Verantwortungsvoller Umgang mit historischem Erbe
Vortrag gehalten im Rahmen der Jahrestagung der kirchlichen Bibliotheken am 18. Juni 2019 im Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg am Inn.
Abb.: Die barocke Barnabitenbibliothek in Wien 1., Konvent St. Michael (Foto: R. Passini).
Der Orden der Salvatorianer, deren österreichisches Provinzarchiv ich betreue, wurde 1881 gegründet und ist somit 138 Jahre alt. Im Jahr 1923 wurden der österreichischen Provinz Häuser und Pfarren des viel älteren Ordens der Barnabiten1 überantwortet. Damit waren jedoch nicht nur die pastoralen Aufgaben verbunden, sondern ebenso die Verwaltung des historischen Erbes, welches Bibliotheken und andere Bücherbestände beinhaltet.
Als Archivare standen wir vor zwei Fragen: Wie ist der Zustand dieses Erbes, und inwieweit liegt die Zuständigkeit dafür (noch) bei den Salvatorianern?
Von den vier betroffenen Niederlassungen befindet sich Mariahilf in Wien2 nicht mehr im Besitz der Salvatorianer. Bezüglich des Kollegs Mistelbach in Niederösterreich3 ist die Rechtsfrage zwischen den Salvatorianern und der Erzdiözese Wien noch zu klären. Dementsprechend bleiben zwei Kollegien, deren Bibliotheken und andere Bücherbestände wir näher betrachteten: Margarethen am Moos, Niederösterreich, und St. Michael, Wien.
Margarethen am Moos, Niederösterreich
Die Barnabiten übernahmen die Seelsorge im Raum Margarethen am Moos 1745. Es ist kein Bibliotheksraum vorhanden. Die Bücher lagerten teils in zwei großen Archivschränken im Gang des Kollegs, teils seit zwanzig Jahren in einem Holzschrank unter einer Garagendurchfahrt im Freien.
Zunächst reinigten wir die Bücher und sortierten sie nach Thema und Jahrhundert, um uns einen ersten Überblick darüber zu verschaffen, was vorhanden war:
1. eine Ordensbibliothek mit Besitzvermerk der Barnabiten
2. eine gut erhaltene Pfarrersbibliothek mit theologischen Werken
3. Bücher aus einer nicht mehr vorhandenen Stadtbücherei
Da es keine erkennbare Ordnung gab – jene Bücher, die einen schöneren Buchrücken hatten, wurden ins Kolleg gestellt, die anderen im Freien gelagert –, behalfen wir uns mit einer formalen Trennung der Bücher nach Provenienz und dokumentierten diese. Die Bücher der Stadtbücherei wurden ausgeschieden, da sie für den Orden keine Relevanz hatten.
Die Klosterbibliothek war eine wissenschaftliche Einrichtung. Da die Barnabiten ein Predigerorden sind, diente auch viel Predigtliteratur als Basis. Im 19. Jahrhundert hingegen, als für die Wissenschaft staatliche Einrichtungen gegründet wurden, ist an den Büchern deutlich zu erkennen, wie der pastorale Aspekt der Tätigkeit des Ordens in den Vordergrund rückte. Praxisnahe Literatur ist zu finden. Wie sich die vorhandene Literatur vom 18. Jahrhundert von wissenschaftlich/juristischen hin zum 19. Jahrhundert zu pastoralen Themen veränderte, war interessant zu erkennen.
Jene Bücher, die einen klaren Besitzvermerk der Barnabiten haben, transportierten wir nach St. Michael in Wien. Der Bücherbestand, den wir als „Pfarrersbibliothek“ identifizierten, beließen wir vor Ort und brachten ihn in den alten Archivschränken unter, da es sich wahrscheinlich um die Sammlung eines oder mehrerer Pfarrer von Margarethen am Moos handelt. Dieser Bestand ist nur in seiner Gesamtheit von Bedeutung. Die Titelseiten aller Bücher, die in Margarethen am Moos verblieben, fotografierte ich ab, um aus den Fotos eine pdf-Datei zu erstellen. Damit ist die erste Variante eines „Findbuchs“ sichergestellt. Der Plan ist, die Titel in eine geeignete Software einzutragen. Das gleiche soll auch mit den nach St. Michael transportierten Büchern geschehen.
St. Michael, Wien
1626 kamen die Barnabiten nach Wien. Der Bau der barocken Bibliothek wurde mit einem Großteil des heutigen Kollegs 1710 fertig gestellt. Es existieren historische Bandkataloge, eine aktuelle Erschließung der Bestände ist in Planung.
Im Kolleg St. Michael stehen wir vor einer noch größeren Herausforderung, da es unterschiedliche Provenienzen gibt und die Bücherbestände in verschiedenen Räumen im Haus lagern:
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ein Barockbestand in einer historischen Schaubibliothek
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ein historischer Bestand zwischen dem 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts (1920er-Jahre) ebenfalls dort
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eine gewachsene Bücherwand im Hausgang, die zu bewerten und bei der einiges auszuscheiden ist
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ein Buchbestand, der inhaltlich für die salvatorianische Gesamtgeschichte interessant ist, im Haus verstreut
Viele Bücher der Schaubibliothek, die die Barnabiten hinterließen, wurden nach dem Ersten Weltkrieg verkauft. Einige der Bücher, die nachträglich in die Regale gestellt wurden, reichen bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Hinter den Buchreihen fanden wir teilweise ganze salvatorianische Büchernachlässe. In der Bücherwand am Gang befinden sich viele Bücher unterschiedlicher Herkunft und Inhaltes, von denen einige ausgeschieden werden können.
Der Salvatorianerpater und Ordenshistoriker Peter van Meijl hat es sich zur Aufgabe gemacht, aus allen im Haus befindlichen Beständen jene Bücher zu sammeln, die mit dem Umfeld des Gründers der Salvatorianer und Salvatorianerinnen, P. Franziskus Jordan (1848–1918), zu tun haben (zum Beispiel Biographien von Menschen, die P. Jordan beeinflussten sowie Bücher, die sich in seiner Bibliothek befanden oder Veröffentlichungen seiner Professoren). Das ist ordensintern relevant.
In St. Michael stellt sich in erster Linie die Frage der Reduzierung des Buchbestandes. Was im Orden gebraucht wird, wollen wir zugänglich machen. Die Patres im Haus behalten ihre Bücher in ihren Zimmern. Es ist also kein eigenständiger Handapparat für die Hausgemeinschaft definiert. Eines unserer Ziele ist es, einen solchen zu schaffen.
Während der Buchbestand in Margarethen am Moos vergleichsweise klein war und damit leicht sortiert und transportiert werden konnte, stellt die Aufarbeitung der Bücher in St. Michael einen laufenden Prozess dar, der noch einige Zeit und Energie benötigen wird. Durch die getätigten Schritte sind wir jedoch unserem Ziel ein großes Stück nähergekommen: die Dokumentation und Sicherstellung der historischen Bücherbestände der Barnabiten in Österreich mit einer Gesamtdokumentation in Wien als Hauptniederlassung.
Robert Passini studierte von 2000 bis 2005 Drehbuch und Regie an der Filmschule Wien (mit Diplom 2009). Er ist seit 2008 bei den Salvatorianern in Wien beschäftigt und betreut das Provinzarchiv der Salvatorianer.
Kontakt: provinzarchiv@salvatorianer.at
1 Die Kongregation der Regularkleriker vom hl. Paulus (auch Paulisten, lateinisch: Clerici regulares S. Pauli decollati, Ordenskürzel B, auch CRSP) wurde 1530 in Mailand gegründet und vom Volk nach dem antiken Kloster San Barnaba „Barnabiten“ genannt. Vor beinahe vierhundert Jahren, 1626, ließen sie sich in Österreich nieder. Fast dreihundert Jahre später, 1923, zogen sie sich wieder nach Italien zurück.
2 Der Bibliotheksraum in Wien-Mariahilf wurde 1768/69 errichtet. Die Salvatorianer gaben das Kolleg 1997 an die Michaeliten weiter. Eine Literaturliste ist zu finden unter: http://www.klosterbibliotheken.at/literatur/mariahilf.php [Zugriff: 05.09.2019].
3 Nach einem Brand des alten Pfarrhofes 1678 wurde im Jahr 1700 der Bau des neuen Kolleggebäudes fertiggestellt. Der darin befindliche Bibliotheksraum wurde 1760 nachträglich angebaut. Zugang zu dieser Bibliothek ist derzeit nur durch persönliche Anmeldung im Pfarrbüro möglich. Informationen zur Bestandsgeschichte, -beschreibung und Kataloge, siehe https://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Salvatorianerkolleg_ (Misterbach) [Zugriff: 05.09.2019].