„Es ist eine Lebensaufgabe“
Untermüdlich in ihrem Wirken: Nächstes Jahr ist Karen de Pastel beachtliche 50 Jahre für das Stift Lilienfeld musikalisch im Einsatz. © Ratzinger
Woher rührt Ihre große Leidenschaft für die Musik?
Karen de Pastel: Meine Mutter spielte die erste Violine in einem Streichquartett, das am Abend in unserem Haus probte. Diese herrliche Musik anhören zu dürfen, war für mich prägend. Als Kind berührten mich am meisten Werke von Vivaldi, Bach, Beethoven, Schubert und Brahms.
Wollten Sie von klein auf Dirigentin werden?
De Pastel: Nein. Als Kind wollte ich unbedingt Violine spielen. Neben meiner Liebe zur Musik beschäftigte ich mich mit Philosophie, Religionen der Welt, Psychiatrie, Literatur und Physik.
War es immer Ihr Ziel, in Österreich zu studieren?
De Pastel: Da meine Mutter in Berlin aufgewachsen ist, reisten wir drei Mal vor meinem 13. Lebensjahr nach Deutschland und in andere Länder. Ich liebe die Kultur und wollte schon ab dem dritten Lebensjahr hier leben. Mit dem 13. entstand der Wunsch, in Wien zu studieren und dort zu bleiben.
Wie entstand der Kontakt zum Stift Lilienfeld?
De Pastel: Im Jahr 1975 suchte der Abt des Stiftes Lilienfeld, Norbert Mussbacher, einen Organisten oder eine Organistin wegen der Babenberger-Ausstellung1976. Ich lebte zu dieser Zeit in Mödling, spielte Orgel im St. Othmarund unterrichtete an der Musikschule St. Pölten. Mehrere Organisten spielten dem Abt und einigen Patres vor. Die Wahl fiel auf mich.
Welche persönliche Bedeutung hat für Sie das Stift?
De Pastel: Mit großer Hingabe durfte ich mich in den Dienst des hohen liturgischen und kulturellen Auftrages dieses ehrwürdigen Klosters stellen. Es ist eine Lebensaufgabe, in diesem Stift etwas Großes im Bereich Musik und Dichtung aufzubauen. Hier konnte ich mich als Mensch und Musikerin entfalten und Kontakte zur ganzen Welt pflegen. Im Stift konnte ich nicht nur Konzerte gestalten, sondern berühmte Persönlichkeiten, internationale Chöre und Orchester im Rahmen des von mir gegründeten und geleiteten Musikfestivals einladen.
Mehr als ein Arbeitsplatz: Im Stift Lilienfeld konnte sich Karen De Pastel als Mensch und Musikerin entfalten und Kontakte zur ganzen Welt pflegen. © Stift Lilienfeld
Wollen Sie Ihren Lebensabend in Lilienfeld verbringen?
De Pastel: Mein Hauptwohnsitz befindet sich in Lilienfeld, wo auch unser Grab ist. In Rekawinkel baute ich 1998 ein Haus, um näher bei Wien zu wohnen, wegen meiner Unterrichtstätigkeit seit 1985 als Professorin an der Universität für Musik und darstellende Kunst. Ich hoffe, so lange wie möglich in beiden Orten zu leben. In einem Altersheim möchte ich meinen Lebensabend nicht verbringen.
Warum ist Ihnen die Sommerakademie so wichtig?
De Pastel: Die Idee der Sommerakademie, der SAL, stammt von mir – aus 1981. Ich konnte bedeutende Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft für dieses Projekt begeistern. Die SAL wurde 1982 zum ersten Mal durchgeführt. Viel Herzensblut und auch Geld investierte ich in diese Institution. Sie sollte eine kleine Universität in Lilienfeld sein. Herausragende Dozenten und talentierte Studierende aus vielen Ländern der Welt treffen sich in Lilienfeld, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen.
Was macht die SAL so einzigartig?
De Pastel: Das Wertvolle sind die menschlichen Beziehungen, die während der Kurswochen entstehen. Studierende und Dozenten haben oft ihr Lebensziel hier entdeckt und möchten immer wieder kommen, weil die Atmosphäre auf die Mitwirkenden so positiv und inspirierend wirkt.
Auf welche Komposition Sie besonders stolz?
De Pastel: Stolz ist nicht das richtige Wort. Unter meinen besseren Kompositionen sind die 18 Variationen über ein Thema von Friedrich Neumann für Orgel und die Phantasie über den Bernardi Hymnus des zisterziensischen Ordens für Orgel und Orchester.
Was bedeuten Ihnen die jüngsten hohen Auszeichnungen?
De Pastel: Der Ehrenring der Stadtgemeinde Lilienfeld erfüllt mich mit Freude und Dankbarkeit. Er gibt mir das kostbare Gefühl, zu einer wunderbaren Familie zu gehören.
Das päpstliche Verdienstkreuz für Kirche und Papst bedeutet für mich Inspiration und Auftrag, meine Tätigkeit für die Wahrnehmung neuer Aufgaben in Form einer zukunftsorientierten Auseinandersetzung im musisch-kulturellen Bereich sowie in der ganzheitlich-kreativen Bildung mit aller Energie fortzusetzen. Der zutiefst menschliche Vortrag von Abt Pius an meine Person hat mich berührt.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
De Pastel: Ich habe vor, eine größere Komposition für Chor und Orchester zu schreiben. 2025, meinem 50. Jahr im Stift, werden Opern und Orchesterkonzerte wie die Sommerakademie stattfinden. Feiern werden wir den 500. Geburtstag von Palestrina. 2027 plane ich, ein Beethoven-Festival über das ganze Jahr zu organisieren, anlässlich seines 200. Todesjahres.
Das Interview führte Gila Wohlmann, es wurde am 17.7.2024 in den NÖN abgedruckt. Vielen Dank für die Möglichkeit, es hier zu veröffentlichen!