6. Tagung des Freundeskreises der Kapuzinergeschichte
6. Tagung des Freundeskreises der Kapuzinergeschichte
in den Kapuzinerklöstern Innsbruck und Brixen vom 1. – 5. September 2019
Der Freundeskreis der Kapuzinergeschichte hat seinen Anfang in der Deutschen Kapuzinerprovinz genommen. Die beiden Kapuziner Br. Leonhard Lehmann und Br. Jan Bernd Elpert haben mit ihrer Initiative eine Plattform geschaffen, wo sich Personen, die sich mit der Geschichte des Kapuzinerordens beschäftigen bzw. sich aktiv durch ehrenamtliche Mitarbeit um bestehende oder aufgelassene Kapuzinerklöster kümmern, austauschen und weiterbilden können. Während der gemeinsamen Tagung in Altötting im vergangenen Jahr ist der Plan gereift, diese Initiative auf die Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol zu erweitern.
Zentraler Anknüpfungspunkt war der 400. Todestag des heiligen Kapuziners Laurentius von Brindisi (1559–1619), der maßgeblich an der Gründung unserer ersten Kapuzinerklöster in Deutschland, Österreich und Südtirol beteiligt war. Provinzarchivarin Miriam Trojer und mir oblag die Organisation der Tagung. Ein bunter Mix von Vorträgen wurde durch Exkursionen um Erfahrungswissen bereichert.
Der Einführungsvortrag am Montag über die „Geschichte der Kapuzinerprovinzen in Österreich und Südtirol“ von Miriam Trojer und Manfred Massani umfasste den Zeitraum der Ausdehnung der Kapuziner über Italien hinaus, die Gründung, Teilung und Zusammenschluss von Kapuzinerprovinzen, die pastoralen Wirkungsfelder der Kapuziner bis hin zum Rückgang der Berufungen und Klosterschließungen im 21. Jahrhundert. Zu Lebzeiten des heiligen Laurentius von Brindisi wurde einerseits mit der Gründung der Klöster in Innsbruck (1593), Salzburg (1596) und Bozen (1599) der Grundstein für die spätere Tiroler, Bayerische und Brixener Provinz gelegt, andererseits durch die Klostergründungen von Wien, Prag und Graz (alle 1600) für die künftige Österreichisch-Böhmische und die Steirische Provinz. Auch die gemeinsamen Wurzeln mit den später entstandenen Kapuzinerprovinzen in Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien und Ungarn wurden aufgezeigt. Die Kapuziner trugen durch ihre Predigttätigkeit wesentlich zur Umsetzung der katholischen Reform bei.
Abb. 1: Manfred Massani und Miriam Trojer beim Vortrag im voll besetzten Bibliotheksraum des Kapuzinerklosters Innsbruck (Foto: Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol).
Die anschließende Führung durch das Kapuzinerkloster Innsbruck als dem ältesten Kapuzinerkloster auf österreichischem Boden und Sitz des Provinzials einschließlich Kapuzinerkirche und Einsiedelei Erzherzog Maximilians III. (1558–1618) vertiefte die Geschichte der Kapuziner mit dem Innsbrucker Hof. 1582 machten erstmals Kapuziner der Provinz Venedig auf ihrer Reise nach Polen in Innsbruck Halt und sprachen bei Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) bezüglich einer Gründung eines Kapuzinerklosters in Innsbruck vor. 1593 erfolgte die Grundsteinlegung für das Kapuzinerkloster, 1594 bereits die Kirchweihe. Die Stifterbilder von Erzherzog Ferdinand II. und seiner zweiten Frau Anna Catharina von Gonzaga (1566–1621) im Refektorium und das Betzimmer von Anna Catharina erinnern an die Gründungszeit. 1615 errichtete Erzherzog Maximilian III. seine einzigartige Einsiedelei als Anbau an die Kapuzinerkirche, die im Rahmen der Führung für Staunen sorgte. Thematisiert wurden anhand vorhandener Exponate auch die Punkte Kapuzinerbrüder als Künstler und Missionare, Marienverehrung anhand des Bildes „Maria Lactans“ von Lukas Cranach (ca. 1472–1553) und das Wirken des seligen Thomas von Olera (1559–1631) anhand seines Grabmals.
Am Montagnachmittag beleuchtete Spiritual Daniel Otto1 aus Liechtenstein das Leben und Wirken des heiligen Laurentius von Brindisi. Ausgangspunkt für die Lebensbeschreibung waren die in Schablonenmalerei gefertigten Bildstreifen in der Kapuzinerkirche St. Anton in München, die das Leben der beiden Kirchenpatrone Antonius von Padua und Laurentius von Brindisi in je sechs Szenen erzählen. 1559 als Giulio Cesare Russo in Brindisi geboren, trat er 1575 in den Kapuzinerorden ein. Als Provinzial der Venezianischen Provinz war er einerseits ab 1594 maßgeblich an der Gründungsgeschichte der Tiroler Provinz beteiligt, andererseits ab 1600 als Generalkommissar des Österreichisch-Böhmisch-Steirischen Kommissariats für das Entstehen der Österreichisch-Böhmischen und der Steirischen Provinz verantwortlich. Im Referat angesprochen wurden auch seine Tätigkeit als Feldseelsorger bei der Schlacht von Stuhlweissenburg (1601) und seine diplomatischen Reisen als päpstlicher Delegat. Thematisiert wurde auch das Verhältnis von Protestanten und katholischer Minderheit in Donauwörth, die Rolle von Laurentius im folgenden Kreuz- und Fahnengefecht (1606) und bei der Entstehung der Katholischen Liga (1609).
Anschließend folgte die Führung durch die Hofkirche in Innsbruck durch Karl Berger. Im Zentrum des auch als „Schwarz-Mander-Kirche“ bezeichneten Kirchengebäudes liegt das Grabmal Kaiser Maximilians I., dessen 500. Todestag heuer gefeiert wird. Neben den 28 überlebensgroßen Bronzestatuen mit Verwandten und Vorbildern des Kaisers wurden die Ebert-Orgel, das Grabmal Andreas Hofers und die Silberne Kapelle mit dem Silberaltar und den Grabmälern Erzherzog Ferdinands II. und seiner Gemahlin Philippine Welser besichtigt.
Abb. 2: Der Direktor des Tiroler Volkskunstmuseums, Karl Berger, führte über den Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters Innsbruck in die angrenzende Hofkirche (Foto: Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol).
Der Dienstag stand ganz im Zeichen der Fahrt nach Südtirol und dem Besuch von Klausen und Brixen. Die Geschichte des Kapuzinerklosters Klausen ist eng mit der Person des P. Gabriel Pontifesser von Klausen (1653–1706) verbunden. Er wirkte als Beichtvater der spanischen Königin Maria Anna von Pfalz-Neuburg (1667–1740), der zweiten Gemahlin König Karls II. (1661–1700), und veranlasste sie zur Stiftung des Klosters Klausen. Nachdem der erste Versuch einer Klostergründung durch Stadtbürger 1671 von den Kapuzinern abgelehnt worden war, kam es 1699 zur Grundsteinlegung für den Bau des Kapuzinerklosters. Einen besonderen Bestandteil dieser Stiftung durch Königin Maria Anna stellt der einzigartige Loretoschatz, eine Sammlung von Gemälden und sakralen Kunstgegenständen mit kostbaren Einzelstücken aus ganz Europa, dar. 1972 verließen die Kapuziner Klausen. Die Stadt Klausen erwarb das Kloster und richtete dort neben der Stadtbibliothek auch das Stadtmuseum ein, wo der Loretoschatz in Form einer Dauerausstellung zu sehen ist. Museumsdirektor Christoph Gasser führte durch die Kirche und das Museum.
Abb. 3: Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor dem Kapuzinerkloster Klausen (Foto: Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol).
Am Nachmittag folgte die Führung durch das Kapuzinerkloster Brixen. Obwohl der Plan für die Gründung des Kapuzinerklosters Brixen durch Kardinal Andreas von Österreich (1558–1600) bereits 1600 bestand, konnte die Grundsteinlegung für den Bau des Klosters aufgrund des Widerstands des Brixner Domkapitels erst 1603 unter dessen Nachfolger Fürstbischof Christoph Andreas von Spaur erfolgen. Nach Einführung der Ordensstudien in der Tiroler Provinz 1615 brachten sich die Kapuziner durch ihre Predigttätigkeit und ihren Lebenswandel aktiv in die katholische Erneuerung im Sinne des Konzils von Trient ein. Sie wurden zu Verteidigern des Glaubens. Als Studienkloster entwickelte sich Brixen immer mehr zum Hauptkloster in Südtirol. Es wurde Sitz des Provinzialats, stellte Volksmissionare, Dom- und Pfarrprediger. Ausdruck findet dies auch in der reichhaltigen Kapuzinerbibliothek Brixen, wo neben den Buchbeständen des Klosters Brixen auch die der aufgelassenen Klöster Klausen, Schlanders, Eppan und der Klöster Bruneck und Sterzing aufbewahrt werden. Mit Ausnahme der Buchbestände Bruneck und Sterzing sind alle Bibliotheken durch das Projekt „Erschließung historischer Buchbestände“ katalogisiert. Luisa Kofler2 zeigte anhand von vorhandenen Exlibris und Besitzeinträgen in Büchern der Bibliothek Klausen eine direkte Verbindung zu P. Gabriel Pontifesser und Königin Maria Anna auf. So finden sich etwa 121 Werke mit dem Exlibris von Königin Maria Anna im Bibliotheksbestand von Klausen.
Abb. 4: Manfred Massani und Luisa Kofler in der Kapuzinerbibliothek Brixen mit einem Buch aus der Kapuzinerbibliothek Klausen (Foto: Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol).
Für die anschließende Führung durch den Brixner Dombezirk konnte Domdekan Dr. Johannes Messner gewonnen werden. Nach einer historischen Einführung in die Geschichte der Diözese Brixen und des Domes zu Brixen führte der Weg über den Domkreuzgang zur Johanneskapelle. In einzelnen Bereichen des Kreuzganges sind noch Spuren frühgotischer Bemalung in Röteltechnik vorhanden. Die Johanneskapelle ist im 10. Jahrhundert entstanden und war Taufkapelle und bischöfliche Hofkapelle. Besonders beeindruckend war die theologische Deutung der romanischen Fresken, die an der Ostwand die alttestamentliche und an der Westwand die neutestamentliche Weisheit darstellen.
Am Mittwochvormittag lag der Schwerpunkt auf einem zentralen Bereich pastoralen Wirkens im Kapuzinerorden: der Predigt. Vera Hofmann3 stellte die beiden steirischen Kapuzinerprediger P. Amandus von Graz (†1700) und P. Ämilianus von Graz (†1726) vor und untersuchte anhand ihrer Barockpredigten gesellschaftskritische Aspekte, die in Predigten angesprochen wurden. Am Beginn verglich die Referentin den Einfluss, den heute soziale Medien wie Facebook auf die gesellschaftliche Meinungsbildung ausüben, mit denen der Predigt in der Barockzeit. Auch Predigten, die dem Zuhörer das Motiv vom Gericht Gottes dramatisch vor Augen führten, gehörten zum Repertoire beider Prediger. Im Anschluss wurde anhand ausgewählter Predigten dargelegt, welche Aussagen P. Amandus und P. Ämilianus hinsichtlich der Ständeordnung, Luxus, Konsum, Modeverhalten, Ehe, Familie und Kindererziehung getätigt haben.
Im zweiten Referat mit dem Titel „Apotheose des Krieges“ stellte Daniel Johannes Huter4 die Predigten des Tiroler Kapuziners P. Albert Comployer (1747–1810) vor, die dieser in den Jahren 1790 bis 1802 gehalten hat. Ausgangspunkt ist die Frage, wie das Verhältnis von Religion und Gewalt bzw. Krieg in seinem Predigtwerk dargestellt wird. P. Albert sieht den Krieg einerseits als geheiligtes Geschehen, wenn es um die Verteidigung der Katholischen Kirche gegen Aufklärer und Franzosen geht, andererseits als Möglichkeit für den Gläubigen für seine Sünden Buße zu tun und durch ein erlittenes Martyrium Erlösung im Jenseits zu erlangen. Er überhöhte in seinen Predigten den Krieg und stellt ihn als eine Straße des Heils dar. Diese Darstellung fand insbesondere bei der ländlichen, barockkatholischen Landbevölkerung Tirols Anklang und war einer der maßgeblichen Gründe für den Tiroler Volksaufstand 1809, um für den Erhalt des Heiligen und der bestehenden religiösen Ordnung zu kämpfen. Ähnlichkeiten in der Bild- und Formelsprache sind später auch beim Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer (1767–1810) zu sehen.
In den vergangenen Jahren mussten die Kapuziner zahlreiche Klöster aufgrund Brüdermangels schließen. Als positives Beispiel der Nutzung einer ehemaligen Kapuzinerniederlassung führte Dekan Franz Hinterholzer uns am Mittwochnachmittag durch das Kapuzinerhospiz Ried im Oberinntal. Nachdem bereits Kapuziner aus dem Kloster Imst zur Aushilfe nach Ried im Oberinntal gekommen waren, erfolgte 1694 die Zusage des Bischofs von Brixen, Johann Franz Graf Khuen von Belasi (1649–1702), und die Genehmigung des Provinzkapitels in Innsbruck für den Bau des Hospizes. 2003 wurde das Hospiz aufgelöst und 2006 von der Pfarre Ried im Oberinntal gekauft. 2017 wurde ein Konzept für die Umgestaltung des Hospizes entworfen, das im Erdgeschoss die Errichtung des Pfarrzentrums und im Obergeschoss eines Pilgerhospizes vorsieht. Dafür werden die ehemaligen Zellen der Brüder im Sinne kapuzinischer Spiritualität als schlichte Zimmer mit Stockbett, Kasten und Tisch eingerichtet. Ein zentraler Aspekt ist, das Hospiz als Erinnerungsort an das kapuzinische Wirken zu erhalten. Zu diesem Zweck wurden Kunstgegenstände und die historische Bibliothek des 2016 aufgelassenen Kapuzinerklosters Imst seitens der Kapuzinerprovinz der Pfarre Ried als Dauerleihgabe überlassen.
Abb. 5: Baustellenbesuch im ehemaligen Kapuzinerhospiz Ried im Oberinntal (Foto: Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol).
Auf der Rückfahrt nach Innsbruck machten wir beim Stift Stams Halt. Fr. Gregor Schwabegger führte uns durch die 1273 von Meinhard II. (um 1239–1295) und seiner Frau Elisabeth von Bayern (1227–1273) gestiftete Zisterzienserabtei. Den Abschluss bildete die gemeinsame Vesper in der Stiftsbasilika.
Am Donnerstagvormittag stand das Thema Mission auf dem Programm. Nachdem bereits im 18. Jahrhundert Brüder der Tiroler Provinz in der Engadiner Mission gewirkt hatten, übernahm die Provinz Ende des 19. Jahrhunderts das Missionsgebiet der Apostolischen Präfektur Bettiah und Nepal in Indien und im 20. Jahrhundert die Bulgarische Mission. Es folgte die Mitarbeit in der Mission in der Türkei, auf Madagaskar und Indonesien. Lienhard Thaler5 widmete sich in seinem Referat „In fernen Landen“ der Mandschurei-Mission der Tiroler Kapuziner in den Jahren 1933 bis 1954. 1933 bot die Congregatio de Propaganda Fide dem Kapuzinerorden das Missionsgebiet Ilan an, der dieses Angebot an die Tiroler Provinz weiterleitete. Am 1.9.1933 kam es zur Übertragung des neuen Missionsgebietes an die Tiroler Kapuziner und erste Missionare wurden entsandt. 1937 wurde der Namen der Mission von Ilan in Kiamusze geändert. Die Finanzierung der Mission basierte vorwiegend auf Sachspenden und die Übernahme von Patenschaften für Kinder im Missionsgebiet. 13 Kapuziner der Tiroler Provinz wirkten in diesem Missionsgebiet. Nach dem Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges und dem Anschluss Österreichs 1938 übernahmen chinesische Kommunisten die Vorherrschaft in der Mandschurei. Im selben Jahr wurden P. Theophil Ruderstaller und P. Antonin Schröcksnadel in Fuxin erschossen und Br. Günther Krabichler schwer verletzt. 1954 kehrten die letzten beiden Missionare nach Tirol zurück.
Am Schluss der Tagung stand der Austausch und Berichte über Arbeiten und Erträge der Tagungsteilnehmer, Ausblick und Ideensammlung für das kommende Jahr, wo die Tagung in Zell am Harmersbach stattfinden und ein besonderer Fokus auch im Bereich der Geschichte der Kapuzinerklöster im Elsass liegen wird.
Manfred Massani absolvierte von 2006 bis 2008 den Universitätslehrgang "Library and Information Studies MSc" an der Universität Innsbruck. Er ist seit 1998 für den Kapuzinerorden tätig und seit dem Bestehen der Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol 2011 deren Provinzbibliothekar.
Kontakt: manfred.massani@kapuziner.at
1 Für nähere Informationen: Daniel OTTO (Hg.), Hl. Kirchenlehrer Laurentius von Brindisi 1559 – 1619. Denkschrift zum 400. Todestag (Schaan 2019).
2 Für nähere Informationen: Luisa KOFLER, Die Bücher aus Spanien im Loretoschatz von Klausen, in: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 10 (2017) 35–67.
3 Für nähere Informationen: Vera HOFMANN, Gesellschaftskritische Aspekte in den Predigten der Grazer Kapuzinerprediger des 17. und 18. Jahrhunderts mit methodisch-didaktischen Lernaufgaben für den Unterricht (Innsbruck 2016).
4 Für nähere Informationen: Daniel Johannes HUTER, Apotheose des Krieges. Die "Ermunterungsreden" des Kapuzinerpaters Albert Comployer (1790–1802) (Wien 2018).
5 Für nähere Informationen: Lienhard THALER, In fernen Landen. Die Mandschurei-Mission der Tiroler Kapuziner zwischen 1933 und 1954 (Innsbruck 2015).