Essen, trinken, heilen, schenken
Vortrag gehalten am 20. August 2015 in Stift Melk bei der Tagung „Klosterküche – Lebensmittelversorgung, Vorratshaltung, Zubereitung und Mahlzeit in den Klöstern des österreichisch-bayerischen Raumes 1300–1800“ des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg.
Abb. 1: Stift Nonnberg in Salzburg (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Salzburgische_Kirchenprospect_Nonnberg_c1740.jpg, 30.12.2016)
In Bezug auf die Regulierung der Orden knüpfte die tridentinische Reform an die Benediktusregel an, aber auch an die päpstliche Bulle Periculoso, die bekanntlich die strenge Klausur für Frauenorden hervorhob. Die Grundsätze der tridentinischen Reform hatten auch Auswirkungen auf die klösterlichen Mahlzeiten. Wie sahen nun die Richtlinien bezüglich der klösterlichen Mahlzeiten aus, und wie wurden sie in einem Kloster wie dem Stift Nonnberg umgesetzt, nachdem ab 1620 auf Initiative des Fürsterzbischofs Paris Lodron die Durchführung der Reform mit Nachdruck betrieben wurde? Inwiefern wurden die Reformen mit bestehenden Traditionen und gesellschaftlichen Normen vereinbart oder diesen entgegengesetzt? Manche Forscher haben für die Frühe Neuzeit eine verschärfte Regulierung standesmäßiger Abgrenzungen innerhalb der Klöster konstatiert, wie dies aus manchen normativen Texten des siebzehnten Jahrhunderts hervorgeht.1 Insbesondere soll also die Frage erörtert werden, inwiefern im Kloster zubereitete oder gereichte Mahlzeiten, Getränke und Rezepturen der Abgrenzung oder der Integration im Inneren und nach außen dienten.
Die auf Benedikt zurückgehenden Grundsätze der Reform legten fest, dass der Konvent Mahlzeiten gemeinsam einnehmen und dabei Tischlesung halten solle.2 Gemeinsame Mahlzeiten wurden zwar von Visitatoren allerorts eingemahnt, waren aber nicht selbstverständlich. Denn in manchen Klöstern besserten adlige und wohlhabende Nonnen ihren Speisezettel mit privaten Mitteln auf und speisten bisweilen separat und nach Belieben.3 Das Gebot des gemeinschaftlichen Mahlhaltens hatte aber seit der von Paris Lodron 1620 forcierten Durchführung der Reform einen weiteren Aspekt. Seit 1620 hatte Stift Nonnberg sich nach langem Widerstand gefügt und statt der üblichen Dienstboten diese nun als Laienschwestern (oder Conversae) ins Kloster aufgenommen. Wie Silvia Evangelisti gezeigt hat, wurden die Standesunterschiede zwischen Chorfrauen und Laienschwestern in mehrfacher Hinsicht verdeutlicht. Laienschwestern konnten kein Amt ausüben, also weder Priorin noch Kellermeisterin oder dergleichen werden, und hatten auch keine Stimme im Kapitel. Ihr Aufgabenbereich im Kloster waren die manuellen Arbeiten, eben jene der Dienstboten. Evangelisti stellt dies als Zwang dar, der nun lebenslang auf den Laienschwestern lastete.4 Die Nonnberger Konventfrauen sahen es allerdings anders. Sie fügten sich nur nach entschiedenem Widerstand gegen die Aufnahme von Laienschwestern, da man diese nicht entlassen könne und man befürchtete, dass sie deshalb “widerspenstiger und ungehorsamer” würden.5 Auch Evangelisti räumt ein, dass Laienschwestern zwar für diverse Arbeiten unerlässlich waren, aber auch wirtschaftliche Herausforderungen brachten, da sie ja durchwegs aus Familien stammten, die finanziell zum Unterhalt der Laienschwestern wenig oder gar nicht beitragen konnten.6
Tatsächlich stellte die Aufnahme von Laienschwestern eine Aufwertung dar gegenüber dem zuvor üblichen Dienstbotenstatus, was schon daraus hervorgeht, dass viele Laienschwestern beispielsweise aus den Totenroteln namentlich und mit biographischen Details bekannt sind. Wie aber verhielt es sich nun bei den Mahlzeiten? Blieben die Standesunterschiede zwischen Chorfrauen und Laienschwestern innerhalb der Klausur aufrecht und waren die Mahlzeiten an privaten Haushalten und Wirtshäusern orientiert, wo, wenn möglich, Angehörige der oberen Schichten gesondert ihre Mahlzeiten einnahmen? Und wie sahen überhaupt die das Essen und Trinken betreffenden Vorschriften nach der ab 1620 betriebenen rigorosen Reform am Nonnberg aus?
In den unter der Regierung der Äbtissin Eva Maria um 1628 niedergelegten, umfangreichen Reformationspunkten findet man darüber klare Richtlinien, und gleich zu Beginn des entsprechenden Kapitels folgende Vorschrift: In dem Convent soll man zu Mittag und zu Nacht ordinarie regulariter essen…ist doch erlaubt alle Wochen außerhalb des Advents und Fasten …auff Mittag miteinander zu essen…. Dies bedeutet nichts anderes als dass regulariter die Chorfrauen getrennt von den Laienschwestern Mahlzeit hielten; doch war es auch gestattet, dass an bestimmten Tagen – Beicht- und Kommuniziertage ausgenommen – Chorfrauen und Laienschwestern gemeinsam im Refektorium das Mittagessen einnahmen. Wenn man aber regulariter speiste, also die Chorfrauen getrennt von den Laienschwestern, so musste während der ganzen Zeit gelesen und sonst das Silentium gehalten werden. Speisten alle gemeinsam, so wurde nur am Anfang gelesen, danach war es erlaubt, miteinander zu reden.7
Darüber hinaus gab es eine ganze Reihe weiterer Ausnahmen vom standesmäßig getrennten Mahlhalten. Mitte des 17. Jahrhunderts aßen nach eigenen Angaben mindesten drei Frauen ohne adlige Herkunft mit den Chorfrauen, darunter die Apothekerin Scholastica Till sowie Schwester Anna Maria Pfister, die ihre eigene musikalische Ausbildung den Chorfrauen vermittelte. Man sieht hier, welche Fähigkeiten im frühneuzeitlichen Stift Nonnberg besonders geschätzt wurden, nämlich herausragende musikalische Fähigkeiten sowie die verbriefte Ausbildung zur Apothekerin.8 Laienschwestern speisten aber auch beim gemeinsamen Aderlass gemeinsam mit Chorfrauen. Aus dem 18. Jahrhundert ist überliefert, dass an einem für die jeweilige Laienschwester besonderen Tag, namentlich dem der zweiten Profess, die Betreffende dadurch geehrt wurde, dass sie mit den Chorfrauen auf dem ersten Tisch speiste. Als weiterer Ausdruck festlicher Freude durfte dabei übrigens bei Tisch geredet werden und der Herr Beichtvater ebenfalls mit den Frauen in der Klausur speisen.9
Abtei – Haushalt der Äbtissin
Aus dem 17. Jahrhundert ist einerseits überliefert, dass die Äbtissin, wenn nicht verhindert, ins Refektorium kam.10 Andererseits hielt Frau Äbtissin auch Mahlzeiten an ihrem eigenen Tisch in der Abtei, möglicherweise zusammen mit ihrer Dienstmagd.11 Nach der Benediktregel war gerade der Tisch des Abtes auch ein Ort der Gemeinschaft, namentlich der Gastfreundschaft. Benedikt sah vor, dass Gäste oder auswärtige Pilger am Tisch des Abtes bewirtet wurden (Kap.56). Dazu ist zu bemerken, dass am Nonnberg sicher nicht alle Besucher in der Abtei speisten. Als nämlich 1632 Churfürstin Elisabeth von Bayern das Kloster besuchte, speiste sie mit den Chorfrauen im Refektorium und begab sich erst danach zu einem von den Frauen gespielten Konzert in die Abtei.12
Wie es scheint, waren auswärtige Gäste zumindest Mitte des 17. Jahrhunderts eher rar im Stift Nonnberg. So hielt sich Äbtissin Johanna Franziska an eine weitere Regel, die wiederum eine bestehende Absonderung innerhalb des Klosters während der Mahlzeit überbrückte: Wenn aber nur “wenig Gäste da sind,” schrieb Benedikt in Kapitel 56, “steht es [dem Abt] frei, von den Brüdern zu rufen, wen er will.” Äbtissin Johanna Franziska vermerkte in ihrem Protokoll, sie habe beispielsweise in den Wochen nach Dreikönig, also im Jänner 1660, jeweils acht Frauen zu Gast gehabt, zuerst die ältesten, gefolgt von zwei weiteren Gruppen von jeweils acht jüngeren Chorfrauen. Man kann annehmen, dass sie die Gelegenheit auch zur Erbauung der Chorfrauen nutzte, wie das in der Benediktusregel vermerkt ist. Vor allem aber diente das gemeinsame Mahl dazu, das Jahr in positiver, freudiger Atmosphäre zu beginnen, denn Frau Äbtissin schenkte bei der Gelegenheit jeder der Frauen drei Liechtl und ein Kupferstick13.
Nicht nur der Jahreswechsel gab Anlass zu einer solchen gemeinsamen Mahlzeit in der Abtei. Am 3. Oktober vermerkte die Äbtissin, sie habe mit sieben Chorfrauen und vier Schwestern, also Konversen, zur Ader gelassen. Zur Stärkung ließ sie gebratenes Wildpret, ein Geschenk des Erzbischofs, in die Aderlass bringen.14 Bei dieser Gelegenheit speisten also Äbtissin, Chorfrauen und Laienschwestern gemeinsam in der Abtei.
Organisation der Küche, Wirtschaften und Sparmaßnahmen
Dass die Zubreitung der Speisen und sämtliche Küchenarbeiten weitgehend in Händen der Laienschwestern lagen, versteht sich von selbst. Aber sie waren dabei nicht vollkommen auf sich gestellt. Etliche beamtete Chorfrauen, namentlich die Küchenmeisterin, die Kastnerin und die Kellermeisterin, waren auch ganz praktisch involviert. Im Besonderen war die Küchenmeisterin für die Vorratshaltung und den Einkauf von Lebensmitteln verantwortlich und hatte deshalb auch als einzige der Chorfrauen von Rechts wegen regelmäßig Zugang zu Geld, zu den Winden und zur Klausurpforte, eben um ihren Pflichten nachzukommen. Auch unter den Schwestern waren die Aufgaben weiter klar unterteilt. Visitationsprotokolle und andere Zeugnisse unterscheiden eine Herren- und Kostköchin, eine Konventköchin und eine Schwesternköchin (coqua sororum).15 Andere Schwestern sind als Küchenhilfen angeführt, doch brachten auch Laienschwestern nicht ihr ganzes klösterliches Leben in der Küche zu. Schwester Maria Antonia Erdl beispielsweise war 23 Jahre lang Köchin, leistete aber auch Dienst im Krankenzimmer und an der Pforte, bevor sie 1667 achtzigjährig verstarb. Ihr Name wie auch ihre Tätigkeit legten dem Verfasser ihrer Rotel ein Bild aus der Küchenwelt nahe, sodass ihre letzte Krankheit folgendermaßen beschrieben wurde: … da fangte sie an als ein geistlicher Erdäpffel reiff zu werden und beginnte der Schöpffer mitler Zeit ihn von dem Baum des zeitlichen Lebens abzunehmen und … auf das Stroh zu legen…damit sie durch Gedult und Resignation noch mehr solte reuff und zeitig warden …16.
Bisweilen widmete sich sogar die Äbtissin selbst den Details der Küchenorganisation. Überliefert ist dies von der Äbtissin Johanna Franziska von Rehling und war durch besondere Umstände bedingt. Im Jahr 1661 musste man sparen, und Johanna Franziska ließ nichts unversucht, die Kosten für die Mahlzeiten zu senken. Ihre Aufzeichnungen geben interessante Einblicke in die Klosterküche, wie beispielsweise den Gebrauch, Chorfrauen und Laienschwestern teils unterschiedliche Speisen aufzutischen. Welche Ausgaben waren besonders hoch, wo zeigte sich ein Einsparungspotential? Immer wieder ist es das für die Schwestern und die Herren, also die Beichtväter und Offizialen, eingekaufte Rindfleisch, das der Äbtissin diesbezüglich ins Auge fiel.17
Ansonsten ließ offenbar auch die allgemeine Haushaltsplanung zu wünschen übrig und weiters ging für Hühnerfutter allzu viel auf. Aber Frau Äbtissin wusste Rat: Am 6. September 1661 berief sie nach der Vesper etliche Amtsfrauen zu sich, darunter Frau Priorin und Frau Kuchlmeisterin. Man beriet und schließlich wurde ein Aktionsplan beschlossen. Punkt eins: Einsparungen bei den großen Fleisch-Unkosten. Künftig wollte man bei den Bauern günstig Rindvieh und Kälber bestellen und diese beim Kloster schlachten (also am Meierhof). Zur Ersparnis beim Fleisch kämen noch zusätzliche Einnahmen durch bei der Schlachtung gewonnene Rohstoffe, insbesondere die Haut der Rinder. Auch die Äbtissin selbst war zum Sparen bereit: Ihr Geburtstag solle auf den Festtag des Hl. Evangelisten Johannes verlegt werden (vermutlich mit ihrem Namenstag zusammengelegt) und beim Aderlass könne man auch mit weniger Speisen auskommen. Bei der Speisung der Armen am Oktavtag des Festes würde man bleiben. Die Zahl der Hennen sei so weit zu reduzieren, dass man sie ohne große Ausgaben füttern könne. Und weiters solle in der Küche eine richtigere Ordnung gemacht werden und den Schwestern zu bestimmten Zeiten ein gewisses Maß Schmalz, Butter, Mehl und dergleichen gegeben werden, und zwar im Beisein der betreffenden Amtsfrauen, der Kuchlmeisterin und der Kastnerin. Desgleichen verfahre man mit der Konvent- und Offizial-Köchin. Und soll man bei der aufgeteilten Speisordnung auf 3 Wochen für jede [der] Parteien bleiben, fügte Äbtissin Johanna Franziska nachdrücklich hinzu.18
Obwohl die Episode durch außergewöhnliche Umstände verursacht wurde, zeigt sie doch deutlich, dass sowohl Laienschwestern wie auch Chorfrauen und sogar die Äbtissin selbst in Küchenbelange involviert waren. Dass die Äbtissin zeitweise besonders tätig wurde, hängt natürlich damit zusammen, dass sie zusammen mit der Kastnerin und den Offizialen die Verantwortung für die Wirtschaftsführung trug. Die von der Reform geforderten gemeinschaftlichen Mahlzeiten und die Aufnahme von Laienschwestern, die ja kein Vermögen mitbrachten und zum zahlenmäßigen Wachstum des Klosters beitrugen, machten eine sorgfältige Planung unerlässlich. Lebensmittel wie Rindfleisch, das den Herren und den Schwestern aufgetischt wurde und offenbar bis 1661 nicht vom Meierhof bezogen wurden, sondern eingekauft werden mussten, stellten für das Kloster eine große finanzielle Belastung dar. Da die Einnahmen des Stifts in Form von Naturalien, vor allem Getreide, hereinkamen, musste die Äbtissin beim Einkauf anderer Lebensmittel genau kalkulieren, insbesondere wenn die Getreidepreise fielen.
Ein besonderer Umstand hatte offenbar zur Finanzknappheit beigetragen. Wie sich nämlich just zur Zeit der Sparmaßnahmen herausstellte, hatte der mit dem Getreidekasten beschäftigte Kastner jahrelang falsche Rechnung geführt. Auf starkes Zusprechen des Hofrichters gab der Kastner schließlich zu, er habe von 20 Jahren her alle Jahr 4 Schaff Korn hinterzogen und dafür das Geld für sich eingenommen. Die Konsequenzen für den Betrug waren aber recht mild. Man brachte am Getreidekasten, der natürlich außerhalb der Klausur lag, ein neues Schloss an, nahm dem Kastner die Schlüsselgewalt und stellte sicher, dass er bei Transaktionen niemals allein war.19 Das Beipiel zeigt, dass der Widerstand der Frauenklöster gegen die strenge Klausur, die auch für die Äbtissin und Amtsfrauen galt, handfesten wirtschaftlichen Motiven entsprang.
Speisezettel und Getränke
Welche Leitlinien gab es nun für den Speisezettel, und wie sah es in der Praxis aus? Einblicke gewinnt man durch das erwähnte Regelwerk aus der Zeit der Äbtissin Eva Maria. Wie sich zeigt, wurden zwar die Regeln äußerst detailliert niedergelegt, blieben aber durchaus vernünftig und flexibel. Beispielsweise war ein Frühstück eigentlich nach alter monastischer Tradition nicht vorgesehen. Aber im Stift Nonnberg sah man auch Ausnahmen vor: Frauen welche solches bedürfen und Laienschwestern überhaupt, außer an Fasttagen, könne nach der Frühmesse eine Morgensuppe gegeben werden, nur sollten sie nicht länger als seine Viertelstunde dabei zubringen. Was den Fleischverzehr betraf, der ja eigentlich nach der Benediktregel zu vermeiden war, so verweisen die Reformvorschriften ausdrücklich auf die Dispens, welche die Cassinensische Kongregation aus erheblichen Ursachen dies orths erteilt habe, wie auch eine päpstliche Dispens. Demnach könne man außerhalb des Advents und der vorösterlichen Fastenzeit vier Mal in der Woche zu Mittag und Abend Fleisch essen, nämlich am Montag, Dienstag (Zechtag), Donnerstag (Pfinztag) und Sonntag. Zusätzlich konnte die Äbtissin Erlaubnis zum Fleischverzehr geben, wenn ein Christusfest, eines der Muttergottes, der Apostel oder der fürnemsten Patrone auf einen fleischlosen Tag fiel.20
Bei den eigentlichen Mahlzeiten, dem Mittagessen (prandium) und Abendessen (cena), gab es unterschiedliche Regeln für Chorfrauen und Laienschwestern, und selbstverständlich auch Beschränkungen nach den Gegebenheiten des liturgischen Kalenders. An Fleischtagen sollten den Frauen zu Mittag fünf Speisen vorgesetzt werden, zu Abend aber vier Speisen und nur eine durfte von Fleisch sein. Die Laienschwestern sollten dagegen zu Mittag vier, zum Nachtmahl aber nur drei gekochte Gerichte erhalten. Am Freitag solle das ganze Jahr über nur einmal gegessen werden, desgleichen am Mittwoch und Samstag von dem Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes (14. September) bis Ostern sowie an anderen gebotenen Fasttagen. An vielen Fasttagen war im Prinizip keine warme Mahlzeit erlaubt, außer für die Jungen und Kranken, doch könne die Äbtissin allenfalls erlauben, dass zwei oder dreimal in der Woche eine warme Speise gegeben werde. Den Laienschwestern waren, im Gegensatz zu den Chorfrauen, auch an Regelfasttagen abends zwei warme Speisen erlaubt, wegen der schweren Arbeit welche sie zu verrichten, wie es heisst.21
Wie dies alles im 17. Jahrhundert in die Praxis umgesetzt wurde, dafür gibt es nur spärliche und nicht ganz eindeutige Belege. Sie deuten darauf hin, dass Chorfrauen und Laienschwestern zumindest teilweise unterschiedliche Speisen gereicht wurden, obwohl manche Speisen beiden Gruppen aufgetischt wurden. Die Aufzeichnungen der Äbtissin Johanna Franziska von Rehling, die allerdings nur einen sehr beschränkten Zeitraum beleuchten, ergeben folgendes Bild. Die Chorfrauen aßen regelmäßig Suppe und vorwiegend Fisch oder Krebse, Gemüse und Teigwaren bzw. Mehlspeisen. Ein Abendessen im September 1660 bestand beispielsweise aus Eiersuppe, Krebsen, Rüben und gebackenen Hasenöhrln. Die Schwestern scheinen nur die letztgenannte Mehlspeise erhalten zu haben. Ein anderes Menü der Chorfrauen enthielt Prennsuppen (Einbrennsuppe), Hecht, anderen Siedfisch und Kraut, während den Schwestern gewirfelte Nudeln aufgetragen wurden. Was als Abendessen am 9. März 1660 aufgetischt wurde, ist genau überliefert: den Chorfrauen ein gute Collation Semeln, den Schwestern Prözn22.
Wenn aber die Hauptmahlzeit der Chorfrauen anscheinend vielfältiger ausfiel als die der Laienschwestern, so durften sich die letzteren dafür meistens auf ein kräftigeres Mittagessen freuen. Die Äbtissin Johanna Franziska von Rehling machte sich nämlich Sorgen wegen der großen Ausgaben für Rindfleisch, das man regelmäßig für das Mittagessen der Laienschwestern und den Mittagstisch der Herren, also der Beichtväter und Offizialen, aber offenbar nicht für das der Chorfrauen, teuer einkaufen musste.23 Bei den nach der Reform häufigeren Visitationen wurden Laienschwestern regelmäßig gefragt, ob sie ausreichend mit Nahrung versorgt seien. Auch wenn man die stets positiven Antworten immerhin mit Vorsicht genießen muss, so deutet manches darauf hin, dass sie der Realität entsprachen. Bei der Klostervisitation von 1655 berichtete die Köchin Erentrudis Kendlinger von kräftiger Kost für die Laienschwestern, die aber neben den ganz deftigen Speisen auch Leichteres enthielt: Die Schwestern erhielten demnach zu Mittag Knödel (offa), Fleisch, Blattgemüse oder Salat (herbam) und ein Gericht aus Gerste, dazu selbstverständlich Bier oder Wein.24 Dass die Laienschwestern keine Not litten, wird dadurch bestätigt, dass viele ein für die Zeit erstaunlich hohes Alter von über siebzig oder sogar achtzig Jahren erreichten.
Die Prinzipien der Haushaltsführung im 18. Jahrhundert waren jenen der Äbtissin Johanna Franziska recht ähnlich. Dies zeigen ein Band handgeschriebener Auszüge25 aus Conrad Haggers 1718 erschienenem Kochbuch sowie die späteren Aufzeichnungen der Küchenmeisterin Marianna von Wicka.26 Da ging es nicht darum, Fastengebote durch raffinierte Zubereitung ausgesuchter Leckerbissen zu umgehen, wie es manchmal als Schwerpunkt der barocken Klosterküche angenommen wird. Der alltägliche Gebrauch der Nonnberger Küche war von ganz anderen Prinzipien geprägt. Zwar wird berichtet, dass alle Nonnen, einschließlich der Laienschwestern, zu besonderem Anlass ein ansehnliches Stück gebratenen Fleisches, meist Kapaun, erhielten. Bezeichnenderweise geschah dies vor allem zu Zeiten, an denen eine Profess oder ein Jubiläum zu feiern war. Denn dann spendierte die Familie der betreffenden Nonne das Festessen, und zwar für Chorfrauen wie für Laienschwestern, wie Küchenmeisterin Marianna von Wicka berichtete.27 Doch an den meisten Tagen war von Opulenz keine Rede. Nicht nur an Fasttagen suchte man mit billigeren Zutaten zu kochen, Produkte aus eigener Produktion zu verwenden, teurere Ingredienzien nach allen Regeln der Kunst zu strecken, und alle Ressourcen bestmöglich zu nutzen.
Nicht von ungefähr kamen in der erwähnten handgeschriebenen Rezeptsammlung, wie allerdings auch in Haggers Kochbuch, die Suppen gleich am Anfang und nahmen breiten Raum ein. In Suppen von Enten, Hasen, Krebsen, Karpfen und dergleichen gab man die Zutaten fein zerteilt bzw zerstoßen hinein, streckte mit Zutaten wie Eiern und klarer Suppe, und trieb das Ganze durch ein Tuch oder Sieb. Selbstverständlich gab es auch Gemüse-, Kräuter- und simple Einbrennsuppen, die fastentauglich waren und die man mit relativ billigen, selbst gezogenen Zutaten bereiten konnte. Nach den Suppen kamen gleich die Pasteten, von Wildpret, Geflügel und Fisch. Dafür wurden die proteinreichen Zutaten gut gewürzt bzw. gebeizt, dann aber oft mit billigerem Speck ergänzt, und schließlich in Teig eingewickelt gebacken, der ebenfalls aus weniger teuren Zutaten wie Schmalz und Mehl bereitet wurde. So ließen sich natürlich deutlich mehr Portionen servieren als bei einem einzeln gebratenen Fisch. Neben Suppen und Pasteten boten auch die sogenannten Dorten (heute würden wir eher Auflauf oder Frittata sagen) die Möglichkeit, feine Zutaten wie Krebse zu strecken beziehungsweise im Kloster oder Meierhof gewonnene Zutaten wie Eier, Kräuter und Spinat ausgiebiger zu nutzen. Ein Gutteil der Rezeptsammlung bezog sich auf fleischlose Speisen wie Eiergerichte, Milchkoch (Grieskoch) und ähnliche Gerichte.28
Die in Eierspeisen, Pasteten und Dorten, Knödeln und Mehlspeisen, aber auch in Suppen verwendeten Eier standen dem Kloster relativ reichlich und günstig zur Verfügung, denn der Meierhof lieferte regelmäßig Eier sowie Geflügel, sodass weniger Bargeld dafür aufging. Sogar am Nonnberg selbst hat man offenbar anno 1685 Federvieh gehalten, denn Schwester Maria Erentrudis Schrank ist uns in diesem Jahr als ministra gallinarum überliefert.29 Allerdings waren auch Eier nicht in rauen Mengen vorhanden. An einem Septembertag im Jahr 1660 lieferte der Meierhof beispielsweise sechzehn Eier,30 sicher nicht genügend, um allen am Nonnberg Verköstigten jeweils ein Ei zu servieren. Man kann wohl annehmen, dass Eier vor allem für Knödel, Nudeln, Aufläufe und Pasteten verwendet wurden und nur für die Kranken eigens gekocht wurden. Im Sparjahr 1661 befand die Äbtissin sogar, dass bei der Fütterung mit Hafer zu viel aufginge und man das “Hennenvieh” im Kloster und am Meierhof reduzieren müsse. Man solle nur so viel man halten kann erhalten und die überzähligen nach und nach hinwegnehmen.31 Die Rezeptsammlung und Aufzeichnungen der Küchenmeisterin im 18. Jahrhundert lassen vermuten, dass Geflügel, vor allem gebratener Kapaun, bei besonderen Anlässen die beliebteste Fleischspeise war, die aber, wie gesagt, dem Kloster gespendet wurde.
Vielleicht hat man aber auch Äbtissin Johanna Franziskas Entschluss langfristig befolgt und tatsächlich Kälber angekauft, im Meierhof Rinder gehalten und dort geschlachtet. Denn unter den von den Nonnen exzerpierten Rezepten erklären etliche die Zubereitung von Rindfleischspeisen. Allerdings lässt sich auch hier ein deutlicher Hang zur Sparsamkeit erkennen. Zwar findet sich vereinzelt ein gesottener Brustkern und gerollter Braten, doch weitaus zahlreicher sind Rezepte, die wiederum das Streben nach möglichst effizienter Nutzung erkennen lassen: Hirn in Schmalz gebacken, gefüllter Ochsenmagen, Zunge gesotten und gespickt, Kuttelfleck in Speck, gefüllte Ochsenohren, Ochsenmaul in Ragu oder Fricassé, Euter auf dem Rost gebraten oder Euter in einer sauren Zwiebelbrühe.32 Heute zumindest entspricht das nicht unbedingt dem Menü eines Haubenrestaurants.
Was die Trinkgewohnheiten der Nonnen betrifft, so war den Chorfrauen eine Ration Wein erlaubt und es wurde erst im Sparjahr 1661 eine gewisse Einschränkung bei den Laienschwestern eingeführt. Äbtissin Johanna Franziska ordnete an, den Schwestern nit Bier und Wein zugleich [zu] geben, sondern wie es einer jeden tauglicher ist, Wein allein, oder Bier allein und nit über die bewilligte Maß schreiten33. Anscheinend hatten manche Schwestern das rechte Maß manchmal überschritten, wenn man Schwester Susanna Feichtners Andeutungen bei der Visitation von 1655 Glauben schenken kann. Die Visitatoren sprachen das Problem offenbar an, denn eine Schwester versicherte ausdrücklich, sie bliebe stets bei einem Viertel Wein.34
Dass der Wein überhaupt so reichlich fließen konnte, lag daran, dass Stift Nonnberg von den eigenen Besitzungen in Unterwölbling und Arnsdorf beträchtliche Weinlieferungen erhielt. Diese waren so ausgiebig, dass bis um 1630 Bürger der Stadt beim Kloster selbst sehr günstig Wein erhalten konnten, solange der klostereigene Vorrat reichte. Der Chronist Esterl besteht darauf, dass es dennoch keine “ordentliche Schank” beim Kloster gegeben habe, und dass man nur verkaufte, solange der eigene Vorrat reichte, und zwar an “Bürger die in den Sommermonaten vom Spaziergange heimkehrten.” Dieser Brauch nahm jedoch ein jähes Ende, als der Erzbischof um 1632 wegen der nahenden Kriegsgefahr das Tor gegen Nonntal vermauern ließ. Die damalige Äbtissin Eva Maria Fleisch von Lerchenberg stellte daraufhin das Ansuchen, den überschüssigen Wein in der Stadt ausschenken zu dürfen. Der Hofrat und das Konsistorium gaben ihre Bewilligung im April 1633. Aber die Stadtwirte waren über die Nonnberger Konkurrenz alles andere als begeistert. Man einigte sich schließlich auf einen Kompromiss. Dem Stift wurde bewilligt, einen Keller anzumieten und dort Wein auszuschenken, doch ohne auszuspeisen und zu beherbergen. Dieses wurde einige Jahre forgesetzt, und später auch auf den Tirolerwein ausgedehnt, welchen das Kloster an Zahlungsstatt hatte übernehmen müssen”.35
Heilen: Krankenkost und Apotheke
Dem diesbezüglichen Gebot der Benediktusregel folgend, nahm man auch in Stift Nonnberg beim Essen und Trinken auf die Kranken stets Rücksicht. Die Kranken erhielten ihre Mahlzeiten meist außerhalb des Refektoriums in der Krankenstube. Bei Fastengeboten wurden selbstverständlich Ausnahmen gemacht, und die Kranken erhielten auch sonst eigens zubereitete Speisen. Da Eier allgemein als besonders bekömmlich und leicht verdaulich angesehen wurden,36 überrascht es nicht, dass Eiermändl (vermutlich pochiertes Ei oder gerührte Eierspeise) speziell den Kranken serviert wurde.37
Eine standesmäßige Trennung zwischen Chorfrauen und Laienschwestern in der Krankenkost ist nicht überliefert. Die Pflege der Kranken lag auch nicht ausschließlich bei Laienschwestern, wie manchmal angenommen wird. Unter den Chorfrauen, die im 17. Jahrhundert in der Krankenpflege tätig waren, ist beispielsweise Eva Maria Fleisch von Lerchenberg erwähnenswert, die zur Äbtissin gewählt wurde. Eine barocke Darstellung der Gründungsäbtissin Erentrudis als Mutter der Armen und Kranken zeigt, dass die Pflege der Kranken als wichtige Aufgabe der Nonnberger Benediktinen angesehen wurde.38
Zusätzlich zur heilungsfördernden Kost verabreichte man Heilmittel, die teils in der Nonnberger Apotheke selbst hergestellt, teils von Apothekern gekauft oder von Ärzten mitgebracht wurden. Dass viele Klöster, und Frauenklöster im Besonderen, für die Herstellung von Heilmitteln bekannt waren, braucht kaum erwähnt zu werden. So überrascht es nicht, dass Stift Nonnberg einen Kräutergarten hatte, der zweifellos sowohl der Küche wie der Apotheke diente. Die Nonnberger Apotheke war aber insofern eine Besonderheit, als sie im 17. Jahrhundert von geschulten Apothekerinnen geführt wurde, die ihre verbriefte Ausbildung in der väterlichen Apotheke erhalten hatten. Sie waren meist bürgerlicher Herkunft, doch wurden ihre Kenntnisse am Nonnberg so hochgeschätzt, dass die Apothekerinnen den adligen Chorfrauen formal nahezu gleichgestellt waren. Dies ist gerade für die Mahlzeiten überliefert, denn wie bereits erwähnt aßen die Apothekerinnen zugleich mit den Chorfrauen. Gerade durch die Apotheke wirkte das Kloster auch nach der Einführung der strengen Klausur nach außen in seiner angestammten Mission der Fürsorge für Arme und Kranke, denn Bedürftige erhielten hier Heilmittel umsonst, und zwar bis ins 20. Jahrhundert.39
Schenken
Eine wichtige Rolle spielten Lebensmittel und Speisen seit jeher im Austausch von Geschenken, und damit wiederum als Medium, durch das die Abgrenzung des Klosters nach außen überwunden wurde. Das Schenken war natürlich eine Angelegenheit, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Dies lässt sich besonders im Falle des Erzbischischofs belegen. Seine Gaben waren nicht unbedingt Lebensmittel, hatten aber manchmal mit dem Essen zu tun. Erzbischof Paris Lodron finanzierte beispielsweise dem Kloster ein neues Refektorium, und dazu spendete er noch eine größere Küche.40 Bereits erwähnt wurde, dass Äbtissin Johanna Franziska vom Erzbischof erhaltenes Wildpret 1660 mit anderen Frauen beim Aderlass verzehrte. Die Art des Geschenks war natürlich kein Zufall. Da die Jagd meist exklusives Privileg des Adels war, wurde Wildpret zum sichtbaren Symbol für Macht und Status, ein wahrhaft fürstliches Geschenk also.41 Übrigens wurden nur zwei bratne Stickerl beim Aderlass verzehrt. Den größeren Teil ließ Frau Äbtissin am folgenden Tag für die Herren und den Konvent zubereiten.42 Man wird annehmen können, dass sich das Wildpret dort in Pasteten wiederfand.
Bei der gleichen Gelegenheit übermittelte der Erzbischof noch 24 Zitronen (lemoni), von denen die Äbtissin den Großteil für ihren Haushalt behielt.43 Auch die Südfrüchte waren natürlich in Salzburgs nördlichem Klima nicht für jedermann erhältlich. Dennoch waren Zitronen offensichtlich in der Handelsstadt Salzburg erhältlich, denn Conrad Haggers Saltzburger Kochbuch wie auch die Nonnbergschen Auszüge daraus umfassen eine Reihe von Rezepten, die Zitronen enthalten. Man hielt Zitronen beziehungsweise deren Saft schon damals für gesund. Den Saft reichte man besonders zu Fisch, da man glaubte, dass die Säure Fisch leichter verdaulich mache.44 Man kann sich also denken, dass bei der fischreichen Kost am Nonnberg Zitronen von besonderem Nutzen waren.
Erhielt das Kloster von Zeit zu Zeit Lebensmittel als Geschenk, so waren es gerade auch im Kloster hergestellte Speisen, die als Geschenke nach außen übermittelt wurden. Dass insbesondere Mehlspeisen, oft von Frauen hergestellt, als Geschenke eine wichtige Rolle spielten und natürlich auch symbolische Bedeutung hatten, ist längst nachgewiesen, verdient aber weitere Studien.45 Natürlich orientierten sich die Geschenke am Jahreskreis beziehungsweise am liturgischen Kalender. Äbtissin Johanna Franziska notierte zu Neujahr 1661 dass man für das Kloster bedeutenden Persönlichkeiten Geschenke übermittelte, die durchwegs auch im Kloster hergestellte Mehlspeisen enthielten. Die Geschenke waren natürlich nach Rangordnung abgestuft. Dem Fürsterzbischof sandte das Stift neben zwei Dukaten, einem Beutel von rotem Atlas und einem Paar Handschuhen ganze 21 Lebzelten. Der Hofrichter erhielt nur einen Dukaten und ein Paar Handschuhe, dazu Lebzelten und Krapfen. Auch der Bischof von Chiemsee erhielt vergleichbare Geschenke.46
Wie Äbtissin Johanna Franziska 1660 auch notierte, war es in der Fastenzeit üblich, große Mengen im Kloster gebackener Krapfen auszuschicken, und zwar an umliegende Klöster, den Magistrat und einzelne Bürger oder Bürgerinnen der Stadt. Als fleischlose Mehlspeise, die kalt gegessen wurde, stellten die Krapfen eine Fastenspeise dar, die natürlich auch am Nonnberg selbst in der Fastenzeit verzehrt wurde. Wenn uns heute eine Portion Krapfen nicht gerade als Kasteiung erscheint, so muss man bedenken, dass dies keine Nachspeise, sondern die ganze Mahlzeit war und sonst nichts gereicht wurde. An nicht wenigen Tagen waren Krapfen dann überhaupt die einzige Mahlzeit. Bei der großen Zahl der Rezipienten überrascht es nicht, dass das Krapfenbacken für das Kloster einen beträchtlichen Aufwand darstellte, an Ressourcen, aber besonders an Zeit und Organisation. Marianna von Wicka, Küchenmeisterin von 1763 bis 1772, beschrieb die mehrere Tage und Nächte dauernde Prozedur, wobei auch beachtet werden musste, dass man die Schwestern möglichst wenig von den Messen und Tagzeiten abhielt. Etliche Teige wurden in ununterbrochener Folge vorbereitet und gebacken, wobei jeweils zwei Schwestern mehrere Phasen betreuten und zu bestimmten Zeiten – z.B. zwischen 3 und 4 Uhr Früh – abgelöst wurden, sodass sie dann ungehindert dem Conventamt beiwohnen konnten.47
Abgesehen von langer Tradition – war dieser Aufwand gerechtfertigt, und wie stand es mit der Speisung der Armen? Dazu ist zu sagen, dass das Kloster natürlich auch Speisen an Arme ausgab, wie immer wieder aus kurzen Hinweisen in den Quellen zu ersehen ist. Beispielsweise enthalten die Ausgaben für Lebensmittel, die die Äbtissin Johanna Franziska verzeichnete, auch den Eintrag für die Armen48. Da diese Ausgaben regelmäßig und selbstverständlich erfolgten, wird darüber nicht ausführlich berichtet. In großem Rahmen waren Ausspeisungen jedoch schon durch die Klausur schwer möglich. Weiters war das Kloster zu allen Zeiten, aber noch mehr nach Einführung der strengen Klausur, stark abhängig von der Unterstützung der Außenwelt – des Erzbischofs, umliegender Klöster, aber auch einzelner Gönner. So ist einsichtig, dass Stift Nonnberg zu üblichen Zeiten und zweifellos nach altem Brauch kleine Geschenke an bestimmte Personen übermittelte, um sich weiterhin ihrer Unterstützung oder gedeihlicher Zusammenarbeit zu versichern.
Zusammenfassung und Ergebnisse
Außer Zweifel steht, dass Speisen sowie der Ausschank von Wein und die Ausgabe von Arzneien dazu beitrugen, die klausurbedingte Isolation des Klosters zu überwinden. Was die Mahlzeiten im Inneren betraf, so wurden zwar in der frühen Neuzeit standesmäßige Unterschiede zwischen Chorfrauen und Laienschwestern durch getrennte Mahlzeiten und auch manche Unterschiede im Speisezettel beobachtet. Dennoch gab es zahlreiche Ausnahmen und wurden vielfach gemeinsam die gleichen Speisen verzehrt, sodass also Mahlzeiten vielfach auch zur Überbrückung sozialer Schranken beitrugen.
Der klösterliche Haushalt und die Nonnberger Küche waren im 17. und 18. Jahrhundert nicht darauf angelegt, einer kleinen Gruppe adliger Frauen Gelegenheit zu kulinarischer Ausschweifung zu geben. Soweit es sich feststellen lässt, wurden Fasttage und Fastenzeiten ohne Spitzfindigkeiten eingehalten, doch ging es auch nicht um extreme Askese. Man machte vernünftige Ausnahmen und wusste Feste zu feiern. Gerade zu besonderen Anlässen erhielten auch Laienschwestern ein Festessen und konnten sich wie die Chorfrauen beispielsweise an gebratenem Kapaun delektieren. Wurden Gelübde oder Jubiläen gefeiert, erzielte man kulinarische Reichhaltigkeit ohne zusätzliche Kosten für das Kloster, denn die Familien der betreffenden Chorfrauen oder Schwestern spendierten die Zutaten. Wenn auch im Allgemeinen eine klare Rangordnung bestand, so wurde darauf geachtet, dass die Laienschwestern gut versorgt waren und, wie es scheint, wegen ihrer schweren Arbeit kräftiger verpflegt wurden als die Chorfrauen. Bürgerliche mit wertvoller Ausbildung, namentlich Musikerinnen und Apothekerinnen, speisten überhaupt zugleich mit den Chorfrauen und waren diesen in Bezug auf die Mahlzeiten gleichgestellt.
Die sprichwörtliche Klostersuppe war in der Tat allgegenwärtig, aber mit Abwechslung durch die unterschiedlichsten Zutaten. Die deftigere Kost der Laienschwestern enthielt zu Mittag oft Knödeln und Rindfleisch, dazu Bier oder Wein. Generell wurden nach Möglichkeit eigene, “erneuerbare” Produkte wie Gemüse und Eier verwendet, während teure und eher seltene Ingredienzien, namentlich Fleisch und auch Fisch, oft auf mannigfache Weise gestreckt wurden, vor allem in Suppen, Pasteten und Auflauf (Dorten). Für gewöhnlich wurde jeder erdenkliche Teil genützt und essbar gemacht, während feine, große Bratenstücke besonderen Anlässen vorbehalten blieben.
Generell könnte man also sagen, dass Küchenführung und Speisezettel vom liturgischen Kalender sowie vom Bemühen auf Abwechslung bestimmt waren, vor allem aber auch von dem Bestreben, Ressourcen möglichst effizient einzusetzen und die wirtschaftliche Grundlage des Klosters auch in Zukunft sicherzustellen. Damit folgte man Strategien, die durchaus derzeit diskutierten Prinzipien erfolgreicher Betriebsführung ähneln. Frühneuzeitliche Äbtissinnen und Amtsfrauen führten die Klosterküche in einer Weise, welche die Grundbedürfnisse der Nonnen, einschließlich der Laienschwestern, deckte und sogar aus gegebenem Anlass mit festlichen Menüs darüber hinausging. Man behielt dabei aber den kirchlichen Jahreskreis mit seinen zahlreichen Fasttagen und damit des Klosters immaterielle Werte, also seine geistlich-spirituelle Mission, stets im Blick und war darauf bedacht, den Bestand des Klosters langfristig zu sichern. Diese Strategie war also einer heute besonders beachteten Form sozialer Gerechtigkeit verpflichtet, nämlich der Generationengerechtigkeit.
Für die Prinizipien, welche die Klosterküche am Nonnberg in der frühen Neuzeit leiteten, drängt sich ein Terminus auf, der derzeit als Inbegriff vorbildlicher Unternehmensführung gilt, nämlich der Begriff der Nachhaltigkeit. Übrigens wird nach diesem Prinizip schon seit Jahrzehnten der zum Stift Nonnberg gehörige Erentrudishof geführt. Dass aber am Nonnberg nachhaltig gewirtschaftet wurde, lässt sich bei einer mehr als tausendjährigen Geschichte recht überzeugend behaupten.
1 Silvia EVANGELISTI, To Find God in Work? Female Social Stratification in Early Modern Italian Convents. European History Quarterly 38 (2008) 401.
2 H.J. SCHROEDER (Hg. und Übers.), Canons and Decrees of the Council of Trent. Original Text with English Translation (St. Louis, MO 1955) 220.
3 Sharon T. STROCCHIA, Nuns and Nunneries in Renaissance Florence (Baltimore 2009) 84; K.J.P. LOWE, Nuns’ Chronicles and Convent Culture in Renaissance and Counter-Reformation Italy (Cambridge 2003) 132.
4 EVANGELISTI, To Find God (wie Anm. 1) 411.
5 Franz ESTERL, Chronik des adligen Benediktiner-Frauen-Stiftes Nonnberg in Salzburg. Vom Entstehen deßelben bis zum Jahre 1840 aus den Quellen bearbeitet (Salzburg 1841) 112.
6 EVANGELISTI, To Find God (wie Anm. 1) 408.
7 Nonnberg Archiv (im Folgenden NA) 8, 184 III, Reformation Puncten, 2.Teil, 7. Capitel. Die Vorschriften über das Essen und Trinken sind im zweiten Teil, der das Klosterleben betrifft, genau ausgeführt. Der erste Teil regelt den Gottesdienst im engeren Sinn, also Tagzeiten und dergleichen. Von dem umfangreichen, handgeschriebenen Regelwerk sind mehrere Abschriften vorhanden, mit leichten Unterschieden in Details und in der Anordnung. Ein Auszug, der die für den täglichen Gebrauch wesentlichen Inhalte festhält (NA 8, 184 Aa 3) ist teilweise widergegeben in: Anna VON BOLSCHWING, Eva Maria Fleisch von Lerchenberg, geb. Rettinger, Äbtissin des Benediktinerinnenstiftes Nonnberg in Salzburg (Diss. phil. Univ. Wien 1946) 79–84. Mein herzlicher Dank gilt Sr. M. Maura Promberger, OSB, von Stift Nonnberg, die meine Arbeit zu Nonnberger Archivalien freundlich ermöglicht und wesentlich bereichert hat.
8 Archiv der Erzdiözese Salzburg (im Folgenden AES), ehemals Konsistorialarchiv (KAS) 11/24, Benediktinen Nonnberg, Visitation 1655; vgl. Barbara LAWATSCH MELTON, Loss and Gain in a Salzburg Convent. Tridentine Reform, Princely Absolutism, and the Nuns of Nonnberg (1620 to 1696), in: Lynne TATLOCK (Hg.), Enduring Loss in Early Modern Germany. Cross Disciplinary Perspectives (Leiden, Boston 2010) 264, 270–274.
9 NA 5. 94, II a, Aufzeichnungen der Küchenmeisterin Marianna von Wicka (Seint von 1763 bis 1770 unterschiedliche Begebenheiten und Veränderungen der Jahreszeiten zu finden) 7.
10 AES 11/24, Benediktinen Nonnberg, Visitation 1658.
11 Ebd., Visitation 1655.
12 BOLSCHWING, Lerchenberg (wie Anm. 7) 54; ESTERL, Chronik (wie Anm. 5) 123–24.
13 NA V, 87 Ad, Aufzeichnungen der Äbtissin M. Johanna Franziska von Rehling, 5.
14 Ebd., S. 19.
15 AES 11/24, Visitation 1655.
16 NA 6, 105 I Rotln 1635–1738 (1686).
17 NA V, 87 Ad, Rehling, passim.
18 Ebd., 26–28.
19 Ebd., 29.
20 NA 8, 184 III., 2. Teil, 7. Capitel, Abschnitte 5–6.
21 Ebd., Abschnitte 3–6.
22 NA V, 87 Ad, Rehling, 15f., 22.
23 Ebd., 22.
24 AES 11/24, Visitation 1655.
25 NA 5.94, III a. Kochbuch mit handschriftlich exzerpierten Rezepten aus: Conrad Hagger, Neues Saltzburgisches Koch-Buch (Augsburg 1718). Haggers Ausgabe von 1718 ist noch im Kloster vorhanden (NA 5. 94, III d).
26 NA 5. 94, II a.
27 Ebd., 7.
28 NA 5.94, III a.
29 AES 11/24, Visitation 1685.
30 NA V, 87 Ad, Rehling, 18.
31 Ebd., 27.
32 NA 5, 94, III a.
33 NA 8, 184 III. Reformation Puncten, zweiter Teil, 7. Capitel, Abschnitte 9–10; NA V, 87 Ad, Rehling, 28.
34 AES 11/24, Visitation 1655.
35 ESTERL, Chronik (wie Anm. 5) 125–126.
36 Ken ALBALA, Food in Early Modern Europe (Westport, Connecticut–London 2003) 79.
37 NA V, 87 Ad, Rehling, 15.
38 BOLSCHWING, Lerchenberg (wie Anm. 7) 20; Kurt GANZINGER, Die Hausapotheke des Benediktiner-Frauenstiftes Nonnberg in Salzburg. Österreichische Apothekerzeitung (1950) 459.
39 Irmgard SCHMIDT-SOMMER–Theresia BOLSCHWING, Frauen vor Gott. Geschichte und Wirken der Benediktinerinnenabtei St. Erentrudis auf dem Nonnberg in Salzburg (Salzburg 1990) 83.
40 ESTERL, Chronik (wie Anm. 5) 114.
41 Ken ALBALA, Food in Early Modern Europe (Westport, Connecticut 2003) 64.
42 NA V, 87 Ad, Rehling, 19.
43 Ebd.
44 ALBALA, Food (wie Anm. 41) 51.
45 Sheilagh OGILVIE u.a., Women and the Material Culture of Food in Early Modern Germany. Early Modern Women: An Interdisciplinary Journal 4 (2009) 151f.
46 NA V, 87 Ad, Rehling, 7.
47 NA 5. 94, II a, 1–3.
48 NA V, 87 Ad, Rehling, 14.