Die numismatische Sammlung des Stiftes Heiligenkreuz
1. Geschichte und Beschreibung der Sammlung
P. Roman Nägele OCist
Entstehung
Eine systematische Sammeltätigkeit im Stift Heiligenkreuz lässt sich sicher in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts datieren. Die Münzsammlung wurde zuerst im Heiligenkreuzerhof in Wien untergebracht. Der Aufbewahrungsort war der Emporengang der Bernadikapelle. 1731 ließ Abt Robert Leeb (reg. 1728–1755) auch die Kunstsammlung im Stift Heiligenkreuz anlegen. Diese Sammlung umfasste das Kunst- und das Naturalienkabinett und die sogenannte Rüstkammer im Neugebäude (heutiges Junioratsgebäude) des Stiftes Heiligenkreuz. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden Münzkästen in der Schatzkammer des Stiftes Heiligenkreuz aufgestellt. Der erste von Abt Franz Xaver Seidemann (reg. 1824–1841) ernannte numismatische Betreuer war der Stiftshofmeister im Heiligenkreuzhof in Wien P. Johann Nepomuk Weis OCist (+1858). Der Großteil der Münzen und Medaillen in der heutigen Sammlung wurde von ihm erworben, geordnet und bestimmt. Diese Information verdanken wir dem Stiftsarchivar Prof. P. Hermann Watzl OCist (+1986). Viele Bestimmungszettel wurden im 19. Jahrhundert vom Stiftshofmeister P. Nepomuk Swoboda OCist handschriftlich verfasst und sind bis heute der Sammlung beigefügt. Eine rege Korrespondenz bestand zwischen ihm und P. Dominik Bilimek OCist in Miramare.
P. Dominik Bilimek OCist (+1884) war ein weitgereister und anerkannter Naturwissenschaftler und von 1867 bis 1884 Museumsdirektor im Schloss Miramare in Triest. Auf seinen zahlreichen Auslandsreisen sammelte er viele Münzen, die er dem stiftlichen Münzkabinett übergab. In seinem Nachlass befand sich eine beträchtliche Anzahl historischer Münzen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden viele Münzen, darunter zahlreiche römische Münzen aus dem 4. Jahrhundert, von Prof. P. Dr. Wilhelm Neumann OCist (+1919) gesammelt. Um 1960 wurde die Münzsammlung vom Heiligenkreuzerhof ins Stift Heiligenkreuz gebracht und in der ehemaligen Abtskapelle (Prälatur) von Heiligenkreuz aufgestellt. Der aus dem Stift Hohenfurth stammende Gymnasialdirektor Prof. P. Viktorin Panhölzl OCist betreute die Sammlung in Heiligenkreuz von 1948 bis 1952. Er übertrug die Daten der Münzzettel in Hefte, die bis heute aufbewahrt werden. Abt Franz Gaumannmüller OCist (reg. 1969–1983) ließ in den Jahren 1976 bis 1978 den Großteil der Münzen in BEBA-Münzkassetten umschichten und mit neuen Bestimmungszetteln versehen. Diese Tätigkeit führte P. Ludwig Schenker-Angerer OCist durch. Die Römischen Münzen aus der Heiligenkreuzer Sammlung wurden von Prof. Werner Richter von den Holzkästen in BEBA-Kassetten eingeordnet und neu bestimmt. Die Münzkassetten werden bis heute in einem Stahltresor deponiert. Medaillen und Talerkabinett verbleiben in den alten dafür angefertigten Holzschränken.
Größe und Bestand der Sammlung
Die überwiegend aus Münzen bestehende Sammlung zählt ihrem Umfang nach zu den größten numismatischen Sammlungen der Klöster Österreichs. Die Sammlung ist universal angelegt. Sie enthält antike, mittelalterliche und neuzeitliche Exemplare. Interessant ist, dass die neuzeitliche Sammlung ein Talerkabinett gut erhaltener Stücke vieler Länder enthält.
Die ursprüngliche Sammlung, als „Alter Stock“ bezeichnet, bildet den kleineren aber wertvolleren Bestand und umfasst im Stift Heiligenkreuz circa 5000 Münzen und Medaillen. Dieser Bestand wurde durch die Nachlässe von P. Dominik Bilimek OCist und Prof. P. Dr. Wilhelm Neumann OCist um den umfangreicheren zweiten Teil von rund 32000 Objekten bereichert.
Das Kunsthistorische Museum Wien – Münzkabinett – führte im Jahr 1939 eine Münzenrevision durch. Dadurch haben wir eine ziemlich genaue Erfassung des damaligen Bestandes. Abt Franz Gaumannmüller OCist übernahm in den siebziger Jahren den Bestand von circa 4000 Münzen und Medaillen des Stiftes Neukloster (Wiener Neustadt) in die Heiligenkreuzer Sammlung.
Andere Zuflüsse zur Sammlung sind Fundmünzen aus der Umgebung des Stiftes sowie Geschenke. Numismatische Objekte werden bis heute der Sammlung beigefügt. Besonders erwähnenswert sind Papstmedaillen, welche bis heute in das Stift gelangen.
Besonderheiten
Zu den ältesten Stücken der Sammlung zählen griechische und römische Münzen des Altertums, zum Teil Fundstücke aus der Umgebung des Stiftes. Erwähnenswert ist, dass unter diesen antiken Stücken auch ein “Fälscherwerkzeug” (Münzgussform aus Ton) zu finden ist, mit dessen Hilfe Kopien, also gefälschte Denare, angefertigt werden konnten. Ein derartig gefälschter Silberdenar aus der Zeit um 211 n. Chr. ist eine Rarität der Sammlung. Abgebildet ist eine Büste des Kaisers Marcus Aurel(l)ius Severus Antoninus – Caracalla – (Kaiser von 211–217), nach rechts blickend.
Abb.1: Antikes Fälscherwerkzeug (links); Ton; Ø 30,9 mm; 8,45 g, Denar des Caracalla (rechts); Silber; Ø 18,3 mm; 3,79 g
Interessant ist die Medaille von Abt Ulrich II. Molitor (reg. 1558–1584) von Heiligenkreuz. Abt Ulrich konsolidierte das Stift nach Kriegen, Hungernöten und Reformation. Unter den sehr gut erhaltenen Medaillen des Erstbestandes befindet sich eine große Zahl von stempelfrischen Bronze-Exemplaren einer Napoleon-Suite. An Goldstücken enthält die Sammlung einfachere Münzen, Medaillen und Jetons, darunter kleine geprägte “Nürnbergs” zur Jahrhundertwende um 1700.
Abb.2: Medaille, 1581: Abt Uldarich Molitor nach rechts, Silber; Ø 61,4 mm; 51,14 g; gehenkelt, gegossen; Rückseite: Wappen Ulrich II.
Eine zeitgenössische Besonderheit stellt die Gedenkmedaille zu Ehren des seligen Kaisers Karl I. von Österreich dar, die anlässlich der Seligsprechung 2004 in Rom geprägt wurde. Der Entwurf stammt vom Mailänder Künstler Luigi Teruggi (*1934).
Abb.3: Seliger Karl I. aus dem Hause Österreich – Kaiser und König – Vergoldete Bronze; Ø 70 mm; 184 g
2. Numismatische Arbeit im Stift Heiligenkreuz
Agnes Aspetsberger, Max Resch
Das Stift Heiligenkreuz steht seit einigen Jahren in engem Kontakt mit dem Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien. Dabei bekommen Studierende die Möglichkeit, sich mit der reichhaltigen Münzsammlung des Klosters zu beschäftigen und diese mit modernen wissenschaftlichen Methoden aufzuarbeiten. Somit dient diese Kooperation nicht nur der Aus- und Weiterbildung junger Wissenschaftler, sondern ermöglicht dem Stift auch eine genaue Übersicht über die Bestände der hauseigenen Sammlung. Durch das Anlegen einer Datenbank über die Münzen von Heiligenkreuz wird auch eine Grundlage für weiteres wissenschaftliches Arbeiten geschaffen.
So verbrachte auch im Juli 2017 eine Gruppe Studierender des Instituts unter der Leitung von Prof. Reinhard Wolters und dem Universitätsassistenten Martin Baer zwei der heißesten Wochen des Jahres innerhalb der kühlen Mauern des Zisterzienserstifts, wo uns die Räumlichkeiten des Restaurators für die Dauer unseres Aufenthalts freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden.
Das Ziel der Exkursion war die vollständige Aufnahme der Sammlung Neukloster in besagte Datenbank. Bereits in den Jahren zuvor hatten andere Exkursionen an dieser rund 1800 Münzen umfassenden Sammlung gearbeitet. Sie gelangte in den 1970er Jahren nach Heiligenkreuz und wird dort als geschlossener Komplex innerhalb der großen Sammlung des Stifts aufbewahrt. Bei den Münzen dieser Sammlung handelt es sich hauptsächlich um römisch-kaiserzeitliche Prägungen, mit einigen wenigen republikanischen, byzantinischen und griechischen Ausnahmen. Einige Münzen konnten auch als Fälschungen, sowohl modern als auch zeitgenössisch, identifiziert werden.
Abb.4: Martin Baer und Silviya Nenkova beim Fotografieren von Münzen der Sammlung.
Mithilfe der mitgebrachten numismatischen Literatur und den Bestimmungskatalogen versuchten wir die Münzen zu beschreiben, zu bestimmen und ihre technischen Daten aufzunehmen. Die Bestimmung einer Münze dient der Identifikation der wichtigsten Informationen, die eine Münze von sich preisgibt: Wann wurde sie wo, von welcher Autorität ausgegeben. Neben der Bestimmungsarbeit galt es auch, die Münzen der Sammlung Neukloster zu fotografieren (Abb.4)
Abb. 5: Datenbankeintrag zu einer Bronzemünze des Valentinian (19/4/7).
Unsere Vorgehensweise während der Arbeit im Stift Heiligenkreuz möchten wird dabei gerne näher erläutern. Üblicherweise wird zuerst die Inventarnummer der jeweiligen Münze in die Datenbank aufgenommen, um jedes Stück und jeden Datensatz individuell ansprechbar zu machen. In der Sammlung Neukloster wurde noch keine solche Inventarisierung durchgeführt, sodass wir uns mit der Aufbewahrungsposition der Münze innerhalb der drei Münzkästen, geordnet nach der jeweiligen Lade, behalfen (Abb.5: 1). Danach gilt es anhand der Umschrift beider Seiten (Abb.5: 9 und 11), auch Legende genannt, sowie des Münzbildes (Abb.5: 10 und 12) die Münze chronologisch und geographisch einzuordnen. Mit etwas Übung lässt sich eine antike Münze schon auf den ersten Blick grob einordnen: Herrscherbilder, Motive des Münzbildes und auch deren stilistische Ausarbeitung geben wichtige Indizien, denen durch gezielte Recherche nachgegangen wird.
Die beiden Seiten einer Münze werden in der Numismatik als Avers (Vorderseite) und Revers (Rückseite) angesprochen. Wie die beiden Münzstempel beim Prägevorgang zu einander standen, wird als Stempelstellung (Abb.5: 8) bezeichnet und als Uhrzeit angegeben. In Abbildungen wird der Avers einer Münze für gewöhnlich links, der Revers rechts wiedergegeben, so auch in den hier reproduzierten Fotos von Münzen aus der Sammlung Neukloster.
Konnte die Münze als kaiserzeitliche Prägung identifiziert werden, was auf die Mehrzahl der von uns bearbeiteten Münzen zutraf, kann die Münze nun anhand der Legende und des Münzbildes einem Kaiser zugeordnet werden. Der Kaiser oder eine andere entsprechende staatliche Autorität, wird in der Numismatik als Prägeherr bezeichnet (Abb.5: 2). Die Erschließung der Münzstätte (Abb.5: 3) ist meist nicht ohne Literatur oder Vorwissen zu bewältigen, da entsprechende Angaben auf den Münzen selbst eher erst ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. zu finden sind, und auch da oft stark verkürzt sind. (Abb.6)
Abb.6: Bronzemünze des Valentinian aus der Münzstätte Siscia (19/4/7). Die Beschriftung im Abschnitt des Reverses „●ΓSISC“ ermöglicht die Münzstättenzuweisung.
Die Bestimmung des Nominals (Abb.5: 4), also der Wertstufe der jeweiligen Münze im entsprechenden Geldsystem, kann über das Münzmetall, über das Gewicht der Münze (Abb. 5: 7) oder auch den Durchmesser vorgenommen werden.
Die Datierung (Abb.5: 5) einer Münze erfolgt in der römischen Kaiserzeit über die Regierungsdaten des jeweiligen Herrschers. Die fortlaufend gezählte Verleihung der tribunizischen Gewalt, die mehrmalige Akklamation zum Imperator oder der Antritt des Konsulats lässt sich in den Münzlegenden wiederfinden (Abb.7) und das Gepräge so zum Teil auf mehrere Monate genau datieren.
Abb.7: As des Antoninus Pius (12/2/3). Die Münze kann über die 24. tribunizische Gewalt und das dritte Konsulat des Kaisers in die Jahre 160/161 n. Chr. datiert werden.
In anderen Fällen sind die Angaben auf den Münzen wesentlich spärlicher, etwa in der Münzprägung des klassischen Griechenlands. Dort erschweren neben der allgemeinen politischen Struktur, die weitgehend ohne Könige auskommt, auch die oft äußerst knapp gehaltenen Legenden die Bestimmung: Teilweise gibt sich die prägende Stadt nur mit wenigen Buchstaben zu erkennen und verzichtet sonst auf jegliche weitere Beschriftung, teilweise tragen die Münzen auch gar keine Legende. In Folge dessen gestaltet sich auch die Datierung wesentlich schwieriger und kann dabei auf mehreren Faktoren basieren, etwa der stilistischen Entwicklung des Münzbildes oder der Zusammensetzung von Münzfunden.
Zum Teil finden sich auch lokale Ären auf antiken Münzen: Die römische Kolonie Viminacium vermerkt beispielsweise das Prägejahr der jeweiligen Münze in einer eigenen Ära, die ihren Ursprung in der Verleihung des Status als Kolonie findet. (Abb.8)
Abb.8: Bronzemünze des Philipp I. (26/1/4). Die Legende im Abschnitt gibt das Jahr 5 einer lokalen Ära wieder, deren Beginn in der Verleihung des Kolonie-Status Viminaciums zu verorten ist.
Zur unmissverständlichen Ansprache einer jeden Münze, auch ohne das Stück vor sich zu haben, bedarf es eines Literaturzitates (Abb.5: 6). Dafür gibt es in der Numismatik mehrere Kataloge und Standardwerke, die meist abgekürzt wiedergegeben werden: So wird etwa das Zitierwerk für die römische Reichsprägung, Roman Imperial Coinage in zehn Bänden, als RIC abgekürzt. Zusätzliche Informationen und Anmerkungen wurden gegebenenfalls ebenfalls vermerkt (Abb.5: 13). Martin Baer erleichterte all diese Arbeiten durch das Einbinden einiger der wichtigsten Online-Ressourcen der antiken Numismatik in unsere Datenbank merklich.
Auch abseits vom Arbeitsalltag konnten wir viel von unserem Aufenthalt im Stift mitnehmen. P. Roman Nägele, der als Kustos und Administrator der Sammlungen in Heiligenkreuz unser direkter Ansprechpartner vor Ort war, führte uns bei einer privaten Führung hinter die Kulissen des Stifts. Als besondere Wertschätzung empfanden wir, dass sich Abt Maximilian Zeit für einen persönlichen Empfang unserer Exkursionsgruppe nahm, bei dem wir ihm von unserer numismatischen Arbeit an der Sammlung des Stifts erzählen konnten.
Unser Dank gebührt daher Abt Maximilian Heim, P. Roman Nägele und Frater Laurentius Mayer, die uns mit ihrer Gastfreundschaft die Arbeit im Stift so angenehm wie möglich gestalteten. Wir vertrauen auch für die kommenden Jahre auf die gute Zusammenarbeit mit dem Stift Heiligenkreuz. Weiters gilt unser Dank Prof. Reinhard Wolters und Martin Baer für die Organisation und Durchführung der Exkursion, bei der wir viel Neues über die Arbeit mit großen Münzsammlungen lernen konnten. Auch wenn wir unser Ziel nicht ganz erreichen konnten, und noch einige wenige Münzen der Sammlung Neukloster nicht fertig bearbeitet sind, war die Exkursion für uns doch ein voller Erfolg.