Behalten, Aussondern oder Wegwerfen?
Vortrag gehalten im Rahmen der Jahrestagung der kirchlichen Bibliotheken am 18. Juni 2019 im Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg am Inn.
Dieser Erfahrungsbericht wirft einen Blick auf den Umgang mit Mehrfachexemplaren von Büchern in unserer Bibliothek in den letzten 25 Jahren.
Beginnen möchte ich mit der Frage, was in unserer Bibliothek unter den Begriff einer „Buchdublette“ verstanden wird. Es handelt sich dabei um ein Medium, das in unserer Bibliothek entweder als Teil des Bibliotheksbestandes oder des Bereichs nicht katalogisierter Medien vorhanden ist und sich weder formal noch inhaltlich von einem anderen vorhandenen Medium unterscheidet. Jedenfalls gilt diese Definition nicht für unseren historischen Buchbestand, dessen exemplarspezifischen Merkmale, etwa Besitzvermerke oder Einband, den Unikatscharakter dieser Werke betont und denkmalschutzrechtlich geschützt ist. Natürlich sind auch zahlreiche Bücher des 20. Jahrhunderts unserer Bibliothek mit Besitzvermerken und Anmerkungen versehen, sodass im strengen Sinn nicht von einer Dublette gesprochen werden kann. Der Umgang mit diesen Büchern wird im Bereich der Zweitverwertung dargestellt.
Wie kommt es zu einer Anhäufung von Mehrfachexemplaren in unserer Bibliothek? Der Kapuzinerorden ist regional in Ordensprovinzen untergliedert. Zu jeder Provinz gehören dann wieder mehrere Niederlassungen. Die Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol hat in den letzten Jahren aufgrund Brüdermangels 14 Niederlassungen schließen müssen. Dadurch sind zahlreiche Klosterbibliotheken als Gesamtes Bestandteil der Provinzbibliotheken Innsbruck bzw. Brixen geworden. Damit ist auch die Zahl von Dubletten gewachsen. Auch der Tod vieler Brüder in den vergangenen Jahren hat zu zahlreichen Buchnachlässen geführt (siehe Abb. 1).
Obwohl Kapuzinerbrüder per se kein Eigentum besitzen, ist es Ordenstradition, Bücher „zum einfachen Gebrauch“ (ad simplicem usum) in der Zelle aufzubewahren. Das hat insbesondere bei den ehemaligen Lektoren in unserer Ordensprovinz zu stattlichen Privatbibliotheken und auch zu einem Anwachsen an Dubletten geführt. Diese Situation hat sich in den letzten 10 Jahren gebessert. Der Online-Katalog macht es jederzeit möglich, im Bestand der Provinzbibliothek zu recherchieren, ob ein (teureres) Werk dort bereits vorhanden ist und ausgeliehen werden kann, ehe es selbst angekauft wird. Das gilt aber nicht für Werke, die der individuellen formatio permanens der Brüder, etwa den Franziskus- und Klara-Quellen, dienen und dadurch mehrfach vorhanden sind. Es werden keine pauschalen Schenkungen von Privatpersonen mehr angenommen.
Der Umgang mit Dubletten hat sich in unserer Bibliothek seit meiner Anfangszeit als Bibliothekar stark verändert. Zu Beginn wurde eine Liste der Mehrfachexemplare geführt und an andere Kapuzinerklöster und Ordensgemeinschaften gesandt, die bei Interesse Werke übernehmen konnten. Verbliebene Dubletten wurden in Kisten gelagert und für einen Kilopreis antiquarisch veräußert.
Mit der Übernahme von Inkunabelbeständen aus verschiedenen Kapuzinerklöstern wurde auch die Erhaltung dieser wertvollen Zeugen der Buchdruckerkunst notwendig. Neben Förderungen und Sponsoring sollte auch die Direktvermarktung der Dubletten dabei helfen, dass der Selbstbehalt der Ordensprovinz so gering wie möglich ausfällt. Davon ausgenommen sind Dubletten mit franziskanischem Inhalt, die an unsere Zentralbibliothek der Kapuziner in Rom abgegeben und dort anderen Kapuzinerbibliotheken angeboten werden. Ein weiterer, damals noch nicht berücksichtigter Effekt sollte in der Folge die Öffnung der Bibliothek für einen von den Bibliotheksbenutzern unterschiedlichen Personenkreis sein. Neben Privatpersonen traten auch andere Ordensgemeinschaften mit uns in Kontakt, denen wir Buchwünsche erfüllen konnten.
Von der Möglichkeit, Dubletten selbst zu verkaufen, habe ich im Rahmen einer VÖB-Kommissionssitzung von Ingo Glückler von der DUB Linz erfahren. Als Plattformen für den Onlineverkauf boten sich Amazon, Booklooker und ZVAB an. Wir entschieden uns für Booklooker1 (siehe Abb. 2), da dort die zu zahlende Verkaufsprovision (auch die Betreiber einer Onlineplattform müssen wie der Antiquar von etwas leben) am niedrigsten ausfällt. Eine Einstellgebühr wird nicht verlangt.
In der Folge wurde die vorhandene Excelliste der Dubletten bei Booklooker importiert und die vorhandenen Daten durch Praktikanten um die Werte Preis, Zustand, Gewicht (für die automatische Versandkostenberechnung) und Sparte angereichert. Für die Ermittlung des Preises dienen als Vergleichsmaßstab die Angaben bei der Spezial-Suchmaschine findmybook.de, die sekundenschnell eine Parallelsuche bei Buchshops, Second-Hand- und Antiquariats-Plattformen ermöglicht. Natürlich fließt auch die Beschaffenheit des Werkes in die Preisbildung mit ein.
Dieses Angebot von Büchern wird laufend durch Bücher erweitert, die über Schenkungen an die Brüder als Dubletten in unsere Bibliothek kommen bzw. die sich in den Regalen der nicht katalogisierten Bücher der Bibliothek (vor allem Buchnachlässe verstorbener Brüder) befinden. Letztere werden Buch für Buch durchgesehen und nichtsammelnswerte Werke und Dubletten einer Zweitverwertung zugeführt. Die Verwertung wird in einer „Ausscheideliste“ dokumentiert. Neben Autor, Titel, Erscheinungsort, Jahr und Auflage werden dort auch die Verwendung (Booklooker, Zentralbibliothek Rom, Flohmarkt, Altpapier,…) und etwaige Besitzvermerke dokumentiert, sodass etwa nachvollzogen werden kann, welche Bücher sich im Nachlass eines Ordensbruders befunden haben und vom wem dieser sie geschenkt bekam. Aus ökonomischen Gründen werden nur Werke bei Booklooker eingestellt, deren Wert mehr als 5 Euro beträgt. Neuwertige, aktuelle Buchdubletten von geringerem Verkaufswert werden an den Verantwortlichen für den Schriftenstand der Kirche abgegeben.
Aufgrund des vorhandenen Platzes im Buchmagazin ist das Angebot der Dubletten auf 2.500 Titel beschränkt. Sobald die Zahl erfasster Titel bei Booklooker 2.000 übersteigt, erfolgt eine Durchsicht des Angebots auf Werke die schon länger eingestellt sind, jedoch von niemanden aufgerufen wurden. Diese werden dann ausgeschieden (Flohmarkt bzw. Altpapier).
Nicht ganz zum Thema „Dubletten“, aber zum Themenkreis „Verwertung von Büchern“ passt folgender Punkt. Die Kapuzinerbibliotheken Hartberg und Klagenfurt wiesen einen starken Schimmelbefall auf (siehe Abb. 3).
Da der Befall schon über einen längeren Zeitraum vorhanden war bzw. die Schließung des Klosters Hartberg knapp bevorstand, war akuter Handlungsbedarf gegeben. Mit dem Bundesdenkmalamt wurde definiert, welcher Bestand schützenswert2 ist und bei diesem Buchbestand Maßnahmen zur Schimmelbeseitigung gesetzt. Bezüglich der anderen, verbliebenen, verschimmelten Bücher wurde der Denkmalschutz aufgehoben und Antiquaren zum Kauf angeboten. Der Erlös aus dem Verkauf floss zurück in das Projekt der Schimmelbeseitigung beim historischen Buchbestand. Aufgrund des Schimmelbefalls wurden nur die wenigsten Bücher von Antiquaren übernommen, da die Kosten für den Reinigungsaufwand den Verkaufserlös überstiegen. So blieben zahlreiche theologische Werke des 20. Jahrhunderts übrig. Für diese wurde Kontakt mit Sebastian Seckfort vom Antiquariat Bookfarm3 aufgenommen, der diese Bücher übernahm und kostenlos abtransportierte. Bücher, die verwertbar waren, wurden verkauft, die anderen dem Papierrecycling zugeführt.
Abschließend muss gesagt werden, dass durch Aktionen wie der Direktvermarktung von Buchdubletten nicht mit großen Einnahmen zu rechnen ist. Zu groß ist dafür der eigene Arbeitsaufwand. Zudem braucht es Zeit. Manches Buch ist ein bis zwei Jahre im Angebot, bis es nachgefragt wird. Angesichts des Alters mancher Bücher ist dies oft keine lange Zeit, stehen sie doch schon Jahrzehnte ungenutzt im Buchmagazin. Was damit aber erreicht werden kann, ist, dass Buchdubletten und ungenutzten Buchbeständen ein zweites Leben geschenkt wird und die Bibliothek für einen zusätzlichen Nutzerkreis geöffnet wird.
Manfred Massani absolvierte von 2006 bis 2008 den Universitätslehrgang "Library and Information Studies MSc" an der Universität Innsbruck. Er ist seit 1998 für den Kapuzinerorden tätig und seit dem Bestehen der Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol 2011 deren Provinzbibliothekar.
Kontakt: manfred.massani@kapuziner.at
1 https://www.booklooker.de/ [Zugriff: 26.07.2019]
2 Nach Abwägung entschieden wir uns, die Grenze für den schützenswerten historischen Buchbestand mit dem Erscheinungsjahr 1850 anzusetzen. Einzelne, nach 1850 erschienene, seltenere Drucke wurden in die Projekte der Schimmelbeseitigung mitaufgenommen.
3 https://bookfarm.de/ [Zugriff: 26.07.2019]