„Jesus lieben lernen“
Dankbar für ihre Arbeitsstätte zwischen Heiligen: Yasmine Wessely vor dem Heiligen Alfons (Leopold Kupelwieser,1836 - rechtes Bild) und dem Heiligen Klemens (Josef Kastner d.J., 1909 - linkes Bild) © Yasmine Wessely
Mit den Redemptoristen bin ich seit gut 20 Jahren verbunden, vom Wohnzimmerfenster aus sehe ich auf Maria am Gestade, wo ich die Kirchenführungen halte. Als Archivarin bin ich täglich am Lernen, da meine Ausbildung anderswo lag (bei Medizin, Shiatsu, Kunstgeschichte und etwas Theologie). Die Interessen kommen dem Aufgabengebiet entgegen, denn ich betreue auch die Bibliothek und bin für die Paramente, Reliquien und Gemälde zuständig. Allerdings bin ich noch dabei, die Bestände zu ordnen. Während im Provinzarchiv die Personalien ruhen (etwa 400 Kartons plus große Nachlässe) und die Chroniken und Nekrologen über die Kollegien Auskunft geben, lässt sich in den Bibliotheksräumen die Geschichte der Kongregation im Entlangspazieren nachvollziehen (etwa 770 Regale). Dabei ist die breite Fächerung der Themen auffallend. Bildung war sehr wichtig, um sich auf die Anforderungen der weltweiten Gemeindemissionen vorzubereiten. In Mautern wurde ein eigenes Studentat eingerichtet (1827), Katzelsdorf trug ein Juvenat (später Gymnasium). Das Evangelium sollte neu (frisch, modern…) verkündet werden.
Wie alles begann
Die Congregatio Sanctissimi Redemptoris CSsR ist am 9.11.1732 in Scala (ob Amalfi) von Alfonso Maria de‘Liguori gegründet worden. Heute sind etwa 5000 Redemptoristen in 82 Ländern tätig, 77 in der Provinz Wien-München. Alfons wollte auf die pastorale Not der Landbevölkerung um Neapel eingehen und ihnen die befreiende Liebe und Barmherzigkeit Gottes vermitteln. Seine moraltheologischen Bücher und Gebetsanleitungen wurden Bestseller. Jesus lieben lernen (Pratica di amar Gesù Christo, 1768, ed. B.Häring) hat mich geprägt, und ist ein roter Faden durch die Redemptoristische Spiritualität.
Missionäre auf Pferderücken
Klemens Maria Hofbauer (1909 Heiligsprechung, 1914 Stadtpatron Wiens) mühte sich um die Verbreitung nördlich der Alpen und leitete den transalpinen Kongregationszweig seit 1788 als Generalvikar (bis 1808 in Warschau). 1820, knapp nach seinem Tod, hat Kaiser Franz I. die Zulassung in Österreich unterschrieben. Unter Joseph-Amand Passerat (1820- 1848) expandierten die Redemptoristen von Maria am Gestade aus in die weite Welt. Es beeindruckt mich, die Annalen Belgiens ab 1831, oder Nordamerikas ab 1832 (ed.J.Wuest 1888) in die Hand zu nehmen. Ich versuche mir vorzustellen, wie die Missionäre riesige Pfarrgebiete auf Pferderücken betreuten (z.B. Jan Nepomuk Neumann, hl.1977).
Bücher unter Bombenschutt
Der Buch-und Schriftenbestand war Zerstörungen ausgesetzt. 1848 – 1852 waren die Redemptoristen im Zuge der Revolution vertrieben, Studenten und Beamte nutzten umgebaute Räume. Am 12.3.1945 schlug eine Bombe ein, bei Aufräumarbeiten stürzte eine Mauer um und verletzte einen Arbeiter tödlich. Es dauerte lange, bis die Bücher von Schutt gereinigt und eingestellt waren. Bücherspenden kamen dazu, und wertvolle Bestände aus aufgelassenen Klöstern, besonders aus Mautern sowie aus Zukäufen von anderen Bibliotheken. Die Schaubibliothek umfasst Inkunabeln (ab 1481). Bei den Redemptoristika sind außer den Litterae Annales (seit 1883) die Klemensblätter (seit 1929) und das Spicilegium Historicum (seit 1953) hervorzuheben.
Auf Schritt und Tritt ein Kunstgenuss: Vor einer derartig prächtigen Kulisse würden wohl so manche gerne arbeiten. © Yasmine Wessely
Lichtblicke in den Klostergängen
Interessant sind die Publikationen von Freunden des hl.Klemens, die sich als Philosophen, Dichter und Künstler in den Hofbauerkreis eingebracht haben. Die Brüder Passy, J.E.Veith, Z.Werner schrieben in den Ölzweigen, Friedrich Schlegel redigierte den Österreichischen Beobachter. Die Nazarenerbilder sind Lichtblicke in den Klostergängen. Von P. Weilharter, der im Katzelsdorfer Juvenat Bildnerische Erziehung unterrichtete, bewahren wir viele Skizzen und Erinnerungen auf. Spannend scheinen mir auch Bücher um 1900, die das Wesen von Vereinen und Ständen strikt vor Augen führen.
Kehren wir in das Hausarchiv zurück, ist dort neben Kelchen und Monstranzen alter Votivschmuck zu bestaunen. Ein Verzeichnis von Musikalien ab 1939 – Mozart, Haydn, Salieri, Humel, Schubert – beschreibt die Anfangsmelodien. Im Provinzarchiv sind bei den Unterlagen wichtige Korrespondenzen zumindest in Kopie zu finden, wie von Provinzial Bruchmann, der mit Kupelwieser und Schubert befreundet war. Erfreulich sind Zufallsfunde, die beim Durchblättern entgegenkommen. Und besonders berührt bin ich, wenn bei den Personalien ein Foto auftaucht, und die Lebensdaten ein Gesicht bekommen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich hier arbeiten darf!