„Archivierungsordnung“? Aktenpläne? Prozessabbildung?
Vortrag gehalten beim Studientag „Schrift.Gut.Verwaltet“ der Fachgruppe der Archive der anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften im Verband Österreichischer Archivarinnen und Archivare am 28. Jänner 2019 in Salzburg.
1. Vorbemerkungen
Die Erzdiözese Wien steht nach wie vor ganz am Anfang der Einführung eines neuen ECM (Enterprise Content Management)-Systems. In diesem kurzen Werkstattbericht geht es daher in erster Linie um die Vorgeschichte sowie die diesbezüglichen Vorbereitungsarbeiten und noch nicht um die Schilderung großer Erfahrungen.
Es gibt in der Erzdiözese Wien weder in den zentralen Dienststellen noch in den Pfarren einen Rahmen- bzw. Zentralaktenplan. Im Zuge der Einführung des ersten derartigen Systems 2012, das damals – dem Stand der Technik entsprechend – als Dokumentenmanagementsystem (DMS) bezeichnet wurde, wurden alle Dienststellen bezüglich ihrer Anforderungen an ein solches befragt. Das Archiv wies damals ausdrücklich auf das Problem fehlender Aktenpläne hin.
Seit 2012 wurde einerseits zur Verwaltung der Eingangsrechnungen für alle Dienststellen und andererseits für die Schriftgutverwaltung in drei zentralen Dienststellen (Erzbischöfliches Sekretariat, Erzbischöfliches Ordinariat sowie in der Abteilung Kirchenbeitrag) das DMS-Programm Saperion verwendet.
Ein Workflow, d. h. automatisierte Abläufe und eine systeminterne Kooperation innerhalb dieser drei Abteilungen, war zwar angedacht, funktionierte jedoch nicht, und es blieb daher bei „Insellösungen“.
Schon ein Jahr nach der Einführung von Saperion in der Erzdiözese Wien erlebte die dahinterstehende Firma im Jahr 2013 eine erste Übernahme, eine weitere folgte im Jahr 2017. In der Folge wurde dieses Programm nicht mehr weiterentwickelt, auch die Wartung wird beendet. Daher wurde eine Ablöse durch ein neues System, nunmehr schon als ECM-System bezeichnet, nötig. Die Bereiche „Eingangsrechnungen aller zentralen Dienststellen“ und die Schriftgutverwaltung der drei bereits genannten Abteilungen haben dabei höchste Priorität. Eine verpflichtende Teilnahme aller zentraler Dienststellen und Einrichtungen für den Bereich Schriftgutverwaltung ist derzeit nicht vorgesehen und soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
2. Chronologie des Umstellungsbeginns
Mit der Ablöse wurde für 2018 gerechnet. 2017 gab es daher einen Beratungsprozess durch eine externe Unternehmensberatungsfirma. Die Berater informierten im Zuge von Workshops die MitarbeiterInnen in den zentralen Dienststellen über die Thematik und erhoben die Anforderungen an das System in den verschiedenen interessierten Dienststellen.
Damals brachten die ArchivmitarbeiterInnen erneut ein, dass es einen Aktenplan, eine zugrundeliegende Struktur zum Funktionieren eines ECM braucht – beantwortet wurde dies mit den vielen verschiedenen Dokumentenmerkmalen, die im ECM zum raschen und verlässlichen Wiederauffinden der Dokumente hinterlegt werden. Ebenso war die Schnittstelle „lebendes System“ (ECM) - „historisches Archiv“/Langzeitarchivierung bzw. Langzeitverfügbarkeit von Anfang an ein wichtiges Thema, genauer die Fragen rund um die Ablagestrukturen in den Dienststellen und im Archiv, um bei Datenübernahmen in das historische Archiv die vorgefundene Ordnung beibehalten zu können.
Der Beratungsprozess durch die externe Unternehmensberatungsfirma mündete in eine Ausschreibung, und aus den Angeboten erhielt schließlich das System Therefore der Firma Canon den Zuschlag.
Im Dezember 2017 wurde im Referat für Datenverarbeitung ein neuer Kollege angestellt, der als „Produktmanager ECM“ die Einführung des neuen ECM-Systems begleiten und betreuen sollte. Mit diesem Kollegen entwickelte sich rasch eine gute und sinnvolle Zusammenarbeit seitens des Archivs.
Parallel zu diesem Prozess wurde im Auftrag des Generalvikars an der Jahreswende 2017/18 von einer Arbeitsgruppe eine Archivierungsordnung erarbeitet.
3. Archivierungsordnung
Die Archivierungsordnung wurde für die zentralen Dienststellen, Stiftungen und Einrichtungen der Erzdiözese Wien erstellt und im Wiener Diözesanblatt Jg. 156, Nr. 7 im Juli 2018 unter Punkt 6 veröffentlicht.
Die Arbeitsgruppe setzte sich aus MitarbeiterInnen des Diözesanarchivs, des Erzbischöflichen Ordinariats, des Referats für Datenverarbeitung, des Pastoralamts, der Kontrollstelle sowie des Medienhauses zusammen (dessen Geschäftsführer und stellvertretender Leiter führend in den ECM-Prozess eingebunden ist). Ein Vorteil dieser „bunten“ Besetzung besteht vielleicht darin, dass das Ergebnis – hoffentlich – von einer breiteren Basis mitgetragen wird.
Diese Archivierungsordnung verschriftlicht und standardisiert die bisher bereits angewandten Verwaltungs- und Handlungsabläufe im Bereich von Aktenführung, Aktenabgabe und Aktenübernahme. Sie versucht, aufbewahrungspflichtiges und archivwürdiges Schriftgut sowie geeignete Dateiformate zu definieren: „Was wird abgelegt/gespeichert? Wie wird abgelegt/gespeichert? Wer speichert?“
Im Gegensatz zur österreichweit geltenden Kirchlichen Archivordnung, die eine Anbietung sämtlicher Unterlagen an das Archiv vorsieht, zielt die Archivierungsordnung der Erzdiözese Wien auf eine prospektive Bewertung ab: dauerhaft archivwürdiges – papiergebundenes und elektronisches – Schriftgut soll identifiziert sowie fachgerecht archiviert und Schriftgut, das keine dauerhafte rechtliche und inhaltliche Relevanz hat, zeitnah unter Beachtung der gesetzlichen und diözesanen Bestimmungen ausgeschieden werden.
Dies geschieht dadurch, dass die Archivierungsordnung alle Dienststellen und Einrichtungen verpflichtet, in Zusammenarbeit mit dem Diözesanarchiv einen Aktenplan als strukturierte Übersicht über das jeweils anfallende Schriftgut zu erstellen. Hierbei stehen wir noch ganz am Anfang dieser Arbeit.
Der Text der Archivierungsordnung ist mit Sicherheit verbesserungswürdig, da er die Bereiche nur oberflächlich umreißt und einer vertiefenden Erweiterung bedarf. Jedoch wurde zumindest eine Grundlage geschaffen.
Es hat sich als sinnvoll und am praktikabelsten erwiesen und wird auch von den Prozessverantwortlichen so unterstützt, den Aktenplan mit der jeweiligen Dienststelle parallel zu den ECM-Einführungsvorbereitungen zu erarbeiten.
Dazu erstellten der ECM-Produktmanager und das Archiv eine „Erfassungsvorlage“ sowie ein „Abnahmeprotokoll“ für den Aktenplan. Die in der Erfassungsvorlage vorkommenden Begriffe werden den MitarbeiterInnen der Dienststelle erklärt, dann wird die Vorlage zunächst zur dienststelleninternen Bearbeitung ausgehändigt und anschließend gemeinsam mit Archiv und EDV nochmals besprochen. Sie beinhaltet die für ECM und Aktenplan notwendigen Parameter und dient als Grundlage für den Aktenplan.
Folgende Kriterien werden abgefragt:
Kategorie (Ordnungsmerkmal für mehrere Dokumententypen, Unterscheidung nach organisatorischen Kriterien, wäre in ISAD mit Serie abzubilden), Dokumententyp (Ordnungsmerkmal für bestimmtes Dokument), Aufbewahrungsart (analog, elektronisch, elektronisches Format), Aufbewahrungspflichtigkeit (staatliches Recht, Dauer, vernichtungspflichtig, kanonisches Recht, Dauer) und Aufbewahrungswürdigkeit (Entscheidungsformalie, Dauer).
Z. B.:
Im Zuge der Umstellungsvorbereitungen in den Bereichen Kirchenbeitrag und Rechnungsfreigabe traten technische Probleme auf und es stellte sich heraus, dass das angekaufte System nicht allen Anforderungen gerecht wurde und es Sonderlösungen bedurfte.
Nach einigen Verzögerungen erfolgte die Umstellung im Kirchenbeitrag im Dezember 2018, und das System wurde in den darauffolgenden Wochen von so genannten „Power Usern“ getestet. Der Start für die Rechnungsfreigabe für alle Dienststellen wurde im Juni 2019 vollzogen.
Der ECM-Manager schied bereits mit Ende Oktober 2018 wieder aus dem Dienst der Erzdiözese. Sein Nachfolger ist seit 1. April 2019 im Amt, und an der Umstellung der als nächstes anstehenden Bereiche Erzbischöfliches Sekretariat, Ordinariat sowie „Kirche im Dialog“ wird weitergearbeitet. Für das Archiv bedeutet dies vor allem die Erfassung der Abläufe in der jeweiligen Abteilung, die Kategorisierung der Unterlagen und deren Bewertung hinsichtlich Archivwürdigkeit sowie die Erarbeitung der Aufbewahrungsfristen.
Die Erzdiözese Wien steht damit am Anfang einer fundamentalen Umstellung und im besten Fall einer Vereinheitlichung ihrer Schriftgutverwaltung. „Learning by doing“ ist hierbei eine zentrale Erfahrung. Es gilt, die Herausforderung individueller Anforderungen zu meistern und sich an „Best Practice“-Beispielen zu orientieren. Mit einem ECM-System alleine ist es nicht getan: auch dessen Benützung muss geregelt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, sich so rasch als möglich Gedanken über digitale Archivierung zu machen und Schritte in diese Richtung zu setzen, um große Überlieferungsverluste für die Nachwelt zu vermeiden. Hier wird sich das Archiv weiterhin bestmöglich einbringen.
Ulrike Erben absolvierte von 1994 bis 2001 das Studium der Geschichte in Wien und danach 2005 den Volkersberger Kurs in Deutschland. Von 1998 bis 2013 war sie Mitarbeiterin im Diözesanarchiv St. Pölten, seit 2013 im Diözesanarchiv Wien.
Kontakt: u.erben@edw.or.at