Das Amt des Küchenmeisters in den österreichischen Klöstern
Vortrag gehalten bei der Tagung „Klosterküche – Lebensmittelversorgung, Vorratshaltung, Zubereitung und Mahlzeit in den Klöstern des österreichisch-bayerischen Raumes 1300–1800“ des Instituts für Gastrosophie der Universität Salzburg am 20. August 2015 im Benediktinerstift Melk.1
Im Jahr 1584 notierte ein Schreiber in der Kanzlei des Benediktinerklosters St. Peter eine genaue Anweisung an die Stiftspfarre Dornbach in Wien über die Verteilung des dorthin übersandten Käses. Der Peterskäse wurde an Herren verschenkt, die „des gotshauß fürfallenten sachen jeder zeit willig befürdern thuen“, angefangen vom Abt von Melk als Präses der unterennsischen Prälatenkurie, über Beamte der Landschaft bis hinunter zum Hofmaier des Schottenklosters, „welcher sich dem gotshauß als ain beystandt“ erwies.2 Im System von Patronage und Klientel waren freundschaftserhaltende Gaben selbstverständlich, und Lebensmittel stellten in den Subsistenzwirtschaften des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit ein wichtiges Kapital dar. Dessen Kumulierung, Organisation und Verteilung bedurften einer besonderen Logistik, und in den Klöstern hatten die Küchenmeister dabei eine entscheidende Funktion.
Das Küchenamt wird zwar in den Regeln der sogenannten alten Orden nicht ausdrücklich genannt, erscheint aber als eines der Aufgabenbereiche des Zellerars bei den Benediktinern bzw. des Prokurators oder Schaffers in den Chorherrenkonstitutionen. Der Küche wurde zu ihrem Unterhalt ebenso wie der Prälatur, dem Konvent, der Kustorei oder der Oblai eine eigene Vermögensmasse zugeteilt, die aus Abgaben von Grundholden bestand. Die Küchendienstregister listen Weihnachts- und Faschingshennen, Georgikäse, Ostereier, Getreide-, Wein- oder Safranzehente auf.
Mit der zunehmenden Bedeutung der Geldwirtschaft wurden Naturalabgaben immer häufiger in Münze abgelöst. Die Faschingshenne findet sich zwar auch in den barocken Küchenbüchern, der Untertan leistete aber anstatt dessen einen Pfennigdienst.
Küchenrechnungen
Die Urbarialgefälle wurden in der klösterlichen Verwaltung in einem Rentamt mit einem Grundschreiber zentralisiert, die einzelnen Klosterämter erhielten für ihre Kassen Zuteilungen aus dem Gesamtbudget und hatten Jahresrechnungen zu legen. Eine serielle Überlieferung gleichförmig gestalteter Rechnungsbücher setzt in den Klöstern fallweise im 17. Jahrhundert ein und ist im 18. Jahrhundert überall vorhanden. Im Benediktinerstift Melk beginnt die Serie der Küchenrechnungen 1682 unter der Regierung des Abtes Gregor Müller, der vor seiner Wahl als Hofmeister in Wien eine der wirtschaftlich wichtigsten Ämter des Klosters innegehabt hatte.
Abb. 1: Statistische Zusammenfassung des Küchenamts im Stift Melk.
Die Einnahmen des Melker Küchenamts erfolgten aus den Küchendiensten und dem Rentamt, also über den Melker Hauptmann, dem obersten Klosterbeamten. Der Anteil der Zuweisung aus dem Kammeramt wurde größer.3 Der Kämmerer oder „Zahlmeister“, ein Konventuale, übersah die Finanzen und Geldflüsse des Klosters.
Das meiste Geld wurde vom Küchenamt für Einkäufe am Linzer Bartholomäusmarkt, dem Jahrmarkt am 24. August, ausgegeben. Im Jahreslauf wurden Lebensmittel, die das Kloster nicht selbst produzierte oder für die aus aktuellem Anlass ein größerer Bedarf bestand, zugekauft. Im Jahr 1723 waren das unter anderem 1.251 Hendl, 865 Tauben, 23.200 Schnecken, 30.280 Eier und 439 Zitronen.
Die Küchenamtsrechnungen sind aber nur ein Ausschnitt des Wirtschaftsvolumens, das der Küchenmeister zu dirigieren hatte, denn ihm unterstanden nicht nur Lebensmitteleinkauf und -verarbeitung, sondern auch die Lebensmittelproduktion auf den Maierhöfen, der Getreidekasten und der Zehrgaden, Mühle, Pfisterei und die Küchengärten.
Küchenmeister
Wiewohl die Küche als eigener Wirtschaftskörper in den Klöstern früh fassbar ist, nimmt das Amt des Küchenmeisters erst im 16. Jahrhundert Gestalt an. Bei den Prälatenorden war es eine Leitungsaufgabe in der Klosterwirtschaft, die einem Klosterbeamten übertragen wurde. Der Küchenmeister präsidierte die Tafel der anderen Stiftsoffiziere, über ihm stand nur der Hofrichter, der mit dem Prälaten und seinen Gästen speiste.4 Einen Schaffer oder Kämmerer gab es nicht, der Propst stand der Klosterwirtschaft im 16. Jahrhundert selbst vor. Für die Prälatentafel und den Konvent kochte der Oberkoch, im Barock gab es eigene Prälaten- und Konventköche, die Türnitz, also die Gesindestube, versorgte der Gesinde- oder Hofkoch. In Melk gibt es eine lange Tradition von Köchinnen in diesen drei Positionen.
Die Aufgaben des Küchenmeisters sind in schriftlichen Instruktionen festgehalten, auf die ein Klostervorsteher einen neuen Beamten mit Eid verpflichtete. Selbst in zwei so unterschiedlichen Klöstern wie der großen Benediktinerabtei Melk und dem vergleichsweise kleinen Chorherrenstift Herzogenburg sind die Küchenmeisterinstruktionen des 16. Jahrhunderts durchaus vergleichbar.5 In beiden wurden folgende Zuständigkeiten festgelegt: die Aufsicht über das Küchenpersonal sowie über den Zuschroter (Fleischhauer), die Verantwortung für das Kücheninventar und das Budget des Küchenamts, der wöchentliche Einkauf und Verbrauch, der in Wochenzetteln und Journalen festzuhalten war, die Versorgung der Küche durch den Maierhof, den Kasten und die Gärten, sowie die Vorratshaltung, wobei er insbesondere darauf achten sollte, dass Essig und Salz zum Konservieren vorhanden waren, dass Fleisch geselcht, mit den Gewürzen sparsam umgegangen und dass Essensreste weiter verwendet wurden. In Melk unterstanden dem Küchenmeister auch das Transportwesen und die Energiewirtschaft des Klosters. Er hatte den Geschirrmaier, der die Wagen und Zugtiergeschirre beaufsichtigte, anzuweisen, das Ausfahren aufs Feld anzuordnen, die Einbringung des Getreidezehents und gemeinsam mit dem Kastner das Dreschen und mit dem Kellner die Weingartenarbeit zu übersehen. Er war für die Befeuerung nicht nur der Küchenherde und Tafelzimmeröfen, sondern sämtlicher Kamine im Kloster und die Versorgung mit gehacktem Holz zuständig, er leitete außerdem den Ziegelofen und die Kalkbrennerei.
Seit dem 17. Jahrhundert ist die Küchenmeisterei ein Kapitelamt, das der Klostervorsteher an einen Konventualen überträgt. Entsprechende Instructiones des 18. Jahrhunderts sind reich mit Bibelstellen und Zitaten aus Lehrschriften versehene Ermahnungen über die für dieses Amt erforderlichen Tugenden. Das Kapitelamt wurde theologisch als apostolischer Dienst an den Mitbrüdern und klösterlicher Heilsweg gedeutet. Dass ein Küchenmeister „sobrius non multum edax“, also „mäßig und kein großer Esser“ sein soll, ist in der Küchenmeisterinstruktion von St. Peter direkt dem 31. Kapitel der Benediktregel über die Eigenschaften des Zellerars entnommen.6 Nicht ohne guten Grund, denn im 18. Jahrhundert verengte sich die Tätigkeit des Kellermeisters auf Weinbau und Keller und der Küchenmeister übernahm die Funktion eines für die Naturalwirtschaft zuständigen Klosterökonomen mit einem großen Aufgabengebiet. Denn die Küche versorgte außer dem Konvent und den Gästen auch alle Beamten, die Hofhandwerker, das Gesinde und die Taglöhner. Für das Jahr 1580 vermerkte der Herzogenburger Propst in seinem Ausgabenregister: „Ich hab ordinarie ein tisch zu speisen – ohne mein taffl – von teglich 106 person“7. An das Gesinde wurden jeden Tag 274 Laib Brot ausgegeben. In Klöstern wie Melk war die Klosterfamilie noch um einiges größer, und während den barocken Bauphasen wurden außerdem die am Bau tätigen Handwerker und Arbeiter verköstigt. In Melk übte in dieser Zeit der Küchenmeister auch das Amt des Baudirektors aus, in Herzogenburg wurden Küchen- und Baurechnungen in gemeinsamen Büchern geführt.
Lebensmittel als Teil von Entlohnungen hatten in den Klöstern eine lange Tradition und fußten auf Gewohnheiten. Im Verschriftlichungsschub des 16. Jahrhunderts versuchte man, zu normieren und zu verrechtlichen. Der Herrenkoch von Herzogenburg bekam im Quatember 14 Schilling Lohn und „von yeder spansau iii d, und von den tauben und jungen hendeln sind kragl und magl auch sein, aber von den hennen und khapaunen und vischen ist nichtz sein“8.
Noch ausführlicher wurden die Deputatbücher im ordnungsbeflissenen 18. Jahrhundert. Der Melker Hofschneider erhielt aus dem Küchenamt sein „Rindfleisch, die Zuspeiß und ordinari-Brättlen“, Extrabraten alle „heiligen Zeiten“, an Fasttagen Fisch, an Wein wöchentlich ein Maß Offizierwein, an Festtagen Extrawein, ebenso Getreide, beides nicht unbedingt zum Verzehr, sondern als Wertanlage und zum Weiterverkauf. Er bekam außerdem täglich Brot, wöchentlich Käse, zu Ostern „ein geselchtes Sauerl“, zu Martini eine halbe Ente sowie Jahresrationen an Kraut, Schmalz, Erbsen, Linsen und Salz, ebenso Rüben zum Selbstanbau.9
Speisepläne
Klösterliche Speiseordnungen gehörten zu den Geschäftsunterlagen des Küchenmeisters. Sie hatten Instruktionscharakter, weil darin vorgeschrieben wurde, welche Mahlzeiten an welchen Tagen vorzubereiten waren, stellten aber auch Hilfsmittel für Vorratshaltung und Verbrauchsstatistiken dar. Die Speisepläne der Konvente sind in der Frühen Neuzeit im Wochenrhythmus wiederkehrende Gerichte, die das saisonale Angebot und die klösterlichen Fastengebote berücksichtigten.
1601 hatte der Herzogenburger Küchenmeister für den Konvent täglich zwei warme Mahlzeiten zubereiten zu lassen (außer freitags, wo es abends nur Käse, Obst und Nüsse gab). Sonntagmorgens, wenn statt einmal zwei Mal aufgetragen wurde, gab es Fleischsuppe, gesottenes Rindfleisch oder Blunzen (wenn gerade Schweine geschlachtet wurden), Kraut, Kalbsbraten und Gerstenbrei, Sonntagabends im Sommer einen Salat, einen gedämpften Braten, Rüben, Lammfleisch oder was vorhanden war und wieder Gerste als Mehlspeise.
Die Prälaten- und Gästetafel war an Festtagen wesentlich aufwändiger. Da die Speisen in der Barockzeit nicht hintereinander, sondern gleichzeitig aufgetragen wurden, stellte das eine Herausforderung für das Tischarrangement dar, das der Tafeldecker zu bewältigen hatte. In Herzogenburg hat sich eine entsprechende Instruktion für zwei Aufträge eines üppigen Festmahls erhalten.10
Abb. 2: Zwei Instruktionen für Prälaten- und Gästetafel an Festtagen des Stifts Herzogenburg von 1645.
Der Kapaun in der Tischmitte des ersten Auftrags wurde mit Gewürzen besteckt mit Brühe und mit Austern und Muscheln als Beilagen serviert, auch der Truthahn wurde mit 200 Muscheln aufgetragen. Das Rindfleisch war ein großes Stück im Saft, umkränzt von Lungenbratenstücken angemacht, dem Salat waren Sardellen und Oliven beigegeben, und zu den Salzfässchen gehörten Zitronenschalen. Zum Magenabrunden wurden am Ende des Mahls noch drei Teller mit 125 Austern gereicht.
Der Tafeldecker war für die Sauberkeit und Vollständigkeit des Geschirrs verantwortlich, zu Tafeldeckerinstruktionen oder ab dem 18. Jahrhundert Konventdienerinstallationen gehörten nicht selten auch Geschirrinventare. Häufiger sind diese aber Teil des dem Küchenmeister zu seinem Amtsantritt übergebenen Kücheninventars.
Ordnung in der Küche
Stift Melk verfügt über ein besonders umfassendes Inventar des Küchenamts, was einerseits damit zu tun hat, dass der Küchenmeister de facto die gesamte Haus- und Eigenwirtschaft des Klosters übersah, andererseits auch dem besonders rührigen Küchenmeister P. Anselm Steyrer zu verdanken ist. Sein Inventarbuch enthält die Ausstattung der Küchenmeisterei, also der Wohn- und Amtsräume des Küchenmeisters (der Küchenmeister lebte außerhalb der Klausur und war vom gemeinsamen Tisch und vom Chor dispensiert). In seiner Amtsstube hatte P. Anselm eine kleine Fachbibliothek mit Literatur über Hauswirtschaft, Geflügelzucht und Zehentrecht sowie eine sehr penibel geführte Registratur mit einem 58-teiligen Aktenplan. Zum Inventar gehörten auch eine Spezereienkammer, ein Konfektzimmer und die Rüstkammer mit den Jagdgewehren, weiters Schränke mit Tafelsilber, Porzellan, Steingut, Zinngeschirr, Tischwäsche und Bettwäsche für die Gästezimmer, außerdem Speisekammer, Speisegewölbe, Zimmer des Speisers, Hofküche mit Kupfer- und Eisengeschirr, Küchenstuben, die Schrot und die Schlachtbrücke, die Pfisterei mit Backstube, Backküche und Mehlkammer, der Wagenschuppen und Pferdestall und die Maierhöfe in Melk und Pielach mit Viehbestand, Wirtschafts- und Hausgerät.11
Nach Vollendung seines ersten Lustrums im Küchenamt überreichte P. Anselm seinem Abt ein umfassendes Memorialbuch, in dem er verschiedene Aspekte der Küchenmeisterei analysierte und Verbesserungsvorschläge machte.12 Es missfiel ihm zum Beispiel, dass ohne erkennbare Ordnung einmal die Hofköchin, das andere Mal der Krautmaier die Wocheneinkäufe für die Küche tätigten anstelle des dafür zuständigen Speisers, und dass diese, wenn das Wochengeld der Küchenamtskasse nicht reichte, einfach mehr beim Küchenschreiber behoben, dem sie dann, da sie nichts notierten, ihre Einkäufe aus dem Gedächtnis aufsagten, was zwangsläufig zu Unstimmigkeiten in den Küchenraitungen führte. Auch die Logistik der Vorratshaltung behagte ihm nicht, er befand, dass „Empfang und Abgaben der Speisen ohne Ordnung und wie ein Mischmasch durcheinander in die Rapulaturen eingetragen werden“, weswegen er ganz im Geist der damals modernen botanischen und zoologischen Taxonomien eines Carl von Linné die Speisevorräte in Klassen und Rubriken einteilte. Es darf vermutet werden, dass das Interesse des Abtes Thomas Pauer, der in seiner Regierung ganz andere Akzente setzte, endendwollend war. P. Anselm resignierte wenig später auf sein Amt.
Anders war es zur gleichen Zeit in der Abtei St. Peter, wo Abt Beda Seeauer selbst die Klosterwirtschaft und ihre Ämter neu ordnete. Wie alle Strukturreformen des 18. Jahrhunderts zog auch diese eine anschwellende Bürokratie mit hohem Verschriftlichungsaufwand nach sich. Wie wichtig Aufzeichnungen waren, wusste Abt Beda aus seinen eigenen Archivarbeiten. Historische Quellen ließen sich zu pädagogischen Zwecken einsetzen, wenn die Mitbrüder wieder einmal übers Essen murrten: Abt Beda vermerkte zur Küchenmeisterinstruktion „siehe man nach die alten Küchlbucher, wie man vor Zeiten in denen dispensirten Tafeln und zur Fasnacht tractiert hatte, so wird sich mit Verwunderung der Unterschied zeigen, frage man die alten Patres, wie sauer zuweillen der Wein gewesen, dass sogar etwelche lieber Bier getrunken“13.
Gästebewirtung
Die vielfältigen Aufgaben des Küchenmeisters überschneiden sich oft mit jenen anderer Ämter, die daher nicht selten in Personalunion bekleidet wurden und werden. Eines dieser Ämter ist das des Gastmeisters, da die Gäste der Küche die meiste Arbeit bereiten. Wegen der langen Tradition klösterlicher Gastfreundschaft ist das Gastamt eines der ältesten und wichtigsten. Dass es auch eine Bürde sein kann, zeigt die Notiz eines Gastmeisters des 15. Jahrhunderts in einem Herzogenburger Grundbuch:14
“Hospicii rector sit gaudens ut Hector
ut Job patiens et ut Salomon sciens”
“Der Gastmeister muss die Frohnatur eines Hektor haben,
die Geduld eines Hiob und die Weisheit Salomons.“
Auch der Küchenmeister P. Anselm machte seine Anmerkungen zum Gastamt. Er sehe zwar ein, schrieb er, dass ein Kloster wie Melk, das an zwei Hauptstraßen zu Wasser und zu Land liege, der Benediktregel gehorsam Gäste aufnehme, was gut und schön sei, aber es schmerze ihn, „daß das Gastieren nunmehro von allen Seiten her befürdert und immer zu einem höheren getrieben worden [...]. So lang alle Leuth ohne Unterschied [...] zum ersten oder, welches noch gefährlicher, zum Nachttisch zu Gast geladen werden, so wird das Ansehen der Geistlichen und folgsam auch des Klosters [...] abnehmen“15.
Ein gröberes Problem entstand daraus, dass die Frage, welche Speisen den Gästen vorzusetzen waren – Adelige und kirchliche Würdenträger bekamen üppigere und raffinierte Küche serviert als Bürgerliche – „bloße tradition, ohne einer regulirt und authentisierten Speisordnung“ sei. Der Prior ließ nach einer Bewirtung von bürgerlichen Gästen, denen er im Tafelzimmer Gesellschaft geleistet hatte, dem Küchenmeister ausrichten, wenn in Zukunft die Qualität des Essens für solche Gäste nicht besser werde, dann werde er selbst befehlen, dass zukünftig die Konventküche statt der Hofküche für die Gäste koche, woraufhin die Köchin regelmäßig Pasteten und Torten an die Gästetafel zu schicken begann. Dazu P. Anselm: „damit hatte die Klage ein Ende, bis zur Zeit, alß die Auszügl bezahlt werden mussten“.
Im sozial und ökonomisch dichten Gefüge eines Stiftes profilierte jeder Küchenmeister sein Amt im Rahmen der Regierungsvorgaben seines Prälaten, in Kooperation oder Auseinandersetzung mit anderen Offizialen und nach seinen Fähigkeiten in Betriebswirtschaft und Personalmanagement. Das Amt gewinnt durch die Person, die es bekleidet, Kontur.
Kochen und Essen in den Bettelorden
In den jüngeren Orden hatten die Küchenmeister schon aufgrund der Ordensstruktur eine andere Position und Funktion. Die wichtigste Organisationseinheit solcher Gemeinschaften ist nicht das Kloster, sondern die Ordensprovinz. Ein Franziskaner- oder Kapuzinerkloster ist nur eine temporäre Heimstatt für einen Mönch, sein Auftrag mehr ein apostolischer denn ein monastischer. Es gibt keine große Klosterfamilie mit Beamten und Gesinde wie in den Stiften, und die Leitungsämter sind hierarchisiert. Die Konstitutionen regeln die Vollzüge des Ordenslebens für alle Klöster gleich, da ist kein Platz für einen Küchenmeister mit eigenen Vorstellungen von seinem Amt. Hinzu kommt, dass die Mahlzeiten gerade bei den Bettelorden viel einfacher waren und anstatt üppiger Gästebewirtungen gab es Armenausspeisungen. Die Enthaltsamkeit beim Essen gehörte geradezu zur Ordensidentität:
Dazu legte das Tiroler Provinzkapitel der Kapuziner von 1621 fest: „Wie es der messigkhait so gar zuwider, sonnderlichen aber einer so hochen armueth, in essen und drinkhen khain zill zu haben und den bauch mer dan vonnötten einzufillen, welches anderst nichts als das gemieth zu untertrückhen und den leib mit unterschidlichen krannkhaiten zu beschwehren, als wollen die Superiores fleiss anwenden, daß die in unsseren Consitutionibus vorgeschribne weiß zu speißen nit übertretten wierde. Am mitwoch solle man sich des fleischessens ennthalten, auch nit zuegeben, das man den bruedern so grosse pitancias auftrage“16.
Pitanzen waren Ausspeisungen von Geistlichen meist als Bestandteil von Jahrtagsstiftungen. Die Kapuziner hatten keine Grundherrschaften, sie lebten von milden Gaben, von dem, was sie in den Klostergärten selbst anbauten oder von Almosen erwarben oder eintauschten.
Die Almosensammelgänge der Kapuziner, die auch einen katechetischen Aspekt hatten und bei denen die Brüder als Gegengabe Ringe, Löffel, Skapuliere, Rosenkränze oder Bildchen verteilten, erfolgten im Jahreslauf an festgelegten Zeiten an bestimmten Orten, waren also für die Bevölkerung absehbar. Über die erhaltenen Lebensmittel wurden keine Aufzeichnungen geführt. Die dem Kapuzinerkloster Feldkirch 1789 von den Behörden auf allerhöchstem Befehl abverlangte Fassion des Guardians listete ungefähre Schätzwerte über die vorderösterreichischen Bettelgänge, nämlich zur Weinlese 120 Eimer Most, zur Ernte 12 Malter Weizen (das sind 60 Metzen), bei der jährlichen Buttersammlung im März 50 Pfund, Unschlitt zu Lichtmess, Kraut und Rüben aus bestimmten Pfarreien und einiges mehr.17 Etliche Almosen kamen den Kapuzinerklöstern auch durch festgelegte Jahresstiftungen der Kommunen zu, die ab dem 17. Jahrhundert oft in Geld abgelöst wurden.
Die Mahlzeiten wurden von den Brüdern, die den Küchendienst versahen, zubereitet. Die Küchenmeister achteten darauf, dass in die Küche keine Brüder ohne Erlaubnis eingelassen wurden. Aus den Konstitutionen und Kapitelbeschlüssen ergeben sich für die Küchenmeister ansonsten keine besonderen Amtsfunktionen. Sie hatten die Anordnungen des Guardians auszuführen, die Küchenarbeiten zu organisieren und auf die Einhaltung der Statuten zum Beispiel betreffend das Gewürzverbot zu achten.18
Küchenmeisterinnen
In den jüngeren Orden arbeiteten in der Küche die Ordensangehörigen selbst und zwar insbesondere Laienbrüder und Laienschwestern. Während Kleriker und Chorschwestern in den Gemeinschaften den Chordienst versahen oder qualifizierte Tätigkeiten als Priester, Prediger, Lehrerinnen oder in der Krankenpflege ausübten, waren die Laienkonventualen für die alltägliche, handwerkliche Arbeit zuständig. So heißt es in der Regel des Heimsuchungsorden über die Schwester Küchelmeisterin: „Auch erfordert ihr Amt nur wohl anzuordnen und zu füglicher Zeit hervor zu geben und nicht zuzurichten [...] dieses gebühret dem Amt deren Lay-Schwestern“19. Überhaupt sollten sich, wie in Kapuzinerklöstern auch, keine Konventualen in der Küche aufhalten: „Es ist nicht gut, dass sich die Schwestern in der Kuchel wärmen und sehen was aldort vorbeygehe. Dieses kann sie zerstreuen“. Die Beschränkung des Zugangs zur Küche wird immer wieder in den Instruktionen genannt, die Küche war, nicht anders als heute, ein unkontrollierbarer Kommunikationsknotenpunkt.
Die Salesianerinnen sind ein kontemplativer, klausurierter Orden. Die Schwestern durften die Klausur nicht verlassen, für die wöchentlichen Einkäufe gab es eigene Ausgehschwestern, die ihre Erledigungen direkt mit der Oberin abrechneten. Die Jahresbilanz wurde von einem vierköpfigen Schwesternrat geprüft und gezeichnet. Die Einnahmen des Wiener Heimsuchungsklosters erfolgten aus den Interessen der Gründungsdotation der Stifterin Kaiserin Amalia Wilhelmina und wurden von der Hofkammer ausgezahlt, außerdem erhielten sie Kostgeld für die Zöglinge ihres Mädchenpensionats. Vom Jahresbudget, das im ersten Dezennium des 1717 gegründeten Wiener Klosters zwischen 4000 und 7000 Gulden lag, wurden durchschnittlich 1500 Gulden für Wein, Bier, Brot, Mehl, Fleisch, Milch, Käse, Reis, Hülsenfrüchte, Obst und Gewürze ausgegeben. Die Schwester Gartenmeisterin hatte für den täglichen Bedarf an Küchenkräutern zu sorgen.20
Ein mehr als doppelt so großer Betrag wurde 1771 im Kloster der Englischen Fräulein in St. Pölten für Lebensmitteleinkäufe aufgewendet, und zwar für 28 Schwestern, 25 Kostfräulein und 17 Dienstboten. Laienschwestern gab es hier ausnahmsweise nicht, es waren eine Köchin und Küchenmägde angestellt. Täglich wurden zwei Mahlzeiten aufgetragen, für die Schwestern mit fünf verschiedenen Speisen, für die Kostfräulein mit sechs (bei den Kapuzinern waren es nur drei bis vier Speisen pro Mahlzeit).21
Ihre Instruktionen erhielt die Küchenmeisterin in einem kleinen Büchlein eingehändigt, sie unterscheiden sich, was ihre Aufgaben betrifft, nicht sehr von den bereits beschriebenen. Sie war für das Küchen- und Geschirrinventar und die Speisekammer verantwortlich, sie sollte Speisereste aufbewahren und ein Küchenbuch führen, in dem sie die Einkäufe verzeichnete, und sie sollte auf Sauberkeit achten und Lebensmittel „nicht leichtlich mit denen Händen berühren, sondern sich des Messers, Gabel oder Leffel bedienen“22. Anders als bei den stiftlichen Küchenmeistern hatte sie aber nur beschränkte Handlungsfreiheit. Sie musste immer zuerst die Oberin befragen, ob Speisereste weiterverwendet oder an Arme gegeben werden sollten, was mit verdorbenen Lebensmittel zu tun und wie aufgebrauchte Vorräte aufzufüllen waren. Sie erledigte die Einkäufe nicht selbst, sondern diese wurden von der Einkäuferin, einem eigenen Amt, getätigt. In Wirtschaftsfragen unterstand sie außerdem der Prokuratorin des Klosters. Sie konnte allerdings Schwestern, die Küchen- oder Tischdienst hatten, Anweisungen geben.
Auch bei den Ursulinen wurde der Einkauf nicht von der Küchenmeisterin, sondern von der Wirtschafterin organisiert und beauftragt, auch hier richteten sich ihre Aufgaben ausschließlich nach innen. Bei einer medizinischen Visitation des Salzburger Ursulinenklosters 1791, die besonderen Wert auf bekömmliche Kost im Kloster legte, wird keine Küchenmeisterin genannt, über die Speiseordnung wird die Köchin, eine Schwester, befragt.23 Der Herr Visitator war mit den Ordensfrauen nur eingeschränkt zufrieden und bekrittelte insbesondere ihre Vorliebe für Kaffee und Naschereien, für ihn „typisch Nonne“.
Schluss
Das Amt des Küchenmeisters oder der Küchenmeisterin ist so vielfältig wie die Klöster und Orden selbst. In den Stiften war es im 17. und 18. Jahrhundert eine Spitzenposition in der Klosterwirtschaft. In den jüngeren Orden spiegeln sich in diesem Amt die verschiedenen Ordenscharismen und Ordensstrukturen wider, das Verhältnis von innen und außen tritt durch die Aufteilung der Amtsaufgaben gerade in den Frauenklöstern deutlicher zutage. In den hier vorlegten kleinen Probebohrungen in ausgewählten Klosterarchiven sollte dargestellt werden, dass die Quellen auch zu so einem „gschmackigen“ Thema wie dem Essen immer an Amtsaufgaben und Verwaltungsstrukturen zurückzubinden sind, die den Interpretationshorizont bestimmen. Das klingt recht trocken, aber ich hoffe, das war es für Sie nicht.
1 http://www.gastrosophie.at [Zuletzt: 30. 09.2016)].
2 Archiv der Erzabtei St. Peter, Akt 949, Petterskäslauftaillung anno 1584.
3 Stiftsarchiv Melk, 18/19 und 22, Küchenamtsrechnungen 1689 und 1723.
4 Stiftsarchiv Herzogenburg, H.F.162/8, Tafelordnung 1591.
5 Stiftsarchiv Herzogenburg, H.F. 138/1, Küchenmeisterinstruktion 1541, Stiftsarchiv Melk, 18/5, Küchenmeisterinstruktion 1596.
6 Archiv der Erzabtei St. Peter, Akt 429.
7 Stiftsarchiv Herzogenburg, H.3.1.-F.1001/3, fol. 50.
8 Stiftsarchiv Herzogenburg, H.2.-B.113, fol. 9.
9 Stiftsarchiv Melk, 18/5.
10 Stiftsarchiv Herzogenburg, H.F. 185/3, Tafeldeckerinstruktion 1645.
11 Stiftsarchiv Melk, 18/5, Inventar des Küchenamts, 1754.
12 Ebd., Memorialbuch des Küchenmeisters 1753.
13 Archiv der Erzabtei St. Peter, Akt 429.
14 Stiftsarchiv Herzogenburg, H.2.-B.106.
15 Stiftsarchiv Melk, 18/5, Vorschlag des Küchenmeisters für die Bewirtung der Gäste 1752.
16 Archiv der Österreichischen Kapuzinerprovinz in Innsbruck, Tiroler Provinzkapitel 1621.
17 Ebd., Almosenfassion des Kapuzinerklosters Feldkirch, 1789.
18 Ebd., Konkordanz der Tiroler Provinzkapitelbeschlüsse, 18. Jahrhundert.
19 Archiv der Salesianerinnen in Wien, Beantwortungen unserer [...] Mutter Johannae Francisca Fremont über die Regel [...] unseres Ordens der Heimsuchung, 1729.
20 Archiv der Salesianerinnen in Wien, Rechnungsbuch, Küchenrechnungen 1718.
21 Diözesanarchiv St. Pölten, Archiv der Englischen Fräulein in St. Pölten, Jahresrechnung 1771.
22 Archiv der Salesianerinnen in Wien, Beantwortungen unserer [...] Mutter Johannae Francisca Fremont über die Regel [...] unseres Ordens der Heimsuchung, 1729.
23 Archiv der Erzdiözese Salzburg, 11/18 Ursulinen, Medizinische Visitation der Salzburger Ursulinen, 1791/92 (Für den Hinweis auf diese Quelle danke ich Christine Schneider).