Kirchenpädagogik als Ordensentwicklung
Vortrag beim Kulturtag im Rahmen der Herbsttagung der Orden am 29. November 2017 in Wien.
Zusammenfassung:
Im Jahr 2002 formulierte der deutsche Bundesverband Kirchenpädagogik e.V. acht Thesen, um Sinn und Ziel seiner Arbeit zu definieren.1 Sr. Ruth Pucher MC übertrug die Thesen auf den Kontext Klöster und Ordensgemeinschaften und zeigt in ihrem Beitrag auf, dass die Kirchenpädagogik ein Instrument zur Ordensentwicklung geworden ist. Sie fragt, ob die Bezeichnung „Ordenspädagogik“ hilfreich sein könnte und stellt die Chancen dieser Arbeitsweise dar.
Kirchenpädagogik …
… bringt Mensch und Kirchenraum in Beziehung.
Mit Blick auf die Ordenswelt sollte der Aktionsradius der Kirchenpädagogik, um den Lebens- und Arbeitsbereich der Ordensmitglieder erweitert werden: Kirchenpädagogik bringt Menschen mit Kirchenräumen und Klöstern in Beziehung.
Eine Beziehung aufzubauen, ist ein langsamer Prozess, der behutsam gestaltet werden will. Was für Kirchenbauten gilt, kann auf Klöster und Ordenshäuser übertragen werden: Zuerst sollte gemeinsam der Außenbau wahrgenommen werden, dann erst ergeht die Einladung, das Innere zu betreten. Der bewusste Schritt über die Schwelle, ein Halt im Eingangsbereich, ein Gespräch mit der Pfortenschwester – es gibt viele Möglichkeiten, um den Ortswechsel bewusst zu vollziehen.
Für den Außenbereich haben sich folgende Angebote bewährt: Einzeln oder gemeinsam Kirche oder Klosterkomplex umrunden, ihre Größe und Anbindung wahrnehmen, ihre Verortung in der Landschaft, in den Himmelsrichtungen erkennen, markante Punkte thematisieren, Vergleiche suchen: „Die Kirche/das Kloster wirkt auf mich wie ...“
Im Innenraum sollte der erste Eindruck versprachlicht werden: Wie ist die Lichtsituation, die Temperatur, der Geruch? Heinrich Böll verband z.B. in seinem Roman „Ansichten eines Clowns“ Klöster stets mit dem Geruch von gekochtem Kohl. Es kann hilfreich sein, Eigenschaftswörter anzubieten, sozusagen den Gästen Sprache zu leihen, sei es mit einer Liste von Worten oder Wortkarten. In Kirchenräumen wählen Menschen gerne ihren Lieblingsplatz. Dieser kann mit einer Kerze markiert werden. Ein anschließendes Interview „Warum haben Sie diesen Platz gewählt?“ ist ein Beginn, der den BesucherInnen signalisiert, dass sie als Individuen willkommen und gefragt sind.
… bedeutet raum- und erfahrungsbezogenes Arbeiten.
Wo auch immer möglich, sollten die BesucherInnen die Chance erhalten, Räume zu begehen und ihre Nutzung nachzuempfinden! Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein Kreuzgang nur von einer Seite her eingesehen und kommentiert oder tatsächlich rundum abgeschritten wird. Für die meisten Gäste sind die Dimensionen der Ordenshäuser ungewohnt: die Weite der Gänge, die Höhe der Räume, die differenzierte Raumaufteilung. Vielleicht kann die Gruppe im Refektorium Platz nehmen und dadurch leibhaftig erleben, wie man zu Tisch sitzt ohne Gegenüber, im Schweigen, mit Tischlesung. Oder wie wenige Tische heute genügen, um alle Konventmitglieder aufzunehmen – im Vergleich mit der Erbauungszeit. Die Sitzordnung zu Tisch oder beim Gebet kann viel von monastischer Denkweise erschließen: Lebensalter ist nicht gleich Ordensalter, Amt geht vor Alter. In manchen Räumen ist es förderlich, unterschiedliche Blickwinkel einnehmen zu lassen. Dazu können besonders sehenswerte Orte oder Blickrichtungen am Boden markiert werden. In Kirchenräumen lohnt es sich, verschiedene Atmosphären des Raumes auszuloten, z.B. durch die Einladung, je einen Ort aufzusuchen, der „Geborgenheit“, „Freiheit“, „Bestärkung“, ja „Gottesnähe“ vermittelt. Ein Gespräch in Kleingruppen im Anschluss an eine solche Übung bewirkt eine Vertiefung der Wahrnehmungen.
Oder: Wie verändert sich die Sitzordnung einer Gemeinschaft im Kirchenraum in Abhängigkeit zur jeweiligen Nutzung? Die Ordensmitglieder wählen unterschiedliche Sitzplätze je nachdem, ob sie zur privaten Andacht, für eine Gebetszeit mit der Gemeinschaft oder zur Eucharistiefeier zusammenkommen: „Welchen Platz würden Sie wählen?“ Fragen wie diese aktivieren die Gäste und verbinden sie mit dem Klosteralltag. Liturgische Körperhaltungen (stehen, sitzen, knien, gehen, vielleicht sogar liegen) können mit den BesucherInnen im Raum ausprobiert werden. Akustische Proben (den Schritten lauschend, stimmlich, mit Instrumenten) vermitteln eine zusätzliche Dimension. In vielen Fällen ist es ergiebig, die Vielfalt bzw. Einheit der verwendeten Materialien und ihrer Qualitäten (hart, weich; kalt, warm; hell, dunkel; offen, dicht) zu thematisieren. Oft können Ausstattungsstücke angefasst und so anders begriffen werden, z.B. ein Türstock, der viel strapaziert wird, aus echtem Marmor im Vergleich zu den dekorativen Säulen aus Stuckmarmor oder gefasstem Holz.
… eröffnet Zugänge zu religiösen Erfahrungen.
Der Raum und die Stille wirken ohne das Zutun der KirchenpädagogInnen bzw. KlosterführerInnen! Das gilt nicht nur für explizit sakrale Räume, sondern auch für Klosterhöfe und -gärten. Deshalb gilt es, möglichst gute Bedingungen zu schaffen, damit Menschen das Vorhandene erleben können. Entschleunigung, Reduktion und Fokussierung helfen dazu enorm. Weniger ist in diesem Fall mehr! Die KirchenpädagogInnen sind vor allem ModeratorInnen dieses Prozesses. Im Kirchenraum wie in den Hausgängen heißt das: Nicht alle Heiligenstatuen benennen, sondern eine, welche die für die jeweilige Gemeinschaft aussagekräftige Legende möglichst plastisch erzählt. In Entsprechung haben hier auch Berufungsgeschichten von Ordensmitgliedern Platz: Wie haben sie Zugang gefunden zu Gott, zu ihrem Auftrag in der Welt? Auch Ordensregeln sind oft leicht zu übersetzen als Lebensregeln für alle Menschen, die friedlich auf unserem Planeten zusammenleben wollen.
Erkundungsfragen für den zweiten Blick könnten sein: Was ist mir persönlich kostbar? Welches Bild von Gott spricht mich an? Worauf möchte ich in diesem Raum unter keinen Umständen verzichten? Zur Vertiefung bietet es sich an, Erzähl- und Anhörrunden einzubauen. Bei vielen Menschen – auch bei Ordensmitgliedern – besteht eine Scheu, über den eigenen Glauben zu sprechen. Nur weil man nicht Theologie studiert hat, ist das aber kein Grund für Enthaltung in Glaubensfragen. Junge Leute, die Gott in ihrem Leben entdeckt haben, drängt es danach, auf Menschen zu stoßen, die Glaubenserfahrung haben und darüber reden. Wer in Ich-Aussagen spricht, bleibt auf sicherem Boden. Gerade scheinbar „einfache Einsichten“ können anderen Menschen Brücken zu eigenen Glaubensentdeckungen bauen. So kann man Zeugnis geben, indem man z.B. sagt: „Für mich ist dies ein Zeichen der Hoffnung.“ Oder: „Als Franziskanerin glaube ich, dass …“ Viele Gäste sind auch froh, wenn sie Hilfestellung erhalten, wie sie hier und jetzt „religiös“ sein können: „Wer möchte, kann eine Kerze anzünden und dabei ein Gebet sprechen – laut oder leise.“ Oder: „In der Stille können nun unsere Gedanken als Gebete zu Gott aufsteigen.“ Oder: „Mit diesem Lied können wir unserer Dankbarkeit für unser Leben Ausdruck verleihen und Gott loben.“ Dabei sollten jedoch alle Angebote auf Freiwilligkeit beruhen, und die Möglichkeit, nicht mitzutun oder es anders zu machen, immer gegeben sein.
… arbeitet in methodischer Vielfalt.
Für die einen klingt dieser Satz einladend. Er verlockt sie zur Kreativität. Sie sind froh, dass die klassische Kirchenführung aufgebrochen wird durch interaktive Übungen und Anschauungsmaterialien. Den anderen macht der Satz Stress: „Ich habe keine Phantasie. Schon in der Schule sind mir die Ideen ausgegangen, wenn man bei Referaten kreativ sein sollte.“
Während man die einen vielleicht manchmal bremsen muss, damit ihre Kreativität nicht in Aktionismus ausartet, sondern stets das Ziel der Vermittlung im Blick behält, kann man die anderen vielleicht mit der Frage ermutigen, was sie gut können: „Was sind Ihre Stärken? Was passt zu Ihnen?“ Wenn jemand gerne Gedichte liest, könnte er zum Kirchenraum passende Gedichte auswählen und sie an markanten Orten vortragen, oder aber sie zur stillen Lektüre im Raum verteilen – sei es versweise oder als kompletten Text. Oder jemand hat ein Handwerk gelernt, das seinen Blick auf technische Details lenkt. Ich habe einmal in einer Kirche eine Spontanführung von einem Tischler erhalten, der mir aus dem Stegreif die Holz- und Furnierarten der Sakristeikästen benennen konnte. Für eine kirchenpädagogische Einheit könnte man Holzproben mitbringen und die TeilnehmerInnen suchen und unterscheiden lassen, welche Objekte aus welcher Holzart gefertigt sind – und warum. So prägt sich zum Beispiel spielend ein, dass das weichere Lindenholz filigranere Schnitzereien erlaubt als die harte Eiche.
Fast alles ist beim kirchenpädagogischen Arbeiten erlaubt, wenn Sie nur begründen können, warum Sie es tun. Mein Bruder ist Gas-Wasser-Installateur. Sein erster Blick in jeder Kirche gilt der Heizung. Auch aus solchen Beobachtungen lassen sich Schlüsse ziehen und z.B. restauratorische Überlegungen rund um das Raumklima darstellen. Auch ein Gespräch über unsere Erwartungshaltungen an Kirchenräume kann sich von der Sitzheizung ausgehend lohnen: Hoffen wir, das ganze Jahr über einen behaglichen wohl temperierten Raum wie unser eigenes Wohnzimmer vorzufinden oder darf es in der Kirche auch kalt sein, der Temperaturunterschied eine Herausforderung darstellen?
Als Kirchenpädagogin frage ich mich in der Ideenphase immer wieder: Warum möchte ich dieses oder jenes mit den TeilnehmerInnen machen? Wichtigstes Korrektiv dafür ist für mich die These von Holger Dörnemann geworden, der alle Bemühungen der Kirchenpädagogik in einem Satz zusammenfasst: „Ziel der Kirchenpädagogik ist es, Menschen zum Heiligen zu führen“2.
Was verhilft dazu am besten? Das eine Mal ist es eine Bibelstelle, auf die der Raum Bezug nimmt, und die ich den BesucherInnen näherbringen möchte; das andere Mal singen wir gemeinsam ein passendes Lied oder unternehmen eine Lichterprozession vom Eingang zum Altar. Eine Bildbetrachtung kann über das Sichtbare hinausführen, eine Zeitreise zur Einladung werden, scheinbar überholte Frömmigkeitsformen nachzuempfinden. Wir haben schon Heiligenfiguren ihre Abenteuer erzählen lassen, deren Körperhaltungen eingenommen oder ihre Geschichte mit verteilten Rollen als Stegreifspiel aufgeführt. Manchmal ist die Vorbereitung aufwendig, manchmal auch ganz einfach.
… braucht Zeit.
Eine Kirchenführung in Eile verfehlt ihren Zweck. Die meisten Menschen, die unsere Kirchen und Klöster besuchen, leben unter dem Diktat ihrer Termine und mit dem Gefühl, immer zu wenig Zeit zu haben. Oft wird dieser Druck auch im Urlaub erlebt. Die Liste der Sehenswürdigkeiten, die außerdem noch besucht werden müssen, „wenn man schon einmal da ist“, steht in Konkurrenz zum kirchenpädagogischen Arbeiten. Auch Einheimische, die kommen, suchen „das Besondere“, wollen vor allem Orte sehen, zu denen sie alleine keinen Zugang hätten. Eine „normale Kirchenführung“ wird zunächst als wenig attraktiv eingestuft. Bei beiden Zielgruppen versuche ich als Kirchenpädagogin, im ersten Kontakt Interesse zu wecken, die Menschen neugierig zu machen. Wenn mir das gelungen ist, lassen sich die meisten BesucherInnen dankbar auch auf längere Ausführungen ein, können dann doch mehr Zeit erübrigen. Wenn Vertrauen da ist, werden sie gerne involviert, und genießen es sogar, weniger mit mehr Zeit zu erleben. Und sollte für einen Besuch in der Kirche oder in einem Ordenshaus tatsächlich nur kurze Zeit verbleiben, weil der Bus dann wieder fährt oder die Leute zum Essen müssen, dann ist die Auswahl von zwei oder drei markanten Stationen umso angebrachter. Gerade das Wenige bleibt oft besonders gut in Erinnerung. Niemand prüft außerdem ab, ob „alles“ gesagt wurde. Sätze wie „Wenn wir uns beeilen, dann können wir auch noch dieses oder jenes sehen“, sollten grundsätzlich vermieden werden. Der Zeitplan einer Kirchen- oder Klostererkundung liegt bei der Vermittlungsperson. Die Gruppe sollte davon so wenig wie möglich mitbekommen. Es ist ein Geschenk an die Gäste, wenn sie Kirchenraum oder Kloster als „zeitlose Räume“ erleben dürfen, in denen ihr kleines Stück Lebenszeit gut aufgehoben ist.
Wer mehr Zeit zur Gestaltung hat, baue lieber Vertiefungsphasen ein, anstatt die Anzahl der Stationen beliebig zu steigern. Nach einem ersten Durchlauf könnte man z.B. die BesucherInnen einladen für einen zweiten Rundgang in eine andere Rolle zu schlüpfen, um mit den Augen eines Kindes, einer erkrankten Person oder eines Mitglieds einer bestimmten Berufsgruppe den Raum und seine Botschaften zu sehen und zu erleben. Auch kreative Angebote dienen der Vertiefung und brauchen immer Zeit: Verlorene Fensterscheiben können mit Buntstiften oder Transparentpapier neu gestaltet, Raumeindrücke in ein Gedicht gefasst oder Lieblingsobjekte abgezeichnet werden.
… wirkt nach außen.
Kirchen- und Klosterführungen bzw. vertiefende Angebote sind Formate, mit denen man an die Öffentlichkeit gehen kann und soll, wenn man will, dass sie bekannt werden – über den Freundeskreis oder die Gottesdienstgemeinde hinaus. Oft besteht in Ordensgemeinschaften eine gewisse Scheu, mit MedienvertreterInnen Kontakt aufzunehmen. Viele Ordensmitglieder zweifeln daran, dass eine säkulare Welt noch Interesse aufbringt für Kirchenräume, Klöster und Ordensleben. Manchmal werden auch die eigenen Räume, Kultobjekte und Lebensvollzüge als nicht herzeigbar empfunden. Das ist falsche Bescheidenheit. Wenn ich mir als Kirchenpädagogin die Mühe gemacht habe, über eine normale Führung hinaus Ideen zur besseren Erschließung der Räume zu entwickeln und umzusetzen, dann möchte ich auch, dass möglichst viele Menschen diese Chance nutzen und neue Perspektiven gewinnen können. Mit einem gemischten Publikum, das aus Zeitung, Radio, Internet oder via Social Media von einer Attraktion erfahren hat, wird kirchenpädagogisches Arbeiten umso interessanter. Immer wieder kommt es zu Überraschungen, bei denen ich selber dazulerne. Eine Landesausstellung in der Region oder ein Jubiläum der Stadt können geeignete Anlässe sein, dass Ordensgemeinschaften auch gezielt nicht religiös-motivierte Gruppen wie Schulklassen oder Vereine zu sich einzuladen, um ihre Kirche und/oder ihr Kloster zu besuchen. Es braucht dafür lediglich einen Aufhänger, der die Verbindung zum Thema herstellt.
Offene Türen und ein Präsenzdienst erhöhen die Attraktivität des Kirchenraumes in unaufdringlicher Weise. Vielleicht wird in einer Gemeinschaft das als eine Aufgabe für ältere Ordensmitglieder entdeckt, die sich ohnehin gerne in der Klosterkirche oder -kapelle aufhalten. Ist dies der Fall, sollte am Eingang darauf hingewiesen werden, damit die BesucherInnen wissen: Diese Schwestern sind ansprechbar. Sie können sich mit Fragen und Gebetsanliegen an sie wenden. Offene Kirchentüren ermöglichen auch, nach einer organisierten Kirchenerkundung wiederzukommen, alleine oder mit anderen, um sich an die Erfahrungen beim letzten Besuch zu erinnern, an andere zu vermitteln oder zu vertiefen.
… wirkt nach innen.
Kirchenpädagogik eignet sich für verschiedene Zielgruppen – auch für den eigenen Konvent, die Hausgemeinschaft des Klosters vor Ort! Oft meinen wir nur, den Raum, in dem wir seit vielen Jahren beten und feiern, zu kennen … Wie oft schon, konnte ich aber bei der Arbeit mit Ortsansässigen erstaunte Gesichter sehen. „Das habe ich mir noch nie so genau angesehen!“ oder „Ich dachte immer, das sei einfach nur dunkel.“ Ordensmitglieder entdecken durch den Blick anderer eine neue Wertschätzung für ihre Kirche und entwickeln oft eine Beziehung auch zu Objekten und Räumen, die ihnen bislang wenig oder gar nichts bedeuteten. Beobachtungsaufgaben bringen die Mitschwestern und -brüder in unkomplizierten Austausch untereinander. Oft werden in einem neuen Setting andere aktiv oder „kennen sich aus“, als es bei Tisch oder in sonstigen Gesprächsrunden der Fall ist. Ausgehend vom täglichen Gebrauch der Räume können bei einer kirchenpädagogischen Erkundung auch (liturgische) Gewohnheiten reflektiert und – fernab von Kapitelbeschlüssen – bei Bedarf, zumindest einmal in Gedanken, verändert werden: „Wie könnten wir es anders machen?“, „Was wäre, wenn wir das einmal ausprobierten?“ Solche spontanen Experimente, die aus einer gemeinsamen Erkenntnis erwachsen sind, können längst begrabene Ideen wieder ans Licht bringen und die Suche nach einer schöneren, stimmigeren Form der Liturgie wieder in Gang setzen. Die Arbeit mit „Einheimischen“ ist für mich immer auch eine Gelegenheit dazuzulernen. Und Eindrücke und Entdeckungen von Ordensmitgliedern lasse ich gerne auch in die Vermittlung an Gäste einfließen: „Eine der Schwestern meinte auf diese Frage hin …“
Die Öffnung der Klosterkirche für Externe bewirkt außerdem, dass die Gemeinschaften endlich umsetzen, was sie eigentlich schon immer machen wollten – sei es, das Gerümpel im Beichtstuhl zu entsorgen, die Beleuchtungssituation im Eingangsbereich zu verbessern oder das Gebet des Gründers auf Bildkarten drucken zu lassen.
… ist eine langfristige Investition in die kommende Generation.
So wie schon unter dem Punkt der Außenwirkung beschrieben, sei hier festgehalten, dass kirchenpädagogische Arbeit in Klosterkirchen und Ordenshäusern eine Initiative gegen das allmähliche Verschwinden der Orden aus der Gesellschaft ist. Mehr denn je sind heute Menschen mit Religionskompetenz gefragt. Ordensleute haben sie grundsätzlich, sind aber oft ungeübt, ihr Wissen in einer allgemein verständlichen Sprache auszudrücken. Kirchenpädagogik erlebe ich als Übungsfeld für eine bessere Sprachfähigkeit über den Glauben, die eigene Ordensspiritualität, den Sendungsauftrag, den Wert von Gemeinschaft überhaupt. Oft fehlt es vor allem Ordensfrauen, die nicht die Möglichkeit zur Sonntagspredigt haben, auch an Gelegenheiten, über diese Themen zu sprechen. Ordensfrauen und -männer haben aber etwas weiterzugeben, an unsere Mitarbeitenden, unsere Nachbarn, unsere Verwandten, Interessierte – ja, es gibt sie! Wenn alltägliche Begegnungsmöglichkeiten mit Ordensleuten in Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen und Pfarren weggefallen sind, können sich neue ergeben. Der Kairos muss allerdings am Schopf gepackt werden!
In diesem Beitrag habe ich aufgezeigt, was „Ordenspädagogik“ sein kann und welche Chancen darin für Gemeinschaften liegen. Ich erachte sie als ein wichtiges Instrument in der Begleitung von Ordensgemeinschaften, die sich ihrer Identität vergewissern wollen und nach zeitgemäßen Formen suchen, um mit Interessierten in Kontakt zu kommen.
Die „Kirchenpädagogik“ ist gerade dabei, bekannter zu werden. Auch wenn die Bezeichnung „Ordenspädagogik“ noch genauer beschreibt, was mit kirchenpädagogischem Arbeiten in Klöstern und Ordenshäusern gemeint ist, so halte ich es doch für praktikabler, auf diesen Namen zu verzichten, ohne seinen speziellen Fokus zu vernachlässigen. Ich wende die Arbeitsweise der Kirchenpädagogik an Standorten der Ordensgemeinschaften an.
Die noch junge Arbeitsgemeinschaft Kirchenpädagogik des Referats für die Kulturgüter der Orden in Österreich bietet dabei all jenen Unterstützung an, die das in ihren Klosterkirchen und Ordenshäusern auch versuchen wollen.
1 Siehe die ursprüngliche Erläuterung der Thesen durch den Bundesverband Kirchenpädagogik unter: https://www.bvkirchenpaedagogik.de/kirchenpaedagogik/thesen-und-positionspapiere [Zugriff: 21.10.2018].
2 Holger DÖRNEMANN, Kirchenpädagogik: Ein religionsdidaktisches Prinzip. Grundannahmen – Methoden – Zielsetzungen (Berlin 2011).