Von der Hofdame zur Ordensgründerin
Vortrag gehalten am Kulturtag im Rahmen der Ordenstagungen am 29. November 2023 in Wien.
Es ist meine Lebensaufgabe und die der Gesellschaft, welcher ich angehöre, das Missionsinteresse immer mehr und mehr auszudehnen und womöglich in die Herzen aller Menschen zu pflanzen.[1] Mit diesen Worten hat unsere Ordensgründerin Maria Theresia Ledóchowska (*1863, †1922) bei einem Vortrag 1913 in Wien ihre Berufung beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Leben bereits seit vielen Jahren ganz Gott und den Missionen geweiht. Was bewog sie jedoch als junge Gräfin eine solche Lebensentscheidung zu treffen?
Abb. 1: Maria Theresia als Hofdame 1885 © SSPC
1. Von Loosdorf (NÖ) über Polen nach Salzburg
Maria Theresia, die älteste Tochter der gräflichen Familie Ledóchowski wird am 29. April 1863 in Loosdorf bei Melk in Niederösterreich (NÖ) geboren. Von ihren religiösen Eltern Anton Ledóchowski (*1823, †1885) und Josephine Salis-Zizers (*1831, †1909) wird sie zusammen mit drei Halb- und acht leiblichen Geschwistern zu tiefem Glauben erzogen. Die Kinder erhalten eine standesgemäße, breite kulturelle Bildung. Mit ihrer jüngeren Schwester Julia besucht Maria Theresia das Institut der Englischen Fräulein[2] in St. Pölten, wo sie sich als eine brillante und vielseitig begabte Schülerin erweist. Später nimmt sie Unterricht zu Hause in Malen, Dichten und Musik, reist viel mit dem Vater und besucht Kunstausstellungen. Am besten erweist sie sich in der Schriftstellerei, indem sie ausführliche Reisebeschreibungen macht, Tagebücher führt und sogar als 14-jährige eine eigene Zeitschrift „Der Tagfalter“ herausgibt.
Aus wirtschaftlichen Gründen verlässt die Familie Ledóchowski St. Pölten und zieht 1883 in ein ländliches Gut in der Nähe von Krakau, wo Maria Theresia in Haus und Hof anpacken muss. Ihre schwache Gesundheit (Migräne, Magenprobleme) machte ihr zu schaffen, besonders, als sie 21-jährig an Pocken schwer erkrankt. Diese Krankheit war für sie eine große Prüfung; sogar ihr Vater steckte sich an und starb nach kurzer Zeit. Da sie ihr schönes Aussehen durch die Krankheit sehr eingebüßt hatte, dachte sie nicht an eine Heirat, wie das ihre Mutter gerne gesehen hätte. Ihre Schwester Julia tritt bald danach bei den Ursulinen in Krakau ein und der jüngere Bruder Wladimir entschloss sich bei den Jesuiten Priester zu werden. Maria Theresia war voller Unruhe, sie spürte eine große Sehnsucht im Herzen. Ihren Kindheitstraum berühmt zu werden[3] hat sie schon längst aufgegeben. Jetzt will sie wirklich nur eines: etwas Großes für Gott tun.[4]
Zunächst denkt sie daran, ihre angeschlagene Gesundheit zu verbessern und reist zur Erholung nach Gmunden, wo ihre Tante eine schöne Villa am See bewohnt. Hier hat Maria Theresia Gelegenheit, Kontakt zur Großherzogin von Toskana, Prinzessin Alicia von Bourbon-Parma (*1849, †1935) aufzunehmen, die nach der Einigung Italiens auf Dauer mit der ganzen Familie im Ausland blieb und in der Residenz zu Salzburg wohnt.
2. Ein neuer Weg
Am 1. Dezember 1885 darf Maria Theresia als Hofdame in Salzburg in den Dienst der Großherzogin eintreten (Abb. 1). Sie ist gerade 22 Jahre alt und erwirbt sich bald Achtung und Hochschätzung aller. Während sie sich in Literatur, Malerei und Musik weiterbildet, wird auch ihr geistliches Leben bereichert und vertieft. Ihre Kontakte zu einflussreichen Personen und Reisen mit den Herrschaften zu ausländischen Königshäusern, nehmen zu.[5] Diese Beziehungen sollten sich später, als sie Ordensgründerin wird, als sehr wertvoll erweisen. In ihren freien Stunden, oft tief bis in die Nacht, schreibt sie Aufsätze und Theaterstücke zum Gebrauch am Hof, vorwiegend zu religiösen Themen. Die göttliche Weisheit scheint aber etwas Größeres mit ihr vorzuhaben.
Ihrem Onkel Mieczysław Kardinal Halka Ledóchowski (*1822, †1902) in Rom vertraut sie ihre Überzeugung an: Ich weiß, dass das Leben am Hof nicht leicht ist, trotz brillanten Aussehens. Doch ich nehme den Mut aus der Gewissheit, dass der liebe Gott mich nicht verlassen wird, wenn ich nur den Willen habe, Seinen Willen zu erfüllen und Seine treue Dienerin zu bleiben.[6]
1886 und dann ein Jahr später kommen jeweils zwei Franziskanerinnen, Missionarinnen Mariens, die in Madagaskar ein Leprosorium führen, an den Hof der Großherzogin in Salzburg. Sie suchen finanzielle Unterstützung für ihre Mission. Deren Berichte eröffnen Maria Theresia neue Horizonte über das Leben in den Missionen und die Situation der Menschen, die im Elend leben, die Opfer von Hunger, Zwangsarbeit und Seuchen waren. Sie ist beindruckt vom Opfergeist dieser Schwestern und vom selbstlosen Einsatz der Missionare. Im Vergleich zum Leben der Missionare scheint das ihrige schal und sinnlos. Eine heilsame Unruhe stellt sich bei ihr ein und erweckt eine brennende Sehnsucht, ihren eigenen Weg zu finden. Wäre aber ihre geschwächte Gesundheit mit einem so heroischen Leben vereinbar? Sie fragt Gott, wie er sie führen will und sucht Kraft im Gebet.
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Eine ihrer Bekannten gibt ihr eine Broschüre des französischen Kardinal Lavigerie (*1825, †1892), einem Vorkämpfer gegen den Sklavenhandel in Afrika, in die Hand. Kardinal Lavigerie, der Gründer der Weißen Väter[7] war Bischof in Algier (Algerien) und Karthago (Tunesien) und hat über das schreckliche Übel der Sklaverei aus eigener Erfahrung berichtet. Er bereiste Europa und rief alle, besonders die Frauen auf, alles ihnen Mögliche gegen den Menschenhandel in Afrika zu unternehmen. In einem Vortrag 1888 in London rief er: Christliche Frauen Europas! Wenn Gott euch das Talent zum Schreiben gab, stellet es in den Dienst dieser Sache! Ihr könntet keine heiligere finden![8]
Maria Theresia ist betroffen und erschüttert durch das Gelesene. Sie fühlt sich direkt angesprochen. Ihr literarisches Talent würde dazu dienen, Menschen, Ebenbilder Gottes, die versklavt waren, zu befreien. Ihr Herz und Wille sind entschlossen: Von nun an wird meine Feder nur dieser Sache dienen.[9]
Ehe sie jedoch ein solches Vorhaben ausführte, wollte sie von der kirchlichen Seite Gewissheit darüber erhalten, wie wirksam dieses Werk gegen die Sklaverei ist. Sie schreibt wieder an den Onkel, Kardinal Ledóchowski, der in dieser Zeit das römische Dikasterium „Propaganda Fide“ leitet, und bittet ihn um Rat und Segen. Seine Antwort nahm jeden Zweifel weg: Fürchte dich nicht, meine liebe Nichte, einen falschen Weg einzuschlagen, wenn du der Stimme des Heiligen Vaters und des großen Primas von Afrika folgst, indem du dich bemühst am Kampf gegen Menschenjagden und Sklavenhandel teilzunehmen.[10]
Abb. 2: Umschlag Echo aus Afrika 1894 © SSPC
Fortan nützt sie jede freie Minute, um sich in die Problematik des Sklavenhandels und die Situation der Missionare zu vertiefen. Sie schreibt ein Theaterstück „Zaida, das Negermädchen“ unter dem Pseudonym „Africanus“; führt rege Korrespondenz mit den Missionaren verschiedener Kongregationen und benützt ihre Informationen als Quellen, um Artikel zu veröffentlichen, vorerst als Beilagen in anderen Blättern, ab 1890 in einer selbständigen Zeitschrift „Echo aus Afrika“ (Abb. 2).
Sie ist noch immer am toskanischen Hof in Salzburg und kann sich zudem als Frau nicht leisten, ihren wahren Namen als Chefredakteurin anzugeben. So versteckt sie lange ihre Identität unter dem männlichen Pseudonym Alexander Halka (der Name ihrer Vorfahren). Entscheidend für ihr weiteres Engagement war ihr kurzes persönliches Treffen mit Kardinal Lavigerie während einem Aufenthalt in der Schweiz. Bei dieser Gelegenheit beauftragte er sie offiziell die Antisklaverei-Aktivität in Österreich zu leiten und Komitees zu bilden, was sie sofort mit Hilfe einer Bekannten, Baronin Sophie Hammerstein-Stolberg (*1839, †1931) aus Niederösterreich umzusetzen begann.[11]
Ihr Aufgabenbereich zugunsten der Missionen wurde langsam so groß, dass sie diesen nicht mehr mit dem Dienst am Hof zu vereinbaren vermochte. Zum Bedauern der Großherzogin Alice, die ihr immer sehr wohlwollend gesinnt war, nimmt Maria Theresia nach 5-jährigem Dienst Abschied vom Hof in Salzburg am 9. Mai 1891. Sie beschloss, nicht nur ihre Feder, sondern ihr ganzes Leben in den Dienst der Missionen zu stellen.
Nach einer kurzen Erholung in Breitenfurt bei Wien mietet sie ein Zimmer im Herz Jesu Asyl der Barmherzigen Schwestern in Salzburg, wo sie drei Jahre lang ihre Tage mit dem Schreiben und der Redaktionsarbeit für die Missionshilfe und mit Gebet verbringt. Eine Pfarrhausköchin hilft ihr beim Versand von der Zeitschrift „Echo aus Afrika“, die bereits über 2.000 Abonnenten zählt. Ihrer Freundin Ilse von Düring (*1863, †1947) verrät sie: „Von früh bis abends arbeite ich für Afrika. Es ist mir eben ganz klar, dass mich der liebe Gott zu dieser Missionsarbeit berufen hat, und ich bin darüber überaus glücklich.“[12]
3. Gründung eines neuen Missionswerkes
Langsam erkennt sie, dass sie allein nicht alles schaffen kann. Sie braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So reift die Idee heran, einen Verein von Laien zu gründen, unter dem Namen: „St. Petrus-Claver-Sodalität für die afrikanischen Missionen und das Werk der Sklavenbefreiung“.[13] Maria Theresia dachte niemals daran, eine Ordensgründerin zu werden. Die erste Idee der Gründerin war die, sich mit Frauen zusammenzuschließen, welche, ohne eine besondere Berufung zum monastischen Leben zu haben, nichtsdestoweniger ein gemeinsames Leben führen und zur Ehre Gottes arbeiten wollten.[14]
Der hl. Petrus Claver (*1580/1581, †1654), Jesuit, war 40 Jahre lang ein heroischer Apostel der afrikanischen Sklaven in Cartagena, Kolumbien, und war kurz zuvor 1888 von Papst Leo XIII. heiliggesprochen worden. Das Leben des heroischen Dienstes von Petrus Claver und seine Hingabe als „Sklave der Sklaven“ passten ausgezeichnet zum Patronat über das neue Missionswerk.
Mit Hilfe des Jesuiten-Provinzials von Wien, P. Franz Xaver Schwärzler SJ (*1840, †1926), verfasst Maria Theresia die Statuten der Sodalität, welche von Papst Leo XIII. am 29. April 1894 approbiert wird. Die ersten Gefährtinnen der Gründerin wollen jedoch etwas mehr als nur unermüdliche Arbeit: Gemeinschaftsleben und Ordensweihe werden erstrebt. Maria Theresia ist offen für die neue Form des Lebens, und basierend auf der Regel des hl. Ignatius von Loyola verfasst sie eigene Konstitutionen. Nach drei Jahren wird die neue Ordensregel zur großen Freude der Gründerin und der Mitglieder am Karfreitag, den 16. April 1897, vom Salzburger Erzbischof Kardinal Johannes Evangelist Haller (*1825, †1900) approbiert. Die Sodalität wird nun eine Ordensfamilie diözesanen Rechts.[15]
Da die Anzahl der Kandidatinnen stetig am Wachsen ist, begibt sich die Gründerin auf die Suche nach einem größeren Sitz. Die bisher gemieteten Räume neben der Dreifaltigkeitskirche in Salzburg reichen nicht mehr aus.
Abb. 3: Missionshaus Maria Sorg 1897 © SSPC
3.1 Missionshaus Maria Sorg und Druckerei
1897 wird ein verlassenes Landgut mit einer ehemaligen Papiermühle in Lengfelden, unweit von Maria Plain, von den Herz-Jesu-Missionaren erworben, dem Maria Theresia den Namen Missionshaus Maria Sorg gibt (Abb.3).[16] Wie freut sie sich, dass im Garten des Hauses eine Marienkapelle vom Jahre 1683 erhalten ist und dass neben dem Haus ein kleiner Wildbach, die Fischach, fließt. Gleich kommt ihr die Idee: Ein Kraftwerk wird die Maschinen ihrer künftigen Missionsdruckerei mit Strom versorgen. Trotz heftiger Widerstände von Seiten des Druckerei-Gewerbe-Verbandes erhält die Gründerin am 13. Juni 1898 schließlich die Konzession (Abb. 4 u. 5). Die Zeitschrift „Echo aus Afrika“ wird hier anfänglich in fünf Sprachen gedruckt, bis 1921 sogar in zehn Sprachen. Die Berichte, die aus der Mission einlangen, werden von Maria Theresia redigiert und veröffentlicht und finden großes Interesse. Die Missionsschriften bezwecken eindeutig das Ziel Missionsbewusstsein und -kooperation aller Getauften zu wecken, und nicht zuletzt männliche und weibliche Missionsberufungen zu inspirieren.
Abb. 4: Druckerei in Maria Sorg um 1900 © SSPC
Aber es werden nicht nur die Zeitschriften, Kalender und Broschüren in hohen Auflagen für die europäische Bevölkerung gedruckt. Bald bringen die Missionare Afrikas ihre Manuskripte von kleinen Gebets- und Gesangsbüchern, Katechismen und biblischen Geschichten in den einheimischen Sprachen Afrikas, mit der Bitte um Herausgabe. Sogar Wörterbücher und Grammatiken für die Missionare werden in Maria Sorg hergestellt (Abb. 6). Obwohl keine der Schwestern die afrikanischen Sprachen versteht, können sie die ersten Bücher schon im Jahre 1900 in großen Kisten nach Afrika verschicken. Die Druckerei arbeitet auf Hochtouren bis zum Zweiten Weltkrieg. Bis 1935 werden rund zwei Millionen solcher Bücher in rund 100 Sprachen in die afrikanischen Missionen geschickt.
Abb. 5: Setzsaal Druckerei Maria Sorg 1898 © SSPC
3.2 Vortragstätigkeit
Die Gründerin gönnt sich keine Ruhe. Mit ungewöhnlicher Kraft und voll Eifer setzt sie auch ihre Vortragstätigkeit fort. Sie tritt immer wieder in großen und kleinen Orten europäischer Länder auf: Italien, Deutschland, Belgien, Holland, Frankreich, Schweiz, Polen und Böhmen.
Sie spricht in großen Kongresshallen, in Vereins- und Pfarrräumen, Schulen und Mädchenpensionaten, Hotels und Gasthäusern. Sie will Menschen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen erreichen, um möglichst viele für die Unterstützung der Mission zu gewinnen, die das Evangelium der Freiheit nach Afrika bringen. In einem Vortrag in Zug (Schweiz) will sie Klarheit in Bezug auf ihre Sodalität schaffen:
Die St. Petrus Claver Sodalität ist kein Sammelverein, aber eine Propagandagesellschaft. Sie will Liebe und Begeisterung für die Missionen hineintragen in das Volk, in die Studentenkreise, unter die Kinder. Sie macht Reklame für die Missionen, sie weckt das Verständnis für die hohe Aufgabe der Missionäre – das Geld kommt dann von selbst.[17]
Abb. 6: Bücher für Afrika © SSPC/ul
3.3 Ledóchowskas multimediales Marketing-Konzept
Als multimediales Marketing-Konzept würden wir heute bezeichnen, was Ledóchowska mit mündlichen Vorträgen, Druckschriften, visuelle Medien, Lichtbilder aus Afrika, die sie von den Missionaren ständig anfordert, umsetzt.[18] Auch kleine Filme über Missionsländer werden bei den Vorträgen gezeigt. Außerdem ist es ihr Prinzip, in jeder Niederlassung der Kongregation eine ethnografische Wanderausstellung oder ein afrikanisches Museum einzurichten. Diese werden immer rege besucht.
Die Gründerin ist bemüht, die Ausbildung der Schwestern zu gewährleisten, sowie neue externe Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Förderinnen und Förderer zu gewinnen. Mit großem Vertrauen erteilt sie Laien-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern Bevollmächtigungen, an verschiedenen Orten eine Filiale oder eine Abgabestelle zu leiten.
Abb. 7: Junge SSPC-Schwestern aus aller Welt © SSPC/ul
4. Vollendung
1902 übersiedelt Maria Theresia nach Rom, wo sie das Generalats-Haus gründet. Andere Niederlassungen und Filialen zu ihren Lebzeiten entstehen bald in der Schweiz, Deutschland, Italien, Polen, Slowenien, Böhmen, Frankreich, England und sogar in St. Louis, USA.
Die vielen Reisen und die anstrengende Arbeit setzen dem seit der Kindheit kränklichen und von chronischen Leiden geplagten Körper der Gründerin zu. Sie isst zu wenig und arbeitet zu viel. Am 6. Juli 1922 vollendet Maria Theresia mit 59 Jahren ihren irdischen Lebenslauf. Von den afrikanischen Bischöfen und Missionaren kommen bald Zeugnisse von Gnadenerweisen und Wundern auf die Fürsprache der Gründerin. Zwei solcher Wunder in Italien werden anerkannt und der Seligsprechungsprozess wird durchgeführt. Zusammen mit drei anderen grossen Missionaren wurde Maria Theresia Ledóchowska am 19. Oktober 1975 in Rom von Papst Paul VI. (*1897, †1978) seliggesprochen.
Abb. 8: SSPC Druckerei Kisubi Uganda 1957 © SSPC
5. Die SSPC-Kongregation heute
Gegenwärtig gibt es 44 Gemeinschaften der Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver[19], die in 24 Ländern auf fünf Kontinenten das Charisma der Gründerin weitertragen. Es gibt fast 300 SSPC-Schwestern weltweit (Abb. 7).
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen neue Gründungen in Südamerika, Nordamerika und später in Indien. In den 1950er Jahren werden drei Pressezentren (Druckereien) in Afrika errichtet (Uganda, Sambia, Nigeria), die inzwischen an die einheimischen Diözesen übergeben wurden (Abb. 8). Die jüngste Gründung wagt die Kongregation 2013 in Vietnam, wo der Glaube sehr lebendig ist. Es gibt dort zahlreiche Berufungen und die Gemeinschaft wächst dort schnell.
Die missionarische Information und Bewusstseinsbildung durch das gedruckte Wort und die digitalen Kanäle ist immer noch das Ziel. Die Kongregation ist weiterhin bemüht, die spirituelle und finanzielle Unterstützung der Missionare zu gewährleisten. Unser zentrales Missionssekretariat in Rom erhält jährlich fast 2.000 Gesuche aus den verschiedenen Missionen. Nach Bearbeitung der Gesuche werden ca. 80 % davon gutgeheißen. Die einzelnen Niederlassungen, z.B. das Missionshaus Maria Sorg, erhalten die Anweisungen, an welche Projekte Geld zu schicken ist. Außerdem arbeiten unsere Schwestern in einigen Ländern in den diözesanen Missionssekretariaten. Sie sind engagiert in der Jugendpastoral und in der Frauenförderung.
Abb. 9, oben: Museum der Gründerin in Maria Sorg © ÖOK/km; Abb. 10, unten: Missionsmuseum in Maria Sorg © ÖOK/km
In Österreich geben wir immer noch drei Missionszeitschriften heraus: "Echo aus Afrika und anderen Erdteilen", "Afrika für Christus" und eine Kinderzeitschrift "Woanders leben Kinder anders". Und obwohl die Zahl der Abonnements im Sinken ist, werden immer noch beachtliche Spenden für die vorgestellten Projekte verzeichnet.
Unsere Gemeinschaft im Missionshaus Maria Sorg zählt acht Mitglieder und ist international zusammengesetzt. Die Schwestern kommen aus Österreich, Indien, Polen und den Niederlanden. Im Jahr 2019 wird anlässlich des 44. Jahrestags der Seligsprechung von Maria Theresia Ledóchowska in Maria Sorg ein Museum über ihr Leben und Wirken errichtet und das Missionsmuseum neugestaltet (Abb. 9 u. 10). Beide werden häufig von Gruppen und Einzelpersonen besichtigt. In unserem Haus empfangen wir gerne kleine Gruppen aus Pfarren, Kinder und Jugendliche mit Gastfreundschaft und sorgen dafür, dass die Besucherinnen und Besucher den Missionen näherkommen (Abb. 11). Und das im Sinne der Botschaft von Papst Franziskus: Getauft und gesandt: die Kirche Christi auf Mission in der Welt. (…) Es ist ein Auftrag, der uns direkt angeht: Ich bin immer eine Mission; du bist immer eine Mission; jede Getaufte und jeder Getaufte ist eine Mission.[20]
Abb. 11: Missionshaus Maria Sorg 2024 © SSPC/ul
6. Das 100. Todesjahr der seligen Maria Theresia Ledóchowska
Im Jahr 2022 wird das 100. Todesjahr der seligen Maria Theresia Ledóchowska weltweit begangen. Besonderes Interesse und Aufmerksamkeit wurden der Gründerin in Österreich und vor allem in der Erzdiözese Salzburg geschenkt. Bei der Ordensgemeinschaft in Maria Sorg hat sich ein sehr aktives MTL-Komitee (Maria Theresia Ledóchowska-Komitee) gebildet, das seine Entstehung dem ehemaligen Landesbeauftragten für kulturelle Sonderprojekte, Prof. Alfred Winter, verdankt. Er weiß viele unterschiedliche Persönlichkeiten aus Kirche, Stadt und Kultur für die selige Maria Theresia Ledóchowska zu begeistern. Sein Ziel ist klar formuliert: Die selige Ordensgründerin ist in Österreich, besonders in Salzburg zu wenig bekannt, und das muss sich ändern. Ende 2021 wird das Projekt Ledóchowska100+[21] konzipiert, das bisher verschiedene Initiativen zu verzeichnen hat. Dank starker Unterstützung von der Stadt Salzburg (Stadtarchiv Salzburg) und der Erzdiözese Salzburg können einige Initiativen realisiert werden:
- Die Herausgabe einer Informationsbroschüre „Maria Theresia Ledóchowska und das Evangelium der Freiheit“ von Michaela Hessenberger (freie Content Creation Journalistin).
- Die Hauptfeier zum 100. Todesjahr der Gründerin unter dem Vorsitz von Erzbischof Franz Lackner am 3. Juli 2022 im Dom zu Salzburg.[22]
- Die Realisierung des Dokumentarfilms „Gräfin – Ordensfrau – Befreierin. Das außergewöhnliche Leben der Maria Theresia Ledóchowska“ von Regisseurin Gabrielle Neudecker 2022, bereits viermal im ORF ausgestrahlt.[23]
- Die Abhaltung eines wissenschaftlichen Symposiums am 15./16. Juni 2023 in Salzburg über die Gründerin, auf Initiative vom Stadtarchiv und von der Erzdiözese Salzburg.[24]
- Im Rahmen des Symposiums, am 14. Juni und 16. Juni 2023, erfolgt die Veranstaltung eines Konzertes mit Originaltexten der Gründerin in der Kollegienkirche Salzburg unter der Leitung der Chefdirigentin der Philharmonie Salzburg Elisabeth Fuchs.
- Die Schaffung einiger Kunstwerke im Zusammenhang mit der Feier des 100. Todesjahrs der Gründerin: Die großen Fahnen im Salzburger Dom werden vom Salzburger Künstler Karl Hartwig Kaltner realisiert und eine moderne Ikone der seligen Maria Theresia Ledóchowska wird von der Künstlerin Jutta Katharina Kiechl gemalt.
- Das Projekt „Ledochowska100+“ soll im Oktober 2025 mit weiteren Initiativen gekrönt werden. Anlässlich des Jubiläums „50 Jahre seit der Seligsprechung der Ordensgründerin“ findet eine Feier und eine Ausstellung der Fotografien aus der Mission vom 19. Jahrhundert in Salzburg, Rom und anderswo statt.
Ich schließe mit dem Leitspruch unserer Gründerin, den sie vom hl. Dionysius Areopagita (* und † um das erste Jahrhundert n. Chr.) entlehnt hat. Sie hat seine Worte sehr oft in den Vorträgen gebraucht, ja danach gelebt: Das Göttlichste des Göttlichen ist, mit Gott mitzuwirken am Heil der Seelen, also der Menschen![25]
Maria Theresia Ledóchowska ermutigt auch heute zu einer frohen und offenen Frömmigkeit, die die Nächstenliebe übt und keinen Menschen ausgrenzt oder ignoriert. Ihre Botschaft und ihr Wirken haben an Aktualität nicht verloren und bieten auch unserer heutigen Kirche und Gesellschaft ein großes Potenzial von motivierenden Anstößen für ein entschlossenes Engagement zum Wohle aller Menschen und vor allem derer, die der Menschenwürde beraubt werden.
Ursula Lorek SSPC ist 1954 in Polen geboren. Sie trat 1973 der Kongregation der Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver in Krosno (Polen) bei, wo sie ihre erste Ordensausbildung machte. Weitere Ausbildungen absolvierte sie im Generalat in Rom, wo sie auch an der Universität Angelicum und Urbaniana studierte. Sie war 18 Jahre lang in der Niederlassung Zug in der Schweiz tätig. Fast 20 Jahre hat sie im Generalrat der Kongregation in Rom gewirkt und seit 2020 ist sie Oberin im Missionshaus Maria Sorg in Bergheim bei Salzburg.
Kontakt: oberin@mariasorg.at
[1] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Ansprache in Wien, in: Missionarische Konferenzen 1908–1922, Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver (Salzburg 2009) 46.
[2] Im Jahr 2004 wird die Kongregation der Englischen Fräulein in Congregatio Jesu umbenannt. Im Jahr 2000 wurde die Schulträgerschaft des Instituts in St. Pölten der Vereinigung von Ordensschulen Österreichs übergeben und im September 2011 nach der Ordensgründerin in Mary Ward Schulen umbenannt.
[3] Vgl. Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Geschichte der kleine Maria, die gar so gerne berühmt werden wollte, (Salzburg 1930).
[4] Romana seu Salisburgen, Beatificationis et Canonizationis Servae Dei Mariae Theresiae Halka
Ledóchowska Comitis, Articuli ad Docendum (Salzburg 1929) 23.
[5] Vgl. Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Mein Aufenthalt am Großherzoglichen Toskanischen Hofe 1885–1891, AC SSPC (Archivio Centrale Sodalitas Sancti Petri Claver) Roma, Typoskript.
[6] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Brief an Mieczyslaw Kardinal Ledóchowski 04.11.1885, in: AC SSPC, Roma, Typoskript.
[7] Die Weißen Väter, eigentlich Gesellschaft der Missionare von Afrika, sind eine röm.-kath. Ordensgemeinschaft.
[8] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Entstehung, Wirken und Verbreitung der St. Petrus Claver Sodalität für die afrikanischen Missionen 1894–1901 (Salzburg 1901) 6.
[9] Vgl. Maria Teresa WALZER, Auf neuen Wegen, Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver (Reimlingen 1972) 51.
[10] Kardinal LEDÓCHOWSKI an Maria Theresia Ledóchowska 21.01.1889, AC SSPC, Rom Korrespondenz MTL.
[11] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA an Hammerstein-Stolberg, 23.08.1889, AC SSPC Rom, Korrespondenz MTL.
[12] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA an Baronin Ilse von Düring, 18.05.1892, AC SSPC Rom, Korrespondenz MTL.
[13] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Entstehung, Wirken und Verbreitung der St. Petrus-Claver-Sodalität für die afrikanischen Missionen 1894–1901 (Salzburg 1901) 4.
[14] Maria Theresia LEDOCHOWSKA; Panorama über die Gründung und die Aktivitäten der St. Petrus-Claver-Sodalität, Konferenzen über die Sodalität (Salzburg 2009) 53.
[15] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Notizen über die St. Petrus Claver-Sodalität für die afrikanischen Missionen (Salzburg 1901) 9.
[16] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Vortrag an Kath. Lehrerinnen-Verein, 02.02.1898, Über die Sodalität 1894–1898 (Salzburg 2009) 12.
[17] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Rede in Zug am Schweizer Katholikentag, 21. –24. August 1909, in: Missionarische Konferenzen 1908–1922 (Salzburg 2009) 12.
[18] Im Archiv in Maria Sorg befinden sich über 2000 Glas-Lichtbilder die aktuell digitalisiert werden.
[19] 1947 wurde die Gemeinschaft umbenannt in Missionsschwestern vom heiligen Petrus Claver.
[20] Papst Franziskus, Botschaft zum Missionssonntag, (9. Juni 2019) URL: https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/missions/documents/papa-francesco_20190609_giornata-missionaria2019.pdf [Zugriff: 20.11.2023]
[21] https://ledochowska.at [Zugriff: 10.01.2024]
[22] https://www.mariasorg.at [Zugriff: 10.01.2024]
[23] „Kreuz und Quer“ Hauptfilm für den privaten Gebrauch – auch zum Downloaden: https://vimeo.com/767294795/8637bd7683 [Zugriff: 10.01.2024]
[24] https://ledochowska.at/ [Zugriff: 10.01.2024]
[25] Maria Theresia LEDÓCHOWSKA, Festrede in St. Pölten am 27. Mai 1906, in: Missionarische Konferenzen 1891–1907 (Salzburg, 2009) 48.