Bestandsrevision im Stiftsarchiv Herzogenburg
Betreuerin Helga Penz mit Studentin (c) Stift Herzogenburg/Susanne Barabas
„Jedes Zahnrad ist wichtig, damit das Werkl läuft!“
Das Findbuch zählt zu einem der wichtigsten Büchern eines Archivs, es verrät uns nämlich was im Archiv liegt und wo es zu finden ist. Nur mit seiner Hilfe kann ich im Archiv navigieren, suchen, Themenkomplexe herausfiltern. Man könnte meinen, es sei die zweite Bibel einer Ordensgemeinschaft. Und tatsächlich: hier wird das Leben und Wirken, in diesem Fall des Stifts Herzogenburg und seiner Angehörigen, über Jahrhunderte hinweg verzeichnet. Zuerst handschriftlich in Büchern, Zetteln, später auf Karteikärtchen in Holzkästen. Seit 1999 sind die Daten des Stiftsarchiv Herzogenburg in einer Access-Datenbank gespeichert, seit 2019 ist sie als PDF online verfügbar. Je besser der Findbehelf strukturiert ist, je sorgsamer Informationen darin zusammengetragen werden, umso mehr steigt es im Wert und umso mehr ist es ein unschätzbares Werkzeug. Das Archiv wird erst durch seine Erschließung zur wichtigen Quellenbasis für Wissenschaft und Forschung.
Beschluss des Kapitels für den Ankauf säurefreier Archivkartons
Das Kapitel des Augustiner-Chorherrenstifts Herzogenburg hat 2019 den Beschluss gefasst, den gesamten Bestand des Stiftsarchivs mit säurefreien Kartons und Umschlägen auszustatten. Dieser Beschluss hat seither eine ganze Serie von kleineren und größeren Projekten in Gang gesetzt. Eines davon ist die Umbettung und Revision des historischen Bestands des Stiftsarchivs, das heuer in zwei Etappen realisiert wurde. Damit ist ein bedeutender Teil der langfristigen Bestandserhaltung, Erschließung und Nutzbarmachung des Archivguts von Herzogenburg umgesetzt worden.
Die Bestände des Stiftsarchivs sind grundsätzlich gut erschlossen. Es gibt jedoch Teilbereiche mit Erschließungsbedarf. Dies betrifft vor allem Teile des historischen Aktenbestands quer durch alle Bestandsgruppen. Als das Archiv 1999/2000 neu eingerichtet wurde, war eine durchgängige Revision aus Zeit- und Ressourcenmangel nicht möglich. Archivalien des ältesten historischen Bestands wurden nur umgelagert und verzeichnet, aber nicht erschlossen oder gereinigt. Teilweise lagen noch Bündel mit gefalteten Akten in der alten Verschnürung des 19. Jahrhunderts in den Kartons.
Regal mit alten Kartons (links), Projektmitarbeiter Paul Konhäusner beim Einsortieren der neuen Kartons (rechts) (c) Stift Herzogenburg/Susanne Barabas
Projekt-Vorbereitungen - Praxis
Nach dem Ankauf, Ende 2020, von rund 3000 säurefreien Archivkartons und Umschlägen, mussten die Archivalien also ‚nur‘ noch umgebettet werden. Für den wesentlich größeren und komplexeren historischen Aktenbestand tauchte bald die Überlegung auf, man könne gleichzeitig mit der Umbettung, den Bestand einer Revision unterziehen, wenn man die Archivalien nun schon einmal in der Hand hat. Ein Projekt, gemeinsam mit Student:innen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (IfÖG), stand im Raum. Einer anfänglichen Projektbeschreibung folgten bald Berechnungen über den Umfang des historischen Bestands, eine zeitliche Abschätzung des Arbeitspensums und der benötigten personellen Ressourcen sowie eine Kostenschätzung. Der Kapitelrat stimmte schließlich für die Umsetzung des Projekts und nachdem auch eine Zusage vom Land Niederösterreich für eine Förderung unseres Vorhabens einlangte, konnte mit der konkreten Umsetzung begonnen werden.
Dem tatsächlichen Arbeitsprozess im Februar und Sommer 2023 gingen sorgfältige Vorbereitungen voraus: von der Ausschreibung der Projektstellen bis zur Strukturierung des konkreten Arbeitsablaufs mit der Erstellung von Arbeitslisten und Bereitstellung von Nachschlagwerken, praktische Vorbereitungen der Arbeitsplätze, der Ankauf von den benötigten Materialien und Arbeitsutensilien etc., kurz einen detaillierten Workflow zu planen.
Parallel dazu sollte vor der Revision eine Datenbereinigung des elektronischen Findbuchs (ca. 10.000 Datensätze) durchgeführt werden. Sie sieht eine Vereinheitlichung von Schreibweisen und Formulierungen, Wording, Formatierung und Systematisierung sowie Fehlerkorrekturen vor. Ein Standard, der nun auch verschriftlicht vorliegt.
Arbeitsmaterialien (c) Stift Herzogenburg/Susanne Barabas
Arbeitsmappen - Arbeitsplatz
- Telefonnummern des Stiftsarchivs und der Betreuerinnen
- Beständetektonik des Stiftsarchivs
- Liste der Pröpste des Stifts Herzogenburg
- Bestandsgeschichte und Erläuterung des Bestands im Stiftsarchiv
- Auflistung der Arbeitsschritte
- Zustandsprotokoll-Listen
- Arbeitsblätter für die jeweilige die Woche pro Person (Wochenarbeitsblätter mit Tabellen jener Faszikel, die sie/er zu bearbeiten hat (Februar 18 Faszikel/Tag, im Sommer 25 Faszikel/Tag)
Arbeitsplatz
- Arbeitsplatz mit „Arbeitsset“ pro Person vorbereitet: Trockenreinigungsschwämme (Latex), Staubpinsel (Ziegenhaar), Schere, Köperband, Mikrofasertuch, Bleistifte (B), Radiergummi, Spitzer und Lupe, Papiermistkübel
- Alter Zettelkatalog von 1933 mit der Sachgruppeneinteilung des Altbestands zur Kontrolle und Nachschlagen
- tw. vorgedruckte Klebeetiketten und vorgefaltete Kartons
Die vier Projektmitarbeiter:innen, Patricia Bigl, Nelly Eisenreich, Paul Konhäusner, Leonie Zelenka, während der Arbeit (c) Stift Herzogenburg/Susanne Barabas
Fazit
Das Revisionsprojekt fand mit der Hilfe von vier Student:innen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (IfÖG), Patricia Bigl, Nelly Eisenreich, Paul Konhäusner und Leonie Zelenka in der vorlesungsfreien Zeit (Februar und Juli/Anfang August) statt. Die Betreuung übernahmen Helga Penz und Susanne Barabas. In den neun Wochen, die schlussendlich für das Revisionsprojekt anberaumt wurden, konnte der gesamte historische Aktenbestand des Stiftsarchivs Herzogenburg überprüft und umgebettet werden. Neben den notwendigen konservatorischen Maßnahmen, wie Reinigen, Auffalten, Umbetten in säurefreie Umschläge und Kartons, wurde der Inhalt der Faszikel mit den Einträgen in der Datenbank abgeglichen, Fehlbestände notiert und Einträge, die im Findbuch nicht aufschienen, ergänzt. Orts- und Personennamen, sowie Daten wurden kontrolliert und korrigiert und teilweise im Findbuch nicht erwähntes erschlossen. Schäden und Erhaltungszustand wurden dokumentiert und ebenfalls in der Access-Datenbank unter Physische Beschaffenheit/Zustand vermerkt. Als Sicherungsmaßnahme wurden manche Risse und gänzliche Abtrennungen konservatorisch behandelt und mit Japanpapier kaschiert und gesichert, um eine Benützung wieder zu ermöglichen.
Die vier Projektmitarbeiter:innen, Patricia Bigl, Nelly Eisenreich, Paul Konhäusner, Leonie Zelenka, beim Kaschieren von Rissen(c) Stift Herzogenburg / Susanne Barabas
Durch die Umbettung und Reinigung konnte einerseits eine möglichst langfristige, konservatorisch adäquate Lagerung des gesamten Archivbestands des Stifts Herzogenburg sichergestellt werden und andererseits sind durch die Revisionsarbeiten die Daten zu den Archivalien aktualisiert und korrigiert worden. Beides trägt zur besseren Verfügbarkeit und effektivere Nutzung des gesamten Archivguts bei. Das Projekt war für die Student:innen wie auch für die Betreuer:innen lehrreich, spannend, auf beiden Seiten sehr motivierend und vor allem sinnvoll.
[susanne barabas, stiftsarchiv herzogenburg]