Jesuiten-Magazin: In welcher Kultur leben wir?
Die „Stimmen der Zeit“ sind die Kulturzeitschrift der deutschsprachigen Jesuiten. (c) SJ-Bild
Wenn Menschen zusammenleben, gestalten sie ihr Miteinander: nach verschiedenen Idealen und Zielen, in den kleinen Verbindungen des Alltags und in den großen der Völker, Religionen und Staaten. Das gestaltete Miteinander nennt man „Kultur“. Oft ist sie lokal bestimmt, durch Tradition und Religion vor Ort; viel Kultur ist jedoch auch überregional, national, kontinental oder – heute immer mehr – global bestimmt. Kultur umfasst daher gesellschaftliche und politische Fragen, auch Religion und Theologie und Kirche, Philosophie und Ethik und alle Wissenschaft, Kommunikation und Kunst wie etwa Malerei, Literatur, Musik … Eine Kulturzeitschrift bearbeitet alle diese Felder. Sie reflektiert aktuelle Herausforderungen, sie gibt Hintergrundberichte, sie diskutiert religiöse und gesellschaftliche Strömungen. Dabei pflegt sie ein gutes intellektuelles Niveau, will aber, dass sich alle Autor:innen – meist sehr gute Fachleute – so ausdrücken, dass ihre Gedanken auch für Nichtfachleute verständlich sind und fruchtbar.
Zeitschrift hat Profil des Jesuitenordens
Die Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ bietet freilich nicht vor allem eine Plattform für verschiedene Meinungen, unter denen die Leserschaft dann auswählen darf, sondern sie hat selbst ein inhaltliches Profil. Sie schlägt also bestimmte Deutungen und Richtungen vor, mit klaren Argumenten und Reflexionen, selbstverständlich auch mit einer Pluralität konkreter Stimmen und Thesen. Das Profil der „Stimmen“ – so nennen wir die Zeitschrift abgekürzt – ist das des Jesuitenordens: in kirchlichen Fragen fest verwurzelt in der Tradition, aber zugleich dialog- und reformorientiert. Es ist in gesellschaftspolitischen Fragen ganz auf Demokratie und Menschenrechte orientiert, mit universaler Ethik und interkultureller Wertschätzung, mit Einsatz für Arme und Benachteiligte, mit dem Willen zum Frieden, zur weltweiten Gerechtigkeit, zur ökologischen Transformation: ein Profil, das nicht nur jesuitisch ist, sondern – davon sind wir überzeugt – zutiefst biblisch und christlich.
Die Jesuiten Stefan Kiechle SJ und Klaus Mertes SJ sowie Philipp Adolphs (v.l.) bilden die Redaktion der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“. (c) Harald Neumann
Bewegte Geschichte
Die Geschichte der Zeitschrift ist bewegt: Kurz nach der Gründung wurden 1872 alle Jesuiten aus dem Deutschen Reich vertrieben. Die Redaktion arbeitete dann im Ausland. 1914 konnte sie nach Deutschland, nach München zurückkehren. In der Nazizeit wurde die Zeitschrift unterdrückt und ab 1941 ganz verboten. Nach dem Krieg begann man mühsam neu. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wuchs ihr die große Aufgabe zu, den weltweiten Aufbruch der Kirche zu reflektieren und in den deutschen Sprachraum hinein zu vermitteln.
Seit der Gründung ist der Herder-Verlag Partner der Zeitschrift. Die Redaktion besteht aus den beiden Jesuiten Klaus Mertes SJ (Bild Mitte) und Stefan Kiechle SJ (Bild l.) sowie dem bei Herder in Berlin angestellten Redakteur Philipp Adolphs. Sie arbeitet seit einigen Jahren dezentral. Die Stimmen erscheinen monatlich mit einem Umfang von 80 Seiten. Wer schreibt in den Stimmen? Es sind Jesuiten und Nichtjesuiten, Frauen und Männer, Personen der Wissenschaft und solche der Praxis – alle sind mit dem Orden verbunden und teilen seine Werte und seinen Geist. Weil der Jesuitenorden ein starkes internationales Netzwerk ist, gewinnen wir Autor:innen aus aller Welt mit breiten gesellschaftlichen und kulturellen Perspektiven.
In Europa gibt der Jesuitenorden mehrere ähnliche Kulturzeitschriften heraus, mit denen die „Stimmen“ zusammenarbeiten: u. a. „Signum“ (Stockholm), „Études“ (Paris), „La Civiltà Cattolica“ (Rom). Die englischen und polnischen Jesuiten betreiben in anderer Form reine Online-Zeitschriften: „Thinking Faith: The online journal of the Jesuits“ (thinkingfaith.org) und „DEON.pl“
Quelle: Jesuiten-Magazin 3/2024 / P. Stefan Kiechle SJ