Pracht und Last
Maria am Gestade kann sich glücklich schätzen, kaiserliche Objekte zu besitzen: Zwei Stifte und eine Feder direkt aus der Hand Kaiser Franz Josephs. © Klemensblätter
Es war jene Zeit, als der Kaiser, seit seiner Verlobung mit Elisabeth von Wittelsbach, für die nächsten 60 Jahre in Bad Ischl Sommerresidenz bezog – bis zur Kriegserklärung 1914 ebendort. Aristokraten, Künstler und Sommerfrischler drangen weit in das Salzkammergut vor – zunächst zur Jagd und zum Bergsteigen. Die heftigen Regenphasen unterstützten das Dichten und Komponieren. Allmählich verließen sie die Bauernhäuser, in denen sie sich sozusagen Denk-Stuben eingerichtet hatten, und bezogen Villen. Aus den Reisekoffern wurden fixe Einrichtungen mit Jugendstilmöbeln und regionalen Trachten. Hofmannsthal bearbeitete das Spiel vom „Jedermann“, Theodor Herzl radelte zu Adalbert Schnitzler, und bis heute sind in den Gärten Rehkitze und Eichhörnchen zu Besuch, die sich an den Hortensien, Haselnüssen und Äpfeln gütlich tun.
Harte Lebensbedingungen im Salzkammergut
Der Salzhandel bestimmte die Region seit dem 15. Jh. v. Chr. und wurde im 15.Jh.n.Chr. Habsburgs Kammergut. Die Arbeiter mussten schuften – an den Skeletten in Hallstatt sind die Abnützungsspuren zu sehen, die von den schweren, verzierten Tragesäcken stammen – aber sie wussten um ihren Wert und entwickelten ein reiches Brauchtum, das bis heute anzieht. Die harten Lebensbedingungen der Salinenarbeiter und der Forstwirtschaft und das nötige handwerkliche und technische Know-how vertrug sich gut mit einer hartnäckigen protestantischen Einstellung. Die Leute versteckten ihre Lutherbibeln und lasen sie heimlich. Die Gegenreformation, die mit einem blutigen Auftakt 1601 begann, hatte es bis ins 18. Jh. schwer. Mehrere Aussiedlungswellen brachten Salzkammergutler nach Siebenbürgen, in die Ukraine und nach Amerika. Dem Toleranzpatent wurde nicht getraut, erst 1861 erfolgte die Gleichstellung (Protestantenpatent).
Kulturhauptstadt 2024
Heuer ist die Region Bad Ischl-Salzkammergut Kulturhauptstadt und versucht, Historisches mit aktuellen Kontextsetzungen zu verbinden und künstlerisch zu verdeutlichen. Das Augenmerk ist auf die Aufarbeitung der Vertreibung und Ermordung jüdischer Familien gelegt, und geht die Umwege der Raubkunst bis zur Bewahrung von Sammlungen ein. „Stecknadeln der Erinnerung“ sind für Fahrradfahrer dokumentiert, Skulpturen thematisieren die Klimaproblematik (Xenia Hausner, „Atemluft“), Regentropfen aus 23 Gemeinden (Markus Jeschaunig, Fotos) führen tief in die Natur, ja scheinbar ins Universum…
Kaiserliche Objekte in Maria am Gestade
Maria am Gestade kann sich glücklich schätzen, kaiserliche Objekte zu besitzen: Zwei Stifte und eine Feder direkt aus der Hand Kaiser Franz Josephs. Ein Buntstift mit zwei Farben (Johann Faber), ein Bleistift Nr.2 (Anton Wilhelm Faber), eine Schreibfeder mit Halter (Carl Kuhn). Seine Eltern, Erzherzog Franz Karl und Gemahlin Sophie, nahmen gern am Gottesdienst in Maria am Gestade teil. Kaiser Franz Joseph war zwar nie persönlich zugegen, aber sicherlich hätte er dazu gesagt: „Es war sehr schön, es hat uns sehr gefreut“.
Dr. Yasmine Wessely, Provinzarchivarin, Wien
Klemensblätter Nr.3-2024