So viel Musik! Stift Göttweig als musikalisches Zentrum
„Die Musikanten“, Szene aus dem Deckenfresko „Die Hochzeit zu Kana“, Göttweiger Altmannisaal, 1731 © Satz&Design Van Veen
Die Mönche selbst, aber auch viele ihrer Gäste tragen mit ihrem Können und mit ihrem Talent dazu bei, dass Stift Göttweig als musikalisches Zentrum bezeichnet werden kann, und das seit Jahrhunderten. Die Sonderausstellung „So viel Musik! Stift Göttweig als musikalisches Zentrum“ gewährt Einblicke in das musikalische Leben auf dem Göttweiger Berg seit dem Mittelalter. Ein Besuch der Schau ist bis 23. Dezember 2024 möglich.
Ein Blick zurück ins Jahr 1094
Mit der Umwandlung des Augustiner-Chorherrenstifts Göttweig in ein Benediktinerstift 1094, durch Mönche aus St. Blasien im Schwarzwald, etablierte sich eine bis heute andauernde Choraltradition. Das klösterliche Musikleben des Mittelalters bestand aus dem täglichen Singen des lateinischen, einstimmigen Gregorianischen Chorals durch die Mönche. Textlich folgt der Gesang vorwiegend der Bibel und ist als „Lobpreis Gottes“ ein wichtiger Teil der Liturgie. In den Göttweiger Stiftssammlungen haben sich Handschriften erhalten, die im Rahmen des Chorgesanges Verwendung fanden – darunter auch Fragmente. Ein Glanzstück der Sonderausstellung ist das sogenannte „Petershausener Antiphonarium und Graduale“. Dieses überaus prächtig gestaltete liturgische Gesangsbuch entstand kurz vor 1500.
Göttweiger Zink aus Elfenbein
Die vielstimmige, „polyphone“ Vokalmusik ist prägendes Merkmal der Renaissance. In Göttweig bildeten die Sängerknaben gemeinsam mit Berufssängern einen mehrstimmigen Chor, dessen Repertoire sich stetig erweiterte. Am häufigsten erklangen Werke von Orlando di Lasso (um 1532-1594), auch im Zusammenspiel von Chor und Orchester. Ein populäres Blasinstrument der Renaissance und des Barocks war der Zink. Üblicherweise aus Holz gefertigt, besteht der um 1600 gebaute Göttweiger Zink aus Elfenbein und weist die für das Instrument typische leichte Krümmung auf.
Sehenswertes Ambiente: Die Sonderausstellung befindet sich in historischen Räumen des Stifts. © Angelika Kölbl
Orientierung am Kaiserhof
Im Barock orientierte sich das musikalische Leben in Göttweig sehr stark am Kaiserhof in Wien. Es bestand eine enge Verbindung zum kaiserlichen Musikerensemble, der sogenannten Hofmusikkapelle. In Wien zur Aufführung gebrachte Kompositionen, wie jene von Johann Joseph Fux (1660-1741), wurden auch in Göttweig gespielt. Die Hofmusiker Alessandro Poglietti (gest. 1683) und Johann Kaspar Kerll (1627-1693) fungierten für das Stift als musikalische Berater, musizierten in der Stiftskirche und unterrichteten talentierte Göttweiger Mönche. Einige der Benediktiner taten sich als Komponisten hervor. Johann Georg Zechner (1716-1778), der sieben Jahre in Göttweig als Organist wirkte, war der bedeutendste Hauskomponist. Um das geistliche Liedgut machte sich im 17. Jahrhundert der spätere Göttweiger Abt David Gregor Corner (reg. 1631-1648) wie kein anderer verdient: 1625 veröffentlichte er die wichtigste Sammlung von Kirchenliedern. Das Werk wurde mehrfach aufgelegt, zunächst unter dem Titel „Groß Catholisch Gesangbuch“, ab 1649 als „Geistliche Nachtigal der Catholischen Teutschen“ – ein Exemplar der „Geistlichen Nachtigal“, aus dem Jahr 1676, ist in der heurigen Ausstellung zu sehen.
Zu Beginn der Klassik erlebte die Göttweiger Musikkultur eine Blütezeit. Das musikalische Repertoire erweiterte sich enorm. Zur Aufführung gelangten vor allem Werke von Künstlern, die für geistliche und hochadelige Auftraggeber komponierten. Besonders geschätzt wurde die Musik der Brüder Joseph und Michael Haydn (1732-1809, 1737-1806), ihre Symphonien standen häufig auf dem Spielplan. Infolge der josephinischen Reformen mussten die musikalischen Aktivitäten in Göttweig deutlich reduziert werden. Doch diese Zeit der Beschränkungen ging glücklicherweise in eine Zeit des Aufschwunges über, Dank der Kompetenz P. Virgil Fleischmanns OSB (1783-1863), der von 1813-1822 als Chorleiter höchst erfolgreich wirkte. Fleischmann war es auch, der die Kirchenwerke Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) in das Musikprogramm Stift Göttweigs aufnahm. Im Bestand der Göttweiger Sammlungen befindet sich eine Tabatiere aus dem Besitz von Mozart: Diese kostbare, um 1780 gefertigte Tabakdose kann in der Sonderausstellung aus der Nähe betrachtet werden!
Ein Schmuckstück der Ausstellung: Die Mozart-Vitrine, mit Tabatiere © Angelika Kölbl
Das Kloster im Fokus der Musikwissenschaft
Im Jahr 1853 erwarb Göttweig einen Teil der bedeutenden Musikaliensammlung des Wiener Forschers Aloys Fuchs (1799-1853). Wertvolle Musikhandschriften und -drucke, die gut sortierte Bibliothek von Fuchs, aber auch Mozarts Tabakdose gelangten in Stiftsbesitz und damit rückte das Kloster in den Fokus der Musikwissenschaft. Die Sammlung Fuchs enthält viele Werke herausragender Komponisten: unter anderem bilden das Schaffen des „Klassikers“ Ludwig van Beethoven (1770-1827) und jenes des „Romantikers“ Franz Schubert (1797-1828) einen Schwerpunkt.
Noch bevor der Bestand an Göttweiger Musikalien eine so wesentliche Erweiterung erfuhr, legte der Chorleiter P. Heinrich Wondratsch OSB (1793-1881) im Jahr 1830 einen thematischen Katalog in zwei Bänden vor. Mit diesem umfangreichen Werkverzeichnis war es ihm gelungen, das damalige Musikarchiv Stift Göttweig zu erschließen. Der erste Band des „Katalogus Operum Musicalium“ zählt zu den Exponaten der Sonderausstellung.
Bestens sortiert: Die Sammlung Fuchs enthält viele Werke herausragender Komponisten. © Angelika Kölbl
Musikarchiv im „Altmanniturm“
Seit den 1970er-Jahren ist das Göttweiger Musikarchiv im Südostturm des Klosters, dem „Altmanniturm“, untergebracht. Professor Friedrich Wilhelm Riedel (1929-2020) kümmerte sich mehr als 50 Jahre um die Neuordnung und Erschließung des Archivbestandes, der insbesondere aus über 7.000 Musikhandschriften und -drucken des 16.-20. Jahrhunderts besteht. Außerdem werden im Archiv noch zahlreiche historische Musikinstrumente verwahrt.
Mit dem Musikarchiv, aber auch mit einzelnen Kollektionen des allgemeinen Archivs, der Bibliothek und der Kunstsammlungen verfügt Göttweig über einen hochwertigen musikgeschichtlichen Bestand, der die Bedeutung des Benediktinerstifts als musikalisches Zentrum eindrucksvoll unter Beweis stellt!
Mag. Dr. Angelika Kölbl
Kuratorin der Sonderausstellung