Wie feiert man einen 350-er?
Dieses humoristisch formulierte Beitragsmotto soll gewissermaßen als Appetizer für die Jubiläumsfeier zum „Jahrhunderthalbrunden“ der Klagenfurter Ursulinen dienen:1 Dazu existiert eine beinahe noch druckfrische Festschrift die freundlicherweise von den Ordensgemeinschaften unlängst beworben worden ist.2
Zunächst einmal stellt sich aber die Frage: „Wie feiert man einen 350-er? – so ein „Geburtstag“ kommt nicht alle Tage vor – dazu braucht es einige Überlegungen:
„Fahrplan“
Zu Beginn unseres Klosterjubiläumsrundgangs sind vorerst die einzelnen Stationen des „Ursulinischen Jubeljahres“ durchzugehen: Wo wird gefeiert?/ Warum wird gefeiert?/ Wie wird gefeiert?/ Mit welchen Akteuren und Materialien wird gefeiert?/ Was kann - wie - umgesetzt werden?/ Zum Schluss ein kurzes Resümee des ungewöhnlichen Jubiläumsjahres!
„Ort des Geschehens“
Zunächst einmal zum „Ort des Geschehens“:
Abb. 1a: Heiliggeistkirche mit Ursulinenkonvent. Aquarell um 1800. Archiv der Diözese Gurk (Foto: Peter G. Tropper)
Abb. 1b: Heiligengeistkirche mit Ursulinenkonvent (Foto: Rosmarie Schiestl)
Die ersten beiden Abbildungen zeigen den Ursulinenkonvent mit der Heiligengeistkirche im Wandel der Jahrhunderte: Das Klagenfurter Kloster ist 1670 von Wien aus gegründet worden. Im Jahr 1695 wurde dann das Salzburger Ursulinenkloster von Klagenfurt aus besiedelt.3
Die Ordensgründerin Angela Merici (1474–1540) findet sich auf einem um 1800 entstandenen Gemälde im Klausurbereich des Klagenfurter Ursulinenklosters. Das Bild zeigt über der Heiligen Angela schwebend links die Heilige Ursula und rechts den Heiligen Augustinus, beides zentrale Figuren der Ursulinischen Spiritualität. Auf der Himmelsleiter schreiten Klosteraspirantinnen zu den beiden Ordensheiligen hinauf. Diese Szene entstammt einer Vision Angela Mericis die zur Ordensgründung führte.
Abb. 2: Ordensgründerin Hl. Angela. Ölgemälde 1808. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto Peter G. Tropper)
Jubiläumsidee
Wie ist nun der „Stein des Jubiläumsjahres“ überhaupt ins Rollen gekommen?
Als ich Mitte 2018 meine Tätigkeit im Ursulinenarchiv begonnen habe, sind mir zahlreiche Festschriftbroschüren in die Hände gefallen. Daran war erkennbar, dass die Schwestern des 1535 am Gardasee gegründeten Ursulinenordens gerne Jubiläen feiern und über ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein verfügen.
Die Initialzündung hat es aber im Jänner 2019 bei der Abschiedsfeier von Dr. Helga Penz in Herzogenburg gegeben, wo im Rahmen eines Vortrages von Dr. Christoph Kürzeder der Auszug der Landshuter Ursulinen besprochen und ihr geistiges Vermächtnis in Form eines umfangreichen Festschriftbandes gezeigt worden ist.4
Der entscheidende Impuls kam dann durch das richtig runde „333-er-Jubiläum“ der Grazer Ursulinen der Deutschen Föderation, dem seit 1686 existierenden Schwesternzweig der Römischen Union.5 Dort feierten die Ursulinen mit einem „Flashmob“ auf dem Grazer Hauptplatz, einer Festschrift und einer gelungenen Feier am 24. Juni, ihrem Gründungstag.6 Im Publikum sitzend und stark beeindruckt von diesen Darbietungen erwachte in mir sodann der Gedanke: „Da könnte man sich ja doch etwas abschauen!“.
Die konkrete Idee zur Umsetzung der Klagenfurter Jubiläumsschrift entstand aber schließlich während eines „After-work-Kaffees“ mit dem Direktor des Archivs der Diözese Gurk, Univ.-Doz. Peter Tropper. Als die Sprache auf Jubiläen kam, und ich von den Grazer Festivitäten berichtete, blickte ich anschließend resignierend in meine Kaffeetasse und sprach meine Gedanken laut aus: „Ein Jubiläum – da wäre doch eine Festschrift mit dazugehöriger Feier etwas sehr Schönes – das ist aber sicherlich sehr schwierig umzusetzen?“ Sobald ich diese Worte ausgesprochen hatte, zückte Univ.-Doz. Peter Tropper Bleistift und Notizzettel, um aufzulisten, was wir alles benötigen (Umfang der Festschrift, Finanzierung, Ansprechpartner) – ich fühlte mich wie in einem Wunschtraum!
„Masterplan“
Das Wichtigste war zunächst eine „Deadline“ für die Festschrift und somit ein Jubiläumsdatum für den 350-er der Ursulinen der Römischen Union festzulegen. Nach einigen Überlegungen boten sich zwei Daten an: die Ankunft der Ursulinen im April 1670 schien uns zu knapp, der Beginn des Unterrichtes im Juli desselben Jahres hingegen schien uns besser geeignet für die im Garten geplante Schulfeier. So einigten wir uns auf das letztgenannte Datum. Weil uns der ebenfalls für Anfang Juli geplante „Ironman Austria Triathlon“ aber unerwartet einen Strich durch die Planung machte (gewichtiges Argument seitens der Ursulinen: da wären dann alle Schulkinder beim Marathon und nicht im Kloster), haben wir uns schließlich auf den „Ursulatag“ am 21. Oktober geeinigt.
Einen weiteren wichtigen Schritt stellte die Finanzierung dar, wobei das „Ja“ der Ordensleitung selbstverständlich Voraussetzung für alle weiteren Aktivitäten war. Zusätzliche Unterstützung erfuhr das Projekt aber auch durch tatkräftige finanzielle Zuwendungen von lokalen Einrichtungen wie dem „Josefsverein“.7
Als starker Kooperationspartner erwies sich die Diözese Gurk, insbesonders der schon zuvor genannte Archivleiter Univ.-Doz. Peter Tropper mit seinem Team. Für unser „fächerübergreifendes Unterfangen“ konnten wir dankenswerterweise Fachexperten wie die Diözesankonservatorin Dr. Rosmarie Schiestl neben zahlreichen anderen Profis ins „Jubiläums-Ursula-Boot“ holen.
Ganz wichtig für einen Orden, dessen Zusatzaufgabe seit dem Konzil von Trient der Unterricht ist, war es auch die Schule mit ihren Lehrer*innen miteinzubeziehen. Denn ohne Schüler*innen und Lehrer*innen wäre das Ursulinenarchiv in dieser Form gar nicht existent!8
Grundlagen
Zunächst hat sich nun die Frage gestellt: Welche „Zutaten“ braucht es für ein gelungenes ursulinisches Jubeljahr?
Da ist zum einen die erfolgreiche Kooperation mit unterschiedlichsten Institutionen hervorzuheben, die eine rasche Durchführung unseres Projektes wesentlich erleichterte. In einem nächsten Schritt erfolgte die Auswahl von Materialien, sowohl von „Flachware“ in Form von Bildmaterial und Archivalien, aber ebenso eine repräsentative Auswahl der Zimelien, die in der Festschrift gezeigt werden sollten.
Abb. 3a: Einzug der Ursulinen in Klagenfurt. Gemälde im Klausurgang (Foto Peter G. Tropper)
Bei der Autorensuche für die Festschrift sollten sowohl weltliche Fachexperten als auch geistliche Ordensschwestern zur Sprache kommen, da die Ordensspiritualität unserer Ansicht nach nicht von einer weltlichen Person alleine, sondern nur im Duo mit einer Ordensangehörigen beschrieben werden kann.
Bei der Themenwahl haben wir darauf geachtet, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wissenschaft und Schule vorhanden ist.
Die Publikation erfuhr durch ihre Anbindung an den Kärntner Geschichtsverein mit seiner äußerst engagierten Präsidentin, der Historikerin Prof. Dr. Claudia Fräss-Ehrfeld, eine gelungene Form. Als Nachfolgeband des Bulletins zum 500 Jahre Klagenfurt Jubiläum stand nun ausreichend Platz für eine ausführliche Darstellung des Wirkens der Ursulinen in Klagenfurt zur Verfügung.9
Ursulinische Kulturgüter
Nach dieser Entstehungsgeschichte gehen wir nun „in medias res“ direkt zu den Kulturgütern der Klagenfurter Ursulinen:
Ursulaschiff
Als identitätsstiftend für das Klagenfurter Ursulinenkloster kann ein Gemälde bezeichnet werden, welches das sogenannte „Ursulaschiff“ veranschaulicht. Der unbekannte Künstler hat hier die Ursulalegende10 vom Rhein und somit Köln nach Klagenfurt und an den Wörthersee verlegt, wie sich an der Heiligengeistkirche im Hintergrund erkennen lässt.
Abb. 3b: Detailansicht Ursulaschiff (Foto: Rosmarie Schiestl)
Abb. 3c: Detailansicht Ursulaschiff (Foto Rosmarie Schiestl)
Laut Bildlegende entstand das Bild 1799.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich der schon in früheren Jahrhunderten vorhandene spezifisch ursulinische Humor, denn hier fischen Ordensschwestern Postulantinnen aus dem Meer (der Erkenntnis?). Bemerkenswert ist auch die akribisch gestaltete Namensliste der eingetretenen Ordensschwestern am unteren Gemälderand.
In jüngster Gegenwart ist dieses „ursulinische Schlüsselgemälde“ von der Autorin während des ersten Lockdowns zu Covidzeiten mit Photoshop als Ostergruß adaptiert worden und hat unter den Ursulinen – sowohl der Römischen Union als auch der Deutschen Föderation – große Erheiterung hervorgerufen.
Abb. 3d: Bildmontage Ursulaschiff (Nora Pärr)
Domherrenuhr
Im Kloster gibt es Objekte, die „im Vorbeigehen“ zunächst keine besondere Aufmerksamkeit erregen. Sichtet man diese Standuhr im Halbdunkel des Klausurgangs, geht man schnell einmal vorbei an ihr. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber auf dem Ziffernblatt die Heiligengeistkirche (die sich wie ein roter Faden durch unseren gemeinsamen Klosterrundgang zieht).
Fachkundig versiert, fiel Univ.-Doz. Peter Tropper noch beim Abfotografieren als „dazu passender Urheber“ der von 1889 bis 1899 amtierende Gurker Domherr Valentin Müller (1816-1899) ein, da dieser auch ein leidenschaftlicher Uhrenkonstrukteur war. Es ist gut vorstellbar, dass er diese Uhr für den Ursulinenkonvent gefertigt hat.11
Abb. 4a: Standuhr im Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Nora Pärr)
Abb. 4b: Detailansicht Standuhr: Ziffernblatt mit Heiligengeistkirche (Foto: Nora Pärr)
Salzburger Filialgründung
Bedeutsame Kontakte existierten viele Jahrhunderte hindurch zwischen dem Klagenfurter Kloster und seiner Filialgründung Salzburg im Jahr 1695. Insbesonders die Musiktradition ist hier hervorzuheben, da die Ursulinen des Salzburger Gründungsklosters nach musikalischen Aspekten ausgesucht wurden.
Abb. 5a: Madonnendarstellung: Muttergottes als Beschützerin des Salzburger Ursulinenklosters. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Peter G. Tropper)
Abb. 5b: Detailansicht Madonnendarstellung: Salzburger Ursulinenkloster mit Markuskirche
Die Verbindungen zum Salzburger Konvent veranschaulicht ein ebenfalls im Klausurgang befindliches Madonnenbild, das die Muttergottes auf der Weltkugel stehend zeigt. Der Betrachter kann im unteren Bildbereich eine Ansicht des Ursulinenklosters Salzburg mit der Markuskirche erkennen.
Bei Recherchen im dortigen Erzbischöflichen Diözesanarchiv im Lesesaal gelang es Kontakt mit Dommusikarchivarin Dr. Eva Neumayr aufzunehmen. In ihren Forschungen konnte sie nachweisen, dass sogar Leopold Mozart eine Arie für eine der Salzburger Ursulinenoberinnen komponiert hat. Sein Sohn Wolfgang Amadeus sollte später als Zwölfjähriger eine eigene „Ursulinenmesse“ für die Klosterschwestern des Wiener Konvents komponieren12. In Neumayrs Festschriftbeitrag findet sich auch die schicksalsreiche Geschichte der Salzburger Gründungsoberin Maria Augustina Nadasdy (1658–1745) äußerst humorvoll geschildert: Diese sehr musikalisch begabte Oberin geriet wegen „finanzieller Ungereimtheiten“ beim Fürsterzbischof in Ungnade, sodass sie ihr Amt 1701 schließlich zurücklegen musste. In einer „Nacht- und Nebelaktion“ ist besagte Nadasdy mitsamt ihrem Instrumentarium ins Klagenfurter Mutterhaus zurückgereist.
Als „Kollateral-Goodie“ der Festschriftvorbereitungen zeigte sich, dass die verschwunden geglaubten (und nun für Neumayrs Festschriftbeitrag benötigten) Musikinstrumente im damals geschlossenen Kärntner Landesmuseum ausfindig gemacht werden konnten.13
Lebendige Geschichte – Sr. Maria Nopp (100 plus)
Wir nähern uns schon dem „Glanzlicht“ der Ursulinenjubiläumsdokumentation: Dem Museumszimmer mit seiner „lebendigen Geschichte“: Für Historiker*innen, die es gewohnt sind, über längst verstorbene Charaktere zu arbeiten, ist die Begegnung mit einer über hundertjährigen Zeugin ursulinischen Wirkens ein sehr einschneidendes Erlebnis:
Sr. Maria Nopp, hier in einer Aufnahme im sogenannten „Museumszimmer“ das später noch näher erläutert wird. Sie wird von ihren Mitschwestern mit ihren 103 Jahren liebevoll als „unser ältestes Stück“ bezeichnet.
Abb. 6: Museumszimmer. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Peter G. Tropper)
Sr. Maria ist eine wichtige Zeitzeugin, denn mittels ihres minutiösen, viele Jahrzehnte zurückreichenden Erinnerungsvermögens ist es ihr möglich, die Zeit des Nationalsozialismus noch gut ins Gedächtnis zu rufen. So konnte im Herbst vor Pandemiebeginn ein ausführliches Interview über die Kriegserlebnisse im Linzer Ursulinenkloster durchgeführt werden, welches in der Diplomarbeit über Ordensfrauen im Widerstand ist.14
Abb. 7: Gruppenbild in der Kapelle des Klagenfurter Ursulinenkonvents (Foto: Pressestelle der Diözese Gurk, Fessl)
Auf Abbildung 7 ist eine Gruppenaufnahme der „Klagenfurterinnen“ zu sehen: Da das Ursulinenarchiv eigentlich als eine Art „Familienarchiv“ zu betrachten ist, soll hier auch eine Aufnahme von der Gemeinschaft in der Klosterkapelle gezeigt werden. Diese Kapelle sorgte für Überraschungen: Wie sich beim ersten gemeinsamen Klosterrundgang mit Dr. Rosmarie Schiestl herausstellte und der Vergleich mit dem Dehio-Handbuch15 bestätigte, ist die Kapelle in diesem Kulturführer gar nicht verzeichnet, vermutlich weil sie sich im Klausurbereich befindet!16
Museumszimmer als Gedächtnisort
Als „Krönung“ des „ursulinischen Werkstattberichtes“ kann das sogenannte Museumszimmer der Klagenfurter Ursulinen bezeichnet werden. Die Wertschätzung der Ursulinen für ihre eigene Geschichte spiegelt sich in der internen Bezeichnung dieses Ortes mit „Millionenzimmer“ wider.
Man kann sich das sogenannte „Museumszimmer“ als einen Raum vorstellen, an dessen Wänden sich sowohl hölzerne Bücherregale als auch Wandschränke befinden. Darin werden die Klosterchroniken, die Vasa Sacra, etc. verwahrt. Betritt man den Raum, fallen zunächst einmal die schräg an der Decke befestigten Gemälde der „Gut- und Wohltäter“ (darunter Gräfin Maria Franziska Palffy) auf. Darüber hinaus existiert auch ein Archivschrank, in dem die historischen Unterlagen verwahrt werden. In der Mitte des Raumes stehen einige Tische auf denen Brautkronen, „Kindeln“, Tischkreuze und Monstranzen aufgestellt sind. Dazwischen sind Paramente und Stickarbeiten ästhetisch ansprechend auf alten, historischen Stühlen drapiert. Besonders zu erwähnen ist hier eine Brautkrone mit dazu passender Fotografie als wichtige Information, wie sie getragen worden ist.
Bemerkenswert ist der Umgang der Ursulinen mit ihrer eigenen Geschichte: So findet sich in der Festschrift zum 325-Jahr-Jubiläum ein doppelseitiges Bild, das die damalige Priorin Sr. Regina Schmit (1931-2018) und eine Mitschwester im „Millionenzimmer“ beim Bücherstudium zeigt.17
Abb. 8: Brautkrone mit Fotografie 18./ 19. Jht. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Nora Pärr)
Diese Form von Selbstinszenierung – im positivsten Sinn des Wortes – spricht sehr für das Geschichtsbewusstsein der Ursulinen, was auch Archivar*innen und Historiker*innen zugute kommt.
Museumszimmer-Zimelien
Anlässlich des Jubiläums möchte ich hier nur einige Exponate und ihre Bedeutung für die Bestandserschließung hervorheben:
Porträt Jakob Rohrmeister (1631-1716): Es zeigt den Stadtpfarrer von Klagenfurt, Beichtvater und ersten Chronisten der Ursulinen. Warum es in diesem Kontext hervorzuheben ist: Dieses Bild mit seiner tragischen Geschichte hat den Anstoß für die Digitalisierungsarbeiten gegeben:
Abb. 9: Jakob Rohrmeister. Faksimile. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Peter G. Tropper)
Als Univ.-Doz. Peter Tropper vor einigen Jahren mit Erlaubnis der damaligen Priorin Sr. Regina Schmit dieses Porträt abfotografieren wollte, hatte er ein „Schockerlebnis“: Denn es war nur noch die Farbfotokopie, nicht aber das Original im Bilderrahmen vorhanden. Das hat bei unserer ersten Kontaktaufnahme zu der Überlegung geführt, auf alle Fälle eine Sicherheitskopie der Klosterchroniken anzufertigen. In weiterer Folge sind dann Pläne zu einer umfangreichen Digitalisierung entstanden, die auch der Bestandssicherung dient.
Da der Konvent der Ursulinen nun freundlicherweise in den KHM-Notfallverbund aufgenommen worden ist, waren die Anschaffung einer gut funktionierenden Alarmanlage sowie weitere Sicherheitsvorkehrungen durchführbar.18
Kindeln: Von allen ursulinischen Kostbarkeiten sind hier insbesonders die „Trösterleins“ oder sogenannten „Kindeln“ hervorzuheben. Sie befinden sich wie kleine Schneewittchen in kunstvoll dekorierten Glaskästen und sind mit Wechselkleidung ausgestattet. Es wird der Leserschaft dieses Artikels bekannt sein, dass diese Kindeln den neueingetretenen Klosterfrauen in der Barockzeit und auch später noch in ihre Klosterzellen mitgegeben wurden, damit der Mutterinstinkt nicht verkümmert. Das ist eine Sache, die die Autorin beim Vorstellungsgespräch im Maurer Ursulinenkloster (Wien XIII.) doch sehr berührt und ihr bisheriges Bild von „unmütterlichen“ Ordensschwestern widerlegt hat.
Abb. 10: Sogenanntes „Kindel“. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Nora Pärr)
Bruderschaftsbuch: Der Eintrag Kaiserin Maria Theresias (1717–1780) ins Herz-Jesu Bruderschaftsbuch mit ihrem Motto „iustitia et clementia“ wird auf einem der Museumstische aufgeschlagen präsentiert, daneben befindet sich eine zum 300. Geburtstag der Kaiserin von der Österreichischen Post herausgegebene Jubiläumsbriefmarke.
Abb. 11: Handschriftlicher Eintrag Kaiserin Maria Theresias am 13. Juli 1765 mit ihrem Regierungsmotto „iustitia et clementia“ (Gerechtigkeit und Milde) in das Herz-Jesu-Bruderschaftsbuch. Ursulinenkonvent Klagenfurt (Foto: Peter G. Tropper)
Nachhaltiges: Inventarisierung und Erschließung
Als Resümee lässt sich eine positive Wechselwirkung zwischen den einzelnen angewandten „Zugangsarten“ feststellen: Es haben sich viele „Kollateral-Goodies“ ergeben: Wichtig war der Inventarisierungsstart anhand der Objektauswahl für die Festschrift: Dies hat den Anstoß zur einer Generalinventarisierung („Vom Keller bis zum Dachboden“) der ursulinischen Kulturgüter gegeben.19 Beim Archivbestand soll zunächst eine Groberschließung, später eine Feinerschließung erfolgen, ebenso beim Katalogisieren des Buchbestands. Es lässt sich somit eine erfreuliche Wechselwirkung zwischen Erschließung, Inventarisierung und Digitalisierung feststellen!
Rückblick und Ausblick
Jetzt soll noch ein kurzer Rückblick auf das vergangene Jubiläumsjahr gegeben werden. Da wir wie alle anderen auch von den pandemiebedingten Veränderungen des vorigen Jahres betroffen waren, konnten wir nur einige unserer Wünsche umsetzen:
Geplant war – nachdem bereits eine Buchpräsentation in der Heiligengeistkirche im engsten Rahmen am Ursulatag, dem 21. Oktober 2020 stattgefunden hatte – im Juli 2021 ein Festgottesdienst im Klagenfurter Dom mit anschließender feierlicher Prozession ins Ursulinenkloster. Der Jubiläumsgottesdienst ist nun aufgrund der Covid-19-Bestimmungen in kleinem Rahmen abgehalten und per Lifestream für die Schüler*innen und Lehrer*innen übertragen worden. Angela Mericis ermunternde Worte: Seid durch das Band der Liebe untereinander verbunden wurden in ein Seid durch das Breitband des Internets miteinander verbunden umgewandelt.
Abb. 12: Festschriftpräsentation in der Heiliggeistkirche. (Foto: Pressestelle Diözese Gurk, Fessl)
Das Gartenfest mit Musik und Kulinarik in Gestalt von Ursulinenbrezeln und Nonnenkrapfen musste bis auf weiteres verschoben werden.
Das Jubiläumsjahr mit seiner Festschrift versteht sich als Auftakt zu einer umfassenden Ordensdarstellung, mehrere Beiträge dazu befinden sich bereits in Arbeit. Zu einer Manifestation der Ursulinengeschichte soll es in Form eines „Ursulinenmuseums“ kommen: Geplant wäre der Umbau des Museumszimmers außerhalb des Klausurbereichs straßenseitig begehbare Schauräume, die den Ursulinenschulkindern oder auch sonstigen Interessierten eine mögliche Antwort auf die Frage: „Wer sind bzw. waren denn die Ursulinen?“ geben.20
Zum Schluss lassen wir die Ordensgründerin Angela Merici selbst zu Wort kommen: Wieder einmal erweisen sich ihre Worte aus dem Jahr 1540 zukunftsweisend und aktueller denn je: Und wenn es sich gemäß den Zeiten und Bedürfnissen ergeben sollte, etwas neu zu ordnen oder anders zu machen, so tut es klug und nach guter Beratung. Und nicht zuletzt ihre ermutigenden Worte für alle im Kulturgüterschutz Tätigen: Setzt das begonnene Werk freudig und mutig fort und tut dies aus ganzem Herzen!
Nora Pärr studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Wien und ist seit 2018 als Archivarin und Bibliothekarin im Konvent der Ursulinen der Römischen Union in Österreich tätig.
Kontakt: archiv.st.ursula@gmx.at
1 Im Zeichen der Bildung: 350 Jahre Ursulinen in Klagenfurt: https://www.katholisch.at/aktuelles/131868/im-zeichen-der-bildung-350-jahre-ursulinen-in-klagenfurt [Zugriff 27.07.2021].
2 Nora PÄRR–Peter TROPPER (Hg.), „Soli Deo Gloria – Serviam!“. Festschrift zum Jubiläum 350 Jahre Ursulinen in Klagenfurt (Klagenfurt am Wörthersee 2020).
3 Siehe dazu: Konvent der Ursulinen der Römischen Union in Salzburg (Hg.), 300 Jahre Ursulinen Salzburg. Frauenbilder, Frauenbildung zwischen Tradition und Innovation 1695–1995 (Salzburg 1995).
4 Christoph KÜRZEDER (Hg.), Zugeneigt, Leben, Lernen, Glauben im Ursulinenkloster Landshut (Katalog zur Ausstellung des Diözesanmuseums Freising im Kloster der Ursulinen in Landshut 12. Mai bis 11. November 2018).
5 Im Jahr 1920 kam es zur Aufspaltung des Ursulinenordens in die (papstnahe) Römische Union und die (bischofsnahe) Deutsche Föderation. Heute gehören die Klöster in Graz und Innsbruck der Deutschen Föderation, die Klöster Wien, Klagenfurt und Salzburg hingegen der Römischen Union an.
6 Konvent der Ursulinen der Deutschen Föderation Graz (Hg.), Ursulinen in Graz 1686–2019: 1686 – erste Niederlassung der Ursulinen in Graz. 2019 – ein Innehalten bei 333 Jahren (Graz 2019).
333 Jahre Ursulinen in Graz: https://www.ursulinen.at/gymnasium-news/333-jahre-ursulinen-in-graz/ [Zugriff: 26.07.2021].
7 https://www.kath-kirche-kaernten.at/dioezese/organisation/C2775 [Zugriff: 29.09.2021].
8 Wie sehr sich die Lehrerschaft mit dem Ursulinenorden nach wie vor verbunden fühlt veranschaulicht die von drei Mitgliedern des Lehrkörpers herausgegebene Festschrift zum 325-Jahr-Jubiläum: Wilfried KUSS–Margarete KATTNIG–WENDL–Harald TRIEBNIG (Hg.), Die Ursulinen in Klagenfurt. 325 Jahre im Dienst der Erziehung (Klagenfurt am Wörthersee 1995).
9 Claudia FRÄSS-EHRFELD (Hg.), Klagenfurt 500. Bulletin des Geschichtsvereins (Klagenfurt am Wörthersee 2018).
10 https://www.ursulinen.at/die-heilige-ursula/ [Zugriff: 30.09.2021].
11 Dank für Auskünfte an Univ.-Doz. Peter Tropper und Dr. Robert Kluger, beide Archiv der Diözese Gurk.
12 Missa brevis in G-Dur, KV 49, der Beiname „Ursulinenmesse“ kommt daher, dass die Uraufführung vermutlich in St. Ursula (Wien I.) stattgefunden hat. Als Besonderheit enthält diese Messe ein Solo, das für eine Bassstimme komponiert ist. Tatsächlich hat es im Wiener Kloster eine Sr. Nepomucea gegeben, die als stimmphysiologische Abweichung über eine männliche Bassstimme verfügt hat.
13 Siehe dazu: Eva NEUMAYR, Ursulinen und ihre Musikkultur am Beispiel des Salzburger Ursulinenklosters im 18. Jahrhundert, in: PÄRR-TROPPER (Hg.), Soli Deo Gloriam (wie Anm. 2), bes. 125-132.
14 Katharina GREINECKER, Frauen im Widerstand (ungedr. Diplomarb. Kath. Privatuniv. Linz 2019), bes. 56–59. Dank an Armin Bernauer (Br. Johannes OFS), Archiv des OFS in Österreich für Durchführung und Aufnahme des Interviews.
15 Dehio-Handbuch Kärnten, basierend a. d. Vorarb. v. Karl GINHART, neu bearb. v. Ernst BACHER u. a., mit Beitr. v. Paul GLEIRSCHER–Gernot PICCOTTINI–Albrecht WENDEL, bearb. v. Gabriele RUSSWURM-BIRÓ (Wien 32001), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Kärnten. Topografisches Denkmälerinventar, hrsg. v. Bundesdenkmalamt, bearbeitet und redigiert in der Abteilung Inventarisation und Denkmalforschung).
16 Vergleiche: Rosmarie SCHIESTL, Sakrales Kulturerbe des Ursulinenkonvents in Klagenfurt. Kirche und ausgewählte Klosterzimelien, in: PÄRR–TROPPER, Soli Die gloria (wie Anm. 2), 105–124.
17 KUSS–KATTNIG–WENDL–TRIEBNIG (Hg.), 325 Jahre Ursulinen (wie Anm. 7), 64f.
18 Notfallverbund Österreichischer Museen und Bibliotheken: https://www.notfallverbund.at/ [Zugriff: 26.07.2021]. Studientag in Salzburg am 29. Jänner 2020, Dank für Vermittlung an Peter Tampier, Kunsthistorisches Museum Wien.
19 An dieser Stelle sei nochmals Dr. Rosmarie Schiestl, Diözese Gurk, ausführlich gedankt.
20 Diese zentrale Fragestellung wurde bereits im Vorstellungsgespräch mit Beantwortungswunsch seitens des Ursulinenordens geäußert (und gerne von der Autorin aufgenommen).