Was ist wichtig um eine Fotografie zu erhalten?
Vortrag gehalten bei der Jahrestagung der ARGE Ordensarchive zum Thema „Bilder archivieren. Wie, womit und weshalb?“ am 9. April 2019 in St. Pölten.
Um für die optimale Erhaltung von Fotografien sorgen zu können, ist es einerseits wichtig sich genauer mit deren oft sehr unterschiedlichem Aufbau, ihren Entstehungsprozessen und Materialen zu beschäftigen. Diese bedingen nämlich zum großen Teil die Abbauprozesse und die sogenannten endogenen Schäden (d.h. vom Originalmaterial ausgehend) und beeinflussen im Weiteren die verschiedenen konservatorischen Anforderungen zur Aufbewahrung. Andererseits können viele exogene Schäden (durch äußere Faktoren bedingt) durch einfache vorbeugende Maßnahmen, wie eine optimierte Lagerung und sachgemäße Handhabung, vermieden werden.
Aufbau von Fotografien: Erkennen und Bestimmen von Prozessen und Materialien
Seit den Anfängen der Fotografie im 19. Jahrhundert hat sich diese laufend verändert und weiterentwickelt. Es gibt unzählige Prozesse, Techniken und Materialien; hinzu kommen fotografische Druckverfahren.1 Ein besonderer Wendepunkt fand mit der Entwicklung der „Digitalfotografie“ statt, da diese zwar vergleichbar mit der analogen Fotografie ist, jedoch grundlegende Unterschiede aufweist, wie etwa, dass es sich um digitale Bilddateien oder z.B. um Laser-Ausdrucke handelt.2 Hier soll vor allem auf die analogen Verfahren eingegangen werden.
Grundsätzliche Bestandteile jeder Fotografie sind Trägermaterial, Bindemittel und die bilderzeugenden Teilchen. Diese können lichtempfindliche Substanzen (z.B. lichtempfindliche Silbersalze) und/oder bildformende Substanzen (z.B. Pigmente, Farbstoffe) sein. Zu diesem Aufbau hinzukommen können alternativ Barytschicht(-en), Kolorierungen, Retuschen, Lackierung und Kaschierungen (Tabelle 1). Zur Bestimmung einer bestimmten fotografischen Technik sind neben Fragen zum oben beschriebenen Schichtenaufbau (z.B.: Woraus bestehen Trägermaterial, Barytschicht und Bindemittel?; Oder: Sind Papierfasern sichtbar?) weitere Kriterien (Tabelle 2) wichtig.3 Diese betreffen etwa die bilderzeugenden Teilchen (Art, Verteilung, Korngröße), Farbton, Oberfläche, Bildformate und Art der Präsentation, Beschriftungen und Markierungen am Trägermaterial, Schadensbilder, etc.
Zur praktischen Identifizierung der unterschiedlichen Prozesse und Materialien findet anfänglich eine visuelle Untersuchung mit freiem Auge oder mit einer Lupe, wie etwa einem einfachen Fadenzähler, im Normallicht und Streiflicht statt. Im Idealfall kann zusätzlich auch ein Mikroskop verwendet werden. Weitere Untersuchungen mit einer UV-Lampe machen Retuschen deutlich, können eine Datierungs- bzw. Unterscheidungshilfe von Fotografien von vor bzw. nach ca.1960 sein, zu einem Zeitpunkt, als optische Aufheller (diese fluoreszieren im UV-Licht) eingeführt wurden, und liefern vor allem bei Farbfotografien weitere Informationen.4 Online gibt es dazu nützliche Bestimmungshilfen, etwa jene des Image Permanence Institute des Rochester Institute of Technology, NY.5 Die Niederösterreichische Landesbibliothek erhielt im Juli 2019 eines der Analog Sample Sets6 und erstand ergänzend einen der Dye Transfer Prints7 der Photographic Materials Group des American Institute for Conservation, eine Studien- und Referenzsammlung, mit welcher 17 bzw. 18 unterschiedliche analoge fotografische Prozesse identifiziert werden können (Abb. 1).
Abb. 1: Das Analog Sample Set, AIC, 2019 aus der Sammlung der NÖLB (Sig. 199.699C).
Zusätzlich besteht die Möglichkeit von weiteren technischen Untersuchungen und Analysen zur ausführlicheren Bestimmung. Mittels Fourier-Transform-Infrarot (FTIR-) Spektroskopie können etwa Träger, Bindemittel und Pigmente genauer untersucht werden.8 Die Röntgenfluoreszenz Analyse (RFA) liefert Informationen zu anorganischen Komponenten wie z.B. Silber.9
Evtl. Schutzschicht, Kolorierung, Retuschen |
Optional |
Bilderzeugende Teilchen Meistens lichtempfindliche Silbersalze, aber auch: Eisenkomplexe, Platin, die sogenannte Lichtempfindliche Substanz, und/oder als Bildformende Substanz organische Farbstoffe, Pigmente, bei Platin- und Bromöldruck und bei fast allen Farbfotografien (außer Autochromen). |
Einschichtige Fotografien: z.B. Salzpapier |
Evtl. Emulsionsschicht (Bindemittelschicht) Die sogenannte Emulsion besteht z.B. aus Gelatine, Albumin (Eiweiß), Kollodium oder Gummi Arabicum. In ihr sind die bilderzeugenden Teilchen eingebettet (suspendiert). |
Zweischichtige Fotografien: z.B. Albuminpapier |
Evtl. Barytschicht (Bariumsulfat & Gelatine /Titandioxid & PE) |
Dreischichtige Fotografien: z.B. Kollodium POP |
Trägermaterial Auch mehrschichtig möglich; aus Papier/ Karton, Kunststoff, Metall, Glas, Textil, Porzellan, … |
Immer |
Anti-Roll-Schicht (Gelatine) |
Optional |
PE-Schicht (P(oly)E(thylen)-Papier (engl. R(esin) C(oated) paper) |
Optional |
Tabelle 1: Schematischer Aufbau von unterschiedlichen Fotografien: Die grau unterlegten Zeilen sind immer Bestandteile einer Fotografie, dazu kommen bei zweischichtigen Fotografien eine Emulsionsschicht und bei dreischichtigen Fotografien eine Barytschicht.
Positiv |
Negativ |
opak |
transparent |
schwarz-weiß |
farbig |
einfarbig |
mehrfarbig |
Halbton |
Raster |
Farbton / Oberfläche |
|
Typische Präsentation / Montage / Format |
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Schäden |
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Herstellungszeitpunkt / Datierung auf der Fotografie |
|
Beschriftungen / Markierungen |
Tabelle 2: Weitere Kriterien, die (neben Fragen zum Schichtaufbau) Identifizierungshilfen von fotografischen Materialien und Verfahren sind (nach SCHMIDT 2012).
Zur Unterscheidung der Bindemittel Gelatine, Kollodium und Albumin kann ein einfacher, jedoch für Laien nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlener Tropftest mit Wasser- und Alkohol durchgeführt werden.10
Besonders wichtig ist die genauere Materialbestimmung bei Filmen, da manche von ihnen, wie etwa Zellulosenitratfilme, selbstentzündlich sind und somit eine unmittelbare Gefahr für eine Sammlung bedeuten. Andere, auf Zelluloseazetat basierende Filme sondern Essigsäure ab, die wiederum auch Schäden an benachbarten Objekten hervorrufen kann.11 Es gibt einige einfache Tests, die neben dem Entstehungsdatum zur Unterscheidung von Nitrat-, Azetat- und Polyester-Film herangezogen werden können (Tabelle 3).12
Trägermaterial |
Cellulosenitrat |
Celluloseazetat |
Polyester (PE) |
Datierung |
1889-1950 |
ab 1920 |
ab 1940er/50er Jahren |
Möglicher Aufdruck am Rand |
Nitrat |
Safety/ Safetyfilm |
Estar |
Mögliche Kerben am Rand (stimmt jedoch nicht immer) |
V |
U |
|
Test mit Polarisationsfiltern |
Dunkel, keine Farbringe |
Farbringe |
|
Möglicher Geruch |
Salpetersäure |
Essigsäure |
|
Typische Schäden |
Autokatalytischer Abbau-prozess führt zu Vergilben, Verwerfen, Verspröden (durch Sublimieren des als Weichmacher fungierenden Camphers); Salpetersäure und Stickoxide werden frei, umliegende Materialien werden geschädigt bzw. erweichen und verkleben. Entflammbar ab 38°C! |
Autokatalytischer Abbauprozess führt zu Schrumpfung des Trägermaterials und Ablösen der Emulsionsschicht. „Essigsäure-Syndrom“ oder „Vinegar-Syndrom“ |
Weitgehend stabil, Kratzer |
Empfohlene konservatorische Maßnahmen |
Kühl und trocken lagern, getrennt aufbewahren (Sonderdepots!) |
Kühl und trocken lagern, für gute Belüftung sorgen, degradierte Objekte getrennt aufbewahren. |
Tabelle 3: Unterscheidung der Kunststoffträger Nitrat-, Azetat- und Polyester-Film, deren Schäden und empfohlene konservatorische Maßnahmen.
Abbau von Fotografien: Abbauprozesse und deren Ursachen
Grundsätzlich gibt es endogene Schäden und exogene Schäden. Letztere können weiter in chemische, physikalisch, mechanische oder biologische Schadensarten unterschieden werden. In Tabelle 4 finden sich die häufigsten Schadensarten an Fotografien mit Beispielen für deren Schadensfaktoren und ihre Schadensbilder.13
Oft finden sich jedoch Kombinationen von mehreren Ursachen, und die einzelnen Schäden können einander bedingen. Staub und Schmutz etwa binden Schadstoffe aus der Luft und können in Kombination mit höherer Luftfeuchtigkeit (>55%) zum Nährboden von Schimmel und anderen Mikroorganismen werden. Dies beschleunigt die natürliche Alterung des Materials und die meisten Abbauprozesse sind irreversibel und können zum Totalverlust führen! Daher ist es vor allem wichtig, die Verursacher und Quellen von exogenen Schäden so gut wie möglich zu vermeiden. Einfache Maßnahmen wie das Tragen von Handschuhen, sachgemäße Verpackungen, Depothygiene oder die Kontrolle des Klimas gehören dazu.
Ursache |
Schadensart |
Beispiele Schadensfaktoren |
Beispiele Schadensbilder |
ENDOGENE Schäden (vom Originalmaterial ausgehend) |
Meist chemisch |
Ausgangsmaterialien von schlechter Qualität, besonders empfindliche Materialien oder schlechte Verarbeitung (wie ungenügendes Wässern, Verwendung verbrauchter Fixierbäder),… |
Verbräuntes und brüchiges Material, Ausbleichen, Flecken, Selbstentzündung, … |
EXOGENE Schäden (durch äußere Faktoren bedingt) |
Chemisch |
(Lösungsmittel-)dämpfe, (Luft-) Schadstoffe (insbesondere Peroxide, die in Spannplatten, Papieren von schlechter Qualität, Kunststoffen oder frischer Farbe vorkommen können, oder Ozon (Kopierer!) und Schwefel-verbindungen), ungeeignetes Aufbewahrungsmaterial, Handschweiß und -fett,… |
Korrosion, Flecken, Oxidation des Silbers (Aussilbern, Ausbleichen), Verfärbungen (z.B. Gelbfärbung des Albumins), Fingerabdrücke, … |
Mechanisch |
Benutzung, Handhabungsfehler, zu große mechanische Belastung,… |
Fehlstellen, Bruch, Knicke, Kratzer, Risse, Bestoßene Ecken und Kanten … |
|
Biologisch |
Schimmel, Bakterien, Schädlinge |
Bis zum Totalverlust/ Gesundheits-gefährdend, Fraßspuren, … |
|
Physikalisch |
Licht, ungünstiges & schwankendes Klima, Staub, Adhäsion an glatten Hüllen,… |
Beschleunigte Alterung, Verbleichen, Verwellen, Verspröden (Haarrisse), Verschmutzen, Delamination und Abplatzen der Bildschicht, Korrosion… |
Tabelle 4: Schadensarten an Fotografien: Beispiele für Schadensfaktoren und ihre Schadensbilder.
Einige Beispiele von typischen Schadensbildern
Ein anschauliches Beispiel eines endogenen Schadens findet sich in einem Familienalbum aus dem Herrschaftsarchiv Aspang (NÖLA), datiert 1908-0914. Die Amateuraufnahmen sind anscheinend bei der Entwicklung nicht immer genügend nachgewässert worden, wodurch Flecken von Rückständen der Entwicklungschemikalien entstanden sind. Anhand von zwei ähnlichen Fotografien der Kirche in Futok (heute Serbien) wird dies deutlich (Abb. 2).
Auf dem Portrait eines Soldaten (Abb. 3), ebenfalls aus einem Album15 (Porträtsammlung) aus dem Niederösterreichischem Landesarchiv sind typische Schäden, wie Fingerabdrücke, Klebstoff- und Stockflecken, und Fehlstellen an einer im Album verrutschten und stark verblichenen Fotografie eingezeichnet. Typisch für frühe Fotografien ist dort auch zu sehen, dass das Verbleichen oft auch anhand der farblich nicht mehr passenden Retuschen feststellbar ist. Ein weiteres besonderes Beispiel aus der Topografischen Sammlung der Niederösterreichischen Landesbibliothek hierfür sind zwei Abzüge desselben Negativs (sehr wahrscheinlich nasses Kollodiumverfahren) einer Darstellung des Wiener Neustädter Doms von 1856 (Abb. 4) von Andreas Groll (1812–1872)16. Der unbearbeitete Abzug (weder signiert, datiert oder retuschiert, jedoch mit denselben Fehlstellen im Negativ) der beiden Albuminpapiere muss weniger oft dem Licht ausgesetzt gewesen sein als der bearbeitete, bei welchem die nun als zu dunkel erscheinenden Retuschen stark sichtbar sind.
Bei Farbfotografien führen Veränderungen in der Molekülstruktur der Farbstoffe zu Farbveränderungen und Farbverschiebungen (Abb. 5). Diese können durch Hitze, zu hohe Feuchtigkeit und durch Luftschadstoffe bei der Lagerung im Dunklen (sogenanntes „dark fading“), wie durch zu viel Licht z.B. bei Ausstellungen (sogenanntes „light fading“) entstehen.17
Auch ungeeignetes Lagerungsmaterial (wie etwa Pergaminhüllen) kann Ausbleichen von Fotografien und Filmstreifen verursachen oder zu Schäden wie beispielsweise zu Vergilben führen (dies entsteht durch Kontakt mit (holzschliffhaltigem) Packpapier).18
Ebenso können nicht inerte, beispielsweise Weichmacher und Säuren enthaltende Plastikhüllen verschiedenartige Schäden herbeiführen, wie etwa die Bildung von Kondenswasser, welches zum Verkleben des Plastiks mit der Bildschicht des Fotomaterials oder Schimmelbildung führen kann.19
Vor allem bei akuten Notfällen wie Wasserschäden ist rasches Handeln notwendig, da die Bindemittelschichten der Fotografien aufquellen und miteinander verkleben können. In weiterer Folge kann es zur Schimmelbildung kommen; Gelatine ist dafür ein guter Nährboden. Auch bei zu hoher relativer Luftfeuchtigkeit ab 60% besteht die Gefahr des Schimmelwachstums. Achtung: Durch Schimmelbefall wird die Gelatineschicht wieder wasserlöslich!
Oftmals reichen einfache konservatorische Maßnahmen um Fotografien zu stabilisieren, wie etwa bei diesem zerbrochenen Glasplatten-Negativ von 1884 (Abb. 6), welches nach einer Digitalisierung lediglich in einer Mappe mit einer Vertiefung aus Karton konserviert wurde.
Abb. 2: Seite eines Fotoalbums, Kircheinweihung Futok, 1908, HA Aspang, Private HS 3/14, NÖLA: Bei der linken Fotografie sind durch schlecht ausgewässerte Entwicklungschemikalien helle Flecken (blau) entstanden.
Abb. 3: Verschiedene Schäden einer Fotografie (Albuminpapier): Fingerabdrücke (blau), Klebstoff- und Stockflecken (rosa), Fehlstellen (grün) an einer im Album verrutschten und stark verblichenen (etwa an Hand der hervortretenden Retuschen (orange) sichtbar) Fotografie (Zustand vor der Restaurierung). HA Aspang, Private HS 3/13, Fotoalbum (Männerporträts mit Namen), NÖLA.
Abb. 4: Gegenüberstellung zweier Abzüge (Albuminpapier) einer sehr frühen Fotografie des Wiener Neustädter Doms: Anhand des linken (Sig. 8.249) nicht retuschierten, dunkleren Abzugs lässt sich die Veränderung desselben Bildes, rechts (Sig. 21.645) gut illustrieren: Dort fallen die dunklen Retuschen auf, die die hellen Flecken überdecken sollten, die links noch sichtbar sind (beide blau markiert). Da der bearbeitete Abzug Sig. 21.645 signiert und datiert ist („1856 A. Groll“), wurde er öfter ausgestellt bzw. dem Licht ausgesetzt und ist nun viel heller. NÖLB.
Abb. 5: Farbveränderungen an einer Farbfotografie, Kirche in Mank, 1974, NL Stangler, Fotoalbum 4, ÖAAB Erinnerungsalbum, NÖLA.
Abb. 6: Einfache Maßnahme zur Konservierung eines zerbrochenen Glasplatten-Negativs: Eine Mappe mit einer Vertiefung aus säurefreiem Karton; St. Pölten, Wiener Tor in der Wiener Straße, 1884, Bestand Gymnasium Josephstraße, NÖLA.
Konservierung von fotografischen Materialien am Niederösterreichischen Landesarchiv und in der Niederösterreichischen Landesbibliothek
Die optimale Bewahrung von fotografischem Archiv- und Bibliotheksgut stellt das Niederösterreichische Landesarchiv und die Niederösterreichische Landesbibliothek oft vor Herausforderungen.
Die Trennung von Aktenfaszikeln und den dazugehörigen Fotografien – um eine bestmögliche Lagerung zu gewährleisten – ist aus organisatorischen, aber auch aus Kapazitätsgründen nicht immer möglich. Die fotografischen Sammlungen sind oftmals umfassend, und die Umverpackung ist sehr zeit- und kostenintensiv. Der Kaltraum des Niederösterreichischen Landesarchivs ist in einem Außendepot am Stadtrand angesiedelt und somit nicht unmittelbar erreichbar (Abb. 7). Dennoch ist es uns seit der Inbetriebnahme des Kaltraumdepots im Jahr 2008 möglich, besonders wertvolle oder sensible fotografische Objekte in einer klimatisch kontrollierten Umgebung aufzubewahren und dadurch Abbauprozesse zu verlangsamen.20
Abb. 7: Das klimatisierte Kaltraumdepot für Fotografien des Niederösterreichischen Landesarchivs und der Niederösterreichischen Landesbibliothek.
Das Hauptaugenmerk der Stabstelle für Konservierung und Restaurierung liegt nicht primär in der Restaurierung von Einzelobjekten, da diese meist mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Außerdem bedeutet eine Restaurierung immer einen nicht rückführbaren Eingriff in die originale Substanz. Diese Intervention ist nur dann zu verantworten, wenn der Verlust von Teilen oder des gesamten Objektes droht.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht vielmehr die Schaffung von optimalen Bedingungen für die Stabilisierung des Istzustandes. Hierbei liegt unser Augenmerk auf der Herstellung eines geeigneten Umgebungsklimas und der Vermeidung von schädigenden Einflüssen wie Licht, gasförmigen Schadstoffen oder unsachgemäßer Handhabung. Die Verpackung mit alterungsbeständigen, unschädlichen Materialien bietet einen zusätzlichen Schutz der fotografischen Materialien. Die von den RestauratorInnen gesetzten konservatorischen Maßnahmen dienen größeren Sammlungsteilen und sind im Vergleich zu Einzelrestaurierung kostengünstiger.21
Klima
Fotografische Archivmaterialien müssen kühl und trocken gelagert werden. Der ISO Standard 18934:2011, Bild-Aufzeichnungsmaterialien - Lagerungsbedingungen für die Archivierung von Beständen mit unterschiedlichen Medien gibt z.B. für Glasplattennegative, SW-Positive und Polyester-Schwarzweißfilme eine Temperatur von 8–16 °C vor. Farbfilme sowie Filme mit Azetat- und Nitratträgern sollen bei 0–8 °C gelagert werden. Azetat- und Nitratfilme, bei welchen bereits Schäden wahrnehmbar sind, müssen sogar unter 0 °C aufbewahrt werden.22 Die relative Luftfeuchtigkeit sollte zwischen 30% und 40% liegen und möglichst konstant sein.23 Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit über 60% besteht die Gefahr eines aktiven mikrobiologischen Befalls,24 während ein zu niedriger Wasseranteil in der Luft zu einer Versprödung des Materials führen kann.
Grundvoraussetzung für die Annäherung an die empfohlenen Klimawerte ist eine fortwährende Messung über den gesamten Jahresverlauf von Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Depot. Nur so ist es möglich die klimatischen Bedingungen des Raumes bei unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten zu kennen und bei Abweichungen durch technische oder bauliche Maßnahmen gegenzusteuern. Sinnvoll ist es auch, an unterschiedlichen Stellen im Raum zu messen, da im Türbereich, an Fenstern und in den Ecken unterschiedliche Klimabedingungen vorherrschen können.
Licht
Fotografisches Material ist, wie auch die oben genannten Beispiele gut illustrieren (Abb. 2–5) meist in hohem Maße lichtempfindlich. Besonders Tageslicht mit seinem hohen UV-Anteil muss aus dem Depotraum verbannt werden. Auch bei der Bereitstellung von Fotografien für Ausstellungen sollte großes Augenmerk auf die Beleuchtungsstärke und die Ausstellungsdauer gelegt werden, denn der durch den Einfluss von Licht hervorgerufene Abbau kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.25 Der sogenannte „Blue Wool Standard“ gibt Auskunft über die Empfindlichkeit unterschiedlicher fotografischer Techniken und dient als Anhaltspunkt für die Expositionsdauer.26
Depoteinrichtung
Das Magazin sollte klimastabil, kühl und nicht feucht sein. Dachböden und Kellerräume sind meist nicht für die Lagerung von Archivalien geeignet. Das Depot muss staubfrei gehalten werden und darf ausschließlich als Depotraum genutzt werden. Die Lagerung von andersartigen Einrichtungsgegenständen und Materialien oder die Nutzung als Büro oder Leseraum sollte vermieden werden.
Die Regale dürfen keine Schadstoffe emittieren, nicht brennbar sein und keinen Staub anziehen oder binden. Am besten geeignet sind einbrennlackierte oder pulverbeschichtete Stahlregale.27 Es müssen ausreichende Abstände von Wänden (min. 200 mm) und Boden (min. 100 mm) eingehalten werden. Außerdem muss der Raum gut durchlüftet sein.28
Es ist ratsam, dass Azetatfilme aufgrund des Ausdünstens von Essigsäure, die sich negativ auf anderes fotografisches Archivgut auswirkt, in einem separaten Raum gelagert werden.29 Bei etwaigen Vorhandensein leicht entflammbarer Nitratfilme in der Sammlung muss Kontakt mit dem Filmarchiv Austria aufgenommen werden, um diese ehestmöglich auszulagern.30
Geeignetes Verpackungsmaterial für die Langzeitarchivierung
Jegliches Material, das zur Verpackung von Archivalien verwendet wird, muss vorab auf seine Eignung geprüft werden. Dabei können keinerlei Schlüsse anhand des Erscheinungsbildes gezogen werden. Vielmehr sollte man sich beim Kauf an den folgenden Standards orientieren:
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DIN EN ISO 9706:2010-02, Papier für Schriftgut und Druckerzeugnisse – Voraussetzungen für die Alterungsbeständigkeit (ISO 9706:1994)
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DIN ISO 16245:2012-05, Information und Dokumentation – Schachteln, Archivmappen und andere Umhüllungen aus zellulosehaltigem Material für die Lagerung von Schrift- und Druckgut aus Papier und Pergament (ISO 16245:2009)
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Für fotografische Archivalien sind nur Verpackungsmaterialien auszuwählen, die den Photo Activity Test (PAT) bestanden haben. Siehe dazu: ISO 18916:2007-06, Bildaufzeichnungsmaterialien – Verarbeitete Bildaufzeichnungsmaterialien – Prüfung der fotografischen Aktivität für Aufbewahrungsmittel (ISO 18916:2007)
Lagerung von Objekten mit unterschiedlichen Trägermaterialien
Intakte Glasnegative werden stehend, entlang der Längsseite, in Kartons aufbewahrt. Die Negative werden einzeln in Vierklappen-Umschlägen eingepackt.31 Gebrochene Glasnegative sollten einzeln, flachliegend in Passepartouts in Mappen gelagert werden (Abb. 6).32
Filmstreifen werden in Hüllen aus Papier in Klappkassetten aus Archivkarton aufbewahrt.33
Abzüge auf Papier und Kunststoffträgern können je nach Häufigkeit der Benutzung in transparenten Fototaschen, in Klappkassetten aus Archivkarton oder liegend in Archivboxen aufbewahrt werden. Hierbei muss jeder Abzug in Papier eingeschlagen werden, um ein Zusammenkleben oder Abreiben der Bildschicht zu vermeiden.34
Wählt man Kunststofftaschen, müssen diese weichmacherfrei sein und aus einem alterungsbeständigen Material wie Polyester, Polyethylen, oder Polypropylen bestehen.35 Vor allem bei der Verwendung von Verpackungen aus Kunststoff muss auf konstante Klimabedingungen geachtet werden, um die Bildung von Kondenswasser und ein Verkleben der Hülle mit der Fotografie zu vermeiden.
Handhabung und Beschriftung
Fotografisches Material darf ausschließlich mit Handschuhen (aus Baumwolle, Latex oder Nitril) berührt werden, um Fingerabdrücken vorzubeugen.
Die Beschriftung sollte möglichst auf der Verpackung vorgenommen werden. Ist diese unbedingt am Original auszuführen, darf nur auf der Rückseite mit einem weichen Bleistift beschriftet werden.36
Digitalisierung
Die Digitalisierung kann das Original niemals ersetzen, aber sie kann dieses entlasten. Sie dient als Sicherheitskopie, erleichtert die Zugänglichkeit und erhöht die Reichweite.
Der Digitalisierungsprozess, die Speicherung und Verwaltung der Daten verursachen jedoch auch hohe Kosten. Der Nutzen muss vorab abgewogen werden.37
Zusammenfassung
Der Umgang mit fotografischen Sammlungen bedingt sowohl ein Grundwissen über die Techniken, als auch ein Können diese grob zu kategorisieren, um Schäden und Schadenspotentiale zu erkennen. Denn diese Objekte weisen verschiedenartige Empfindlichkeiten gegenüber ihren Umgebungsbedingungen auf und es liegt bei den Sammlungsbetreuenden, geeignete Verhältnisse zu schaffen, damit diese Kulturgüter auch für spätere Generationen erhalten bleiben. Dieser kurze Leitfaden soll als erste Hilfestellung dazu dienen und an Hand einiger Beispiele aus dem Niederösterreichischem Landesarchiv und der Niederösterreichischen Landesbibliothek diese Problematik veranschaulichen.
Zusammenfassend sind hier noch kurz die wichtigsten Dos and Don’ts für die Handhabung von fotografischem Material aufgelistet.
DOs and DON’Ts
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Christa Gattringer studierte Konservierung und Restaurierung an der Universität der Bildenden Künste Wien und Kunstgeschichte an der Universität Wien. 2008 bis 2014 absolvierte sie ihr Doktorat an der University of Glasgow in Technischer Kunstgeschichte. Seit 2013 ist sie als Konservatorin/Restauratorin am NÖ Landesarchiv und der NÖ Landesbibliothek tätig. Kontakt: christa.gattringer@noel.gv.at
Ilse Entlesberger absolvierte von 2002 bis 2008 das Studium der Konservierung und Restaurierung an der Universität der Bildenden Künste. Von Jänner bis August 2008 absolvierte sie eine Projektarbeit in den Restaurierungswerkstätten der Österreichischen Nationalbibliothek. Seit Oktober 2008 ist sie im NÖ Landesarchiv tätig und hat seit 2011 die Leitung der Konservierung/Restaurierung des NÖ Landesarchivs und der NÖ Landesbibliothek inne.
Kontakt: post.K2archiv@noel.gv.at
1 Marjen SCHMIDT, Fotografien in Museen, Archiven und Sammlungen (München 1995); Bertrand LAVÉDRINE, Photographs of the Past, Process and Preservation (Los Angeles 2009); Sylvie PENICHON, Twentieth-century color photographs: identification and care (Los Angeles 2013).
2 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 6; Martin JÜRGENS, The Digital Print: The Complete Guide to Processes, Identification and Preservation, (Los Angeles 2009). Geistiger Schöpfer Ort GND
3 Marjen SCHMIDT, Bildbestimmung Fotografie Teil 1: Identifizierung historischer fotografischer Materialien und Verfahren, Steiermärkisches Landesarchiv, unpublizierte Workshop Unterlagen (Graz 8. Mai 2012), 1; LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 2, 6, 188–193.
4 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 196f.; PENICHON, Twentieth-century (wie Anm. 1) beschreibt bei jedem Prozess Charakteristika im UV-Licht.
5 RIT/ Image Permanence Institute: Graphics Atlas: www.graphicsatlas.org [Zugriff: 26.06.2019] und für digital Drucke: www.dp3project.org/dp3id/ [Zugriff: 26.06.2019]; siehe auch:
University of Illinois at Urbana-Champaign, Preservation Self-Assessment Program, Photographic and Image Materials Cheatsheet online unter https://psap.library.illinois.edu/collection-id-guide/summary-photo [Zugriff: 26.06.2019].
6 Photographic Analog Processes in Film and Print, Sample Set, A Project of the Photographic Materials Group of the American Institute for Conservation, 2019; siehe auch: https://analog.albumenworks.com/product/the-analog-sample-set [Zugriff: 25.07.2019].
7 Siehe auch: https://analog.albumenworks.com/product/the-dye-transfer-print [Zugriff: 25.07.2019]
8 Dusan STULIKS – Art KAPLAN, The Atlas of Analytical Signatures of Photographic Processes (Los Angeles 2013), online unter www.getty.edu/conservation/publications_resources/pdf_publications/atlas.html [Zugriff: 26.06.2019]
9 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 194–197.
10 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 100f.
11 Alexandra SCHIEWECK – Tunga SALTHAMMER, Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven: Raumluft - Baustoffe - Exponate (Braunschweig 2006) 100f; María Fernanda VALVERDE, Photographic Negatives: Nature and Evolution of Processes (Rochester 22005), online unter https://s3.cad.rit.edu/ipi-assets/publications/negatives_poster_booklet.pdf [Zugriff: 26.06.2019]
12 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 100–102; Bertrand LAVÉDRINE, A Guide to the Preventive Conservation of Photograph Collections (Los Angeles 2003) 16–23; VALVERDE, Negatives (wie Anm. 11) 22, 27, 30; LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 256–258, 268f., 278.
13 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 71–76; LAVÉDRINE, Guide (wie Anm. 12) 4–16; LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 274–286; siehe auch: RIT Image Permanence Institute, Photo storage, display, & labelling materials a guide to ISO 18902 “photo-safe” testing, online unter https://imagepermanenceinstitute.org/tests/index.html [Zugriff: 26.06.2019]: In einer sehr übersichtlichen Grafik, mit ansehnlichen Beispielen, werden die Beziehungen von verschiedenen Schadensverursachern und Schäden in den verschiedenen Schichten einer Fotografie dargestellt.
14 Dank ergeht an unsere KollegInnen Dr. Ralph Andraschek-Holzer, Dr. Christina Mochty-Weltin, Dr. Günter Marian und MMag. Günter Katzler für ihre fachliche Unterstützung und Hilfe.
15 Zur Problematik der Konservierung von Fotoalben des 19. Jhd., siehe: LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 124f.
16 Vergleiche dazu: Monika FABER (Hg.), Andreas Groll. Wiens erster moderner Fotograf. 1812–1872, 406. Sonderausstellung des Wien Museums, 21. Oktober 2015 bis 10. Jänner 2016 (Wien 2015) 134, 265: Ein weiterer datierter und signierter Abzug desselben Negativs findet sich im Wien Museum, der ebenfalls so weit verblichen ist, dass nun die Retuschen sichtbar sind. Siehe ebenda S. 57–61 zu Grolls Umstieg vom Kalotypie- auf das nasse Kollodiumverfahren.
17 PENICHON, Twentieth-century (wie Anm. 1) 292–295.
18 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 81 (Abb. 80); LAVÉDRINE, Guide (wie Anm. 12) 45f., LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 257 (Abb. 194), 286f. (Abb. 216).
19 LAVÉDRINE, Guide (wie Anm. 12) 46–48; LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 279, 289f.
20 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 280; Sarah WAGNER, Cold Storage Handling Guidelines for Photographs (Washington 1991), online unter www.archives.gov/preservation/storage/cold-storage-photos.html [Zugriff: 26.06.2019].
21 Bundeskonferenz Kommunaler Archive, Positionspapier. Das historische Erbe bewahren! Bestandserhaltung - eine kommunalarchivische Kernaufgabe (veröffentlich am 3.10.2010), online unter http://www.bundeskonferenz-kommunalarchive.de/empfehlungen/Positionspapier_BKK-UA_Bestandserhaltung_2010-10-03.pdf [Zugriff:13.06.2019].
22 Basierend auf ISO 18934:2011-10, Bild-Aufzeichnungsmaterialien – Lagerungsbedingungen für die Archivierung von Beständen mit unterschiedlichen Medien (ISO 18934:2011).
23 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 281.
24 DIN ISO 11799:2017-04, Information und Dokumentation – Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut, Teil 5: Installation und Ausstattung (ISO 11799:2015), 9.
25 DIN ISO 11799:2017-04 (wie Anm. 19).
26 ICA Committee on Preservation of Archives in Temperate Climates, Guidelines On Exhibiting Archival Materials (veröffentlicht am 9.12.2011), online unter https://www.ica.org/en/guidelines-exhibiting-archival-materials [Zugriff:14.06.2019].
27 DIN ISO 11799:2005-06, 12-13 (abgedruckt in: Rainer HOFMANN, Hansjörg WIESNER, DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hg.), Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken (Berlin 2007) 68f.)
28 DIN ISO 11799:2017-04 (wie Anm. 24) 10f.
29 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 256.
30 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 256.
31 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 79.
32 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 299.
33 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 263.
34 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 79.
35 LAVÉDRINE, Photographs (wie Anm. 1) 289.
36 SCHMIDT, Fotografien (wie Anm.1) 61.
37 Siehe dazu: Franziska FREY, James REILLY, Digital Imaging For Photographic Collections Foundations. For Technical Standards (Rochester, 2006), online unter www.imagepermanenceinstitute.org/webfm_send/650 [Zugriff: 26.06.2019].