfradt wurde am 1581 in Köln geboren. Zunächst Zisterzienser von Wilhering, wurde er auf Kaiser Matthias (reg. 1612-1619) Vermittlung hin Abt und Benediktiner von Kremsmünster.
1616 schaffte er eine goldbestickte Mitra an. Es folgten noch weitere Paramente, unter Anderem die berühmte Kasel „Der Tod“ von 1630 und eine goldbestickte Kasel von 1630, ebenfalls verwahrt im Stift Kremsmünster.
Zusammen mit dem Melker Abt Caspar Hoffmann (reg. 1587-1623) setzte er sich für das Zustandekommen einer österreichischen Benediktinerkongregation ein, was dann 1630 gelang. 1630 wurde er schließlich von Kaiser Ferdinand II. zum Fürstbischof ernannt, wobei er gleichzeitig Abt von Kremsmünster blieb, bis zu seinem Tod am 1. April 1639. Bestattet wurde er im Wiener Stephansdom, sein Herz kam auftragsgemäß nach Kremsmünster.
[Text und Fotos: fr. Raphael Philipp, Benediktinerstift Kremsmünster]
Allgemeines
Die Mitra steht von Rechts wegen dem Papst, Kardinälen und Bischöfen zu, anderen Prälaten, wie Äbte und Dignitaren von Dom- und Sitftskapiteln nur kraft eines besonderen Privilegs. Sie ist Teil des liturgischen Ornats, unterliegt aber nicht den Farbvorschriften.
Seit der Mitte des 12. Jh. hatte die abendländische Mitra die Form einer Klappmütze, deren seitlich über den Schläfen ansteigende, durch Einlagen versteifte Hälften über Stirn und dem Hinterkopf jeweils in einer Spitze, den sogenannten Hörnern (cornua), enden. Rückseitig hängen zwei schmale Zierstreifen (Bänder, Fanones, Infeln) herab. Im 13. Jh. noch von geringer Höhe, wurde die Mitra im Spätmittelalter allmählich höher. Im 17. und 18. Jh. nahm sie weiter an Höhe zu und war bis zur Mitte des 19. Jh. - wie z. T. auch heute noch - oft wesentlich höher als breit.
[Quelle: Lexikon für kirchliches Kunstgut, hg. Arbeitskreis für Inventarisation und Pflege des kirchlichen Kunstgutes, Regensburg 2010]