Liturgische Bücher im Zisterzienserstift Schlierbach
Vortrag gehalten bei der Jahrestagung der kirchlichen Bibliotheken am 3. Juni 2024 in Wien.
Auf die Frage, wie ich mit liturgischen Büchern umgehe, gebe ich als erste Antwort: Wie mit anderen auch. In den Zeiten der Umstrukturierung der Pfarren in den Diözesen[1] ist es geradezu Mode geworden, nach dem „Kerngeschäft“ der Kirche zu fragen. Es trifft uns als Stift zwar nicht unmittelbar, aber immer mehr Diözesen befinden sich bei den öffentlichen Büchereien auf dem Rückzug, weil es eben nicht zum Kerngeschäft gehören würde. Deshalb können wir uns die Frage stellen, was zum „Kerngeschäft“ einer Ordensbibliothek gehört. Mein Vorgänger P. Frowin Hillinger (*1912, †1996), Bibliothekar des Zisterzienserstifts Schlierbach, hat noch gesagt: Alles wird nur deshalb gedruckt, damit es auch aufgehoben werden kann.
Wir haben bereits im Rahmen früherer Jahrestagungen der kirchlichen Bibliotheken darüber gesprochen, dass die Zeit vorbei ist, als es das Ziel war, die Nachbarbibliothek mit der Anzahl der Bücher, die man selber hat, zu übertreffen. Die meisten Bibliotheken können wegen Platzproblemen nur mehr gezielt sammeln. Und dazu gehört für mich das Sammeln liturgischer Bücher.
Abb. 1: Einblick in die Bibliothek des Zisterzienserstifts Schlierbach © Ernst Rohrauer
Dazu passt ein aktuelles Zitat: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, beschäftigte sich in einer Pfingstpredigt mit 10 Jahren Gotteslob und sagte dabei, Gebet- und Gesangbücher seien wie Zeitkapseln. Das katholische Gesangbuch Gotteslob sei den Menschen heute „ein Handbuch des Glaubens. Und die früheren Gebet- und Gesangbücher erzählen, was damals als wichtig und unterstützenswert galt. Die Zeiten ändern sich – und wir uns mit ihnen."[2]
Liturgische Bücher in den Ordensregeln
Als Angehöriger einer Ordensgemeinschaft, die sich der Regel des hl. Benedikt verpflichtet fühlt, fällt mir als Sammelgrund folgendes Zitat aus der Benediktsregel ein: „Alle Geräte und den ganzen Besitz des Klosters betrachte er als heiliges Altargerät“ (RB 31,10).
Benedikt wendet sich dabei an den Cellerar des Klosters. Es geht dabei um den Umgang mit allen Dingen, die dem Kloster gehören, und somit auch den Büchern. Auf das Lesen kommt Benedikt noch öfter zu sprechen und somit ist wohl der Bibliothekar, wenn auch unausgesprochen, ein fixes Amt im Kloster: „Beim Tisch der Brüder darf die Lesung nicht fehlen.“ (RB 38,1). „Deshalb sollen die Brüder zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit, zu bestimmten Stunden mit heiliger Lesung beschäftigt sein.“ (RB 48,1). Es handelt sich dabei wohl meistens um die Heilige Schrift. Aber es können auch Schriften der Kirchenväter wie beispielsweise Bibelkommentare gemeint sein. Weiters sagt Benedikt: „Am Beginn der Fastenzeit erhält jeder einen Band de bibliotheca.“ (RB 48,15). Heute wird es übersetzt als einen Band der Bibel.[3] In der Übersetzung von Steidle aus dem Jahr 1963 steht noch: „Jeder erhalte ein Buch aus der Bibliothek“.[4] Als Zisterzienser bin ich zum Sammeln liturgischer Bücher auf Grund der sogenannten „Exordien“ motiviert: Es gibt ein Exordium Parvum und ein Exordium Cistercii wobei es sich um Erzählungen aus der Anfangszeit des Ordens handelt, die geschrieben wurden, um die rechtliche Identität der Zisterzienser zu begründen. Die eigentliche Ordensverfassung ist die Carta Caritatis aus dem 12. Jahrhundert.[5]
In diesen ältesten Ordensvorschriften finden wir: „es darf kein neuer Abt an einen neuen Ort ausgesandt werden, ohne wenigstens 12 Mönche und ohne folgenden Bücher: Psalterium, Hymnar, Kollektar, Antiphonar, Graduale, die Regel und das Missale“.[6] Auch müssen vorher folgende Gebäude errichtet worden sein: Oratorium, Refektorium, Dormitorium, die Wohnung für die Gäste und den Pfortenbruder, damit die Mönche sofort Gott dienen und der Regel gemäß leben können.[7]
Abb. 2: Bücher, die zur Gründung neuer Niederlassungen gebraucht werden © Fr. Kilian Mitterhuemer
Im Exordium Cistercii werden noch einmal unter der Überschrift: „Welche Bücher es sind, die nicht unterschiedlich sein dürfen“ folgende Bücher genannt: „Meßbuch, Evangelienbuch, Epistolar, Collectaneum, Graduale, Antiphonar, Hymnar, Psalter und Lectionar, Regel und Kalender (=Martyrologium) sollen überall einheitlich sein“.[8]
Das Zisterzienserstift Schlierbach wurde 1620 als Männerkloster von Stift Rein in der Steiermark ausgehend wiederbesiedelt. Wieweit man sich am Anfang des 17. Jahrhunderts noch an diese Vorschriften gehalten hat, ist nicht bekannt. Ein einziger Brevierband im Stift aus dem Jahre 1585 zeugt von Reiner Provenienz.
Abb. 3: Brevierband aus dem Stift Rein aus dem Jahr 1585 © Fr. Kilian Mitterhuemer
Wie bei vielen Gebieten, die wir sammeln, müssen wir auch bei den liturgischen Büchern sagen, dass der Bestand für eine wissenschaftliche Arbeit bei Weitem nicht reicht. Aber gerade das Sammeln der liturgischen Bücher kann ein Nachweis sein, wieweit z.B. die Ordensvorschriften mit ihren Veränderungen rezipiert wurden.
Das führt uns zur Bedeutung des Sammelns für die Hausgeschichte: Schlierbach wurde 1355 als Zisterzienserinnenkloster gegründet. Bis heute lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit die Herkunft der Nonnen bestimmen. Sie wird in einem Artikel von Schiffmann aus dem Jahre 1898 erschlossen, eine Interlinearversion in einer Handschrift (mit der Signatur Handschrift Schlierbach 6) wird als alemannisch identifiziert und somit schränkt er die Herkunft der Nonnen auf das Einflussgebiet des Abtes von Salem ein.[9] Daraus hat sich eine Tradition entwickelt, dass die Nonnen aus Baindt in der Nähe von Ravensburg gekommen wären.
Abb. 4: Die Interlinearversion in der Handschrift Schlierbach 6 © Friedrich Höller OCist
Schiffmann schreibt über die Handschrift Schlierbach 6: „Der Inhalt der Bruchstücke stellt sich als ein Teil eines Chorofficiums dar, welches wahrscheinlich von den Nonnen recitiert oder gesungen, daher zu ihrem bessern Verständnisse mit einer deutschen Interlinearversion versehen wurde.“[10]
Die Nonnen verließen in der Reformation das Kloster und Schlierbach wurde von Administratoren verwaltet.
Liturgische Bücher in der Literatur
Liturgische Bücher werden in der Literatur auch als „heiliges Altargerät“ behandelt. Die Zeitschrift Gottesdienst, die gut über liturgische Fragen informiert, die aber auch recht kritisch über liturgisches Fehlverhalten urteilt, behandelt die liturgischen Bücher so, als ob es „kein Morgen gäbe“, also als ob es nie eine Neuauflage von liturgischen Büchern gäbe:
„Das Evangeliar (bzw.) Lektionar ist während der ganzen Messfeier mit Würde und Anstand zu behandeln“; „Seit alters her ist das Evangeliar Gegenstand der Verehrung“; Dann gibt es 1978 noch den Abdruck einer Kinderpredigt: „Warum küßt der Priester das Evangelienbuch?“[11]
Aber was geschieht, wenn das Evangelienbuch nicht mehr verwendet wird?
Die aktuelleren Artikel zu diesem Themenkreis befassen sich mit der Frage: Tablet oder liturgisches Buch? Hier wird oft für das Buch argumentiert, denn beim liturgischen Buch handle es sich um mehr als um ein Speichermedium. Als Beispiel wird angeführt, dass bei einem jüdischen Gottesdienst, obwohl es genug gedruckte Exemplare der Tora gibt, eine handgeschriebene Torarolle verwendet wird. Die symbolischen Handlungen, die auf das Lektionar oder Evangeliar mit seinem festen Inhalt bezogen sind, können nicht einfach auf ein neutrales Medium übertragen werden. Dabei wird auf die Diakonenweihe verwiesen, bei der der Weihekandidat das Evangelienbuch überreicht bekommt und auf die Bischofsweihe, wo das Evangeliar über den Kopf gehalten wird.
Es lohnt sich das Sammeln liturgischer Bücher, seien sie Unikate oder auch Massenware, seien sie Unikate vom Exemplar her: z.B. Missa de Requiem von Johannes Winterburger (*1460/1465, † 1519). Laut einem Schreiben der Österreichischen Nationalbibliothek vom 28. Juni 1954 handelt es sich nach den bibliografischen Ausweisen um das einzig bekannte Exemplar.
Liturgische Bücher werden auch durch ihre Bedeutung zum Unikat gemacht, beispielsweise durch den Buchkuss beim Evangeliar.
Messbücher werden gesammelt, auch wenn sie dieselbe Auflage sind, sich aber im Einband unterscheiden. Oft ist ein Missale das Primizgeschenk der Familie und am Einband lässt sich der soziale Status der Spender ablesen.
Abb. 5: Zwei verschiedene Missale derselben Auflage, mit unterschiedlichen Einbänden. © Fr. Kilian Mitterhuemer
Was aber geschieht nach der liturgischen Verwendung?
In manchen Artikeln wird vielleicht noch auf die jüdische Tradition verwiesen, nicht mehr verwendete liturgische Gegenstände zu begraben, aber sonst muss man feststellen: Werden die liturgischen Bücher zuerst noch als heiliges Altargerät behandelt, so verschwinden sie nach ihrer Verwendung mehr oder weniger sang- und klanglos.
Deshalb habe ich bei der Durchsicht der Christlichen Kunstblätter bereits im 19. Jahrhundert aufgegeben, denn dort wurde hauptsächlich der Umgang mit dem Missale am Altar besprochen, und die richtige Lagerung in der Sakristei. Nichts aber war zu finden, wie man mit ausgeschiedenen Büchern umgehen solle.[12]
Vom Fachbereich Kunst und Kultur der Diözese Linz wurde für 22. Juni 2024 folgende Veranstaltung zur Fortbildung für Kirchenpfleger:innen angeboten: „Restaurierung – kulturGUTspeicher der Diözese Linz, Steyr-Gleink. Schwerpunkt: Erhalt von Kunstobjekten aller Objektgruppen (Textil, Stein, Metall, Glas- und Kirchenfenster, Raumschale, Holz/Skulpturen), d.h. die richtige Handhabung und Pflege sowie Leistungen der professionellen Konservierung und Restaurierung.“[13] Alle Materialien waren vertreten, aber kein Papier!
In der schon zitierten Zeitschrift Gottesdienst gab es im Jahr 1989 einen Artikel über die ornamenta ecclesiae, es wird dabei die Frage gestellt: „Was tut man mit den ausgemusterten Geräten?“ Die einzig wirkliche Aufbewahrung älterer ornamenta ecclesiae ist und bleibt die Erhaltung am angestammten Bestimmungsort, deshalb wird eine Inventarisierung verlangt: „Die Inventarisierung ist eine Grundvoraussetzung für den Erhalt des Erbes“.[14]
Wir bräuchten uns weniger Sorgen machen, gäbe es wie in früheren Jahrhunderten noch die Visitationen, bei denen nach genau festgelegten Rubriken die vorhandenen Vasa Sacra, Paramente, Altäre, Bücher in Protokollen verzeichnet und nach diesen immer wieder auf ihr tatsächliches Vorhandensein kontrolliert wurden.
Auch fromme Wünsche bleiben Wünsche!
Wie geht man mit den nicht mehr für die Liturgie verwendeten Bücher um? Dazu einen Blick ins Internet: Auf der Seite willhaben.at werden immer wieder ein paar Missale angeboten. Auf der Seite zvab.com (Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher), sind unter dem Stichwort „Missale“ 390 Anzeigen aufgelistet, davon ca. 300 tatsächliche Missale, die meisten aus dem 19. Jahrhundert. Ebenso bei booklooker.de oder kleinanzeigen.de und in Auktionshäusern. So wurden z.B. im Dorotheum Messbücher versteigert. Auch einzelne Kupferstiche, die herausgeschnitten wurden und extra verkauft werden, sind im Internet zum Verkauf angeboten.
In kirchlichen Kreisen ist Umnutzung zu einem Modewort geworden: Kirchen, die säkularisiert werden, werden einer Umnutzung zugeführt. Dasselbe geschieht auch mit Büchern. Beim Wechsel des Gotteslob sind manche Pfarren recht kreativ geworden: da wurden Engel für den Christbaumschmuck etc. daraus gebastelt. Bei uns in der Pfarre Spital am Pyhrn hat es nur zu Lesezeichen gereicht.
Bei den öffentlichen Büchereien wurde eine Projektarbeit, die bei der Ausbildung zu ehrenamtlichen Bibliothekar:innen gefordert wird, mit folgendem Titel verfasst: “Bookcycling“. Sie beschäftigt sich mit der Verwertung ausgeschiedener Bücher.[15] Aber sollen wir uns nun als eine Neigungsgruppe „Wer bastelt mit?“ treffen.
Warum sind wir Bibliothekarinnen und Bibliothekare gefordert?
Bei uns in der Diözese Linz wird es ab 2028 statt der bisher über 400 Pfarren nur mehr 39 Pfarren geben. In vielen ehemaligen Pfarren wird keine hauptamtliche Person mehr vor Ort sein. Pfarrhöfe werden zum Teil umgenutzt. Für die inkorporierten Pfarren bedeutet das, dass die Pfarrarchive und die dort vielleicht gelagerten liturgischen Bücher ins Stift wandern.
Bisher hat mein Bestand aus ehemaligen Brevieren etc. so ausgeschaut (Abb. 6). Vor kurzem hat ein junger Pfarrer mit dem Ausräumen begonnen, weil er ein neues Bad haben möchte. Er hat deshalb diese Messbücher ins Haus gebracht (Abb. 7).
Abb. 6.: Bestand liturgischer Bücherdubletten im Zisterzienserstift Schlierbach. © Fr. Kilian Mitterhuemer
Abb. 7: Ausgeschiedene Messbücher, die in die Stiftsbibliothek Schlierbach gebracht wurden. © Fr. Kilian Mitterhuemer
Wie also umgehen mit Mehrfachexemplaren?
In der Linzer Kirchenzeitung gab es im Februar 2024 eine Artikelserie „Vom Umgang mit heiligen Dingen“.[16] Dort war zu lesen: „Wenn ein Gegenstand nie eine religiöse Funktion gehabt hat, braucht man sich über die Art der Entsorgung nicht den Kopf zerbrechen.“
Ich denke hier an neuere Bibelausgaben, die sich auch äußerlich nicht von „gewöhnlichen“ Büchern unterscheiden. Außerdem werden die Leserinnen und Leser in einer Ausgabe für die lectio divina aufgefordert, wichtige Passagen zu unterstreichen.
Ein Buch in dem herumgestrichen wird, verliert für mich seinen liturgischen Anspruch.
Aus dem Jahr 2022 gibt es von der Diözese Rottenburg-Stuttgart einen „Leitfaden für den angemessenen Umgang mit nicht mehr verwendeten religiösen Gegenständen“.[17]
Für uns von Interesse sind dabei folgende Empfehlungen:
- Nicht mehr verwendete Lektionare können beispielsweise interessierten Lektoren angeboten werden. (Nach meiner Meinung wird hier das Problem der Entsorgung nur aufgeschoben.)
- Eine Umnutzung/künstlerische Neuinterpretation anstreben. (Die damit verbundenen Probleme wurden bereits besprochen.)
- Der für uns entscheidende Vorschlag aber heißt: „Nicht mehr brauchbare liturgische Bücher, beispielsweise veraltete oder kaputte Lektionare, Gesangbücher u.v.m., können ins Altpapier gegeben werden.“[18]
Folgende Einschränkungen werden jedoch empfohlen: „Die Entsorgung soll diskret, also nicht-öffentlich und ohne Ankündigung geschehen. Es sollte keine Sammelentsorgung […] geben, um ein Bild von Bergen nicht mehr verwendeter religiöser Gegenstände zu vermeiden.“[19]
Zusammenfassend bieten sich folgende Handlungswege:
1. Begraben wie die Juden
Ich wollte es versuchen, der Regen hat es verhindert. Mein Einwand dagegen ist: Es ist nicht unsere Tradition. Bei aller Ernsthaftigkeit erinnert es mich an die Kindheit, als wir tote Vögel oder Mäuse begraben haben.
2. Im Osterfeuer verbrennen oder allgemein verbrennen
Für die heurige Osternacht hatte ich in meiner Pfarre bereits zwei Lektionare vorbereitet. Bei uns war jedoch der Wind so heftig, dass das Osterfeuer so klein als möglich gehalten werden musste. Deshalb wurde das Experiment abgesagt. Im Schlierbacher Osterfeuer wurde 2024 ein Lektionar verbrannt. Meine Befürchtung der Klumpenbildung hat sich nicht bestätigt. Es ist eine schöne Asche geworden.
Persönlich habe ich jedoch ein anderes Hemmnis, ich bringe beim Verbrennen eines Buches weder den Ausdruck noch die historische Bedeutung von Bücherverbrennungen aus dem Kopf.
Abb. 8: Darstellung einer Bücherverbrennung im Deckenfresko des Zisterzienserstifts Schlierbach © Friedrich Höller OCist
3. Sakrarium
Auf dieses wurde in einem Artikel in der Kirchenzeitung hingewiesen.[20] Ich wusste zwar, dass es so etwas gibt, musste es in meiner Kirche aber erst suchen. Von der Idee her, wäre es nur für die Aschen vom Verbrennen geeignet, weil ja auch das Reinigungswasser von der Kelchwäsche etc. hineingeschüttet gehört. Bei uns wäre es jedenfalls groß genug.
Abb. 9: Sakrarium in der Pfarrkirche in Spital am Pyhrn © Friedrich Höller OCist
4. Altpapier
Nach den Stuttgarter Vorschriften für mich die derzeit vernünftigste Lösung, in kleinen Mengen. Obwohl sich ein Einwand einmischt: Zuerst wird das Evangeliar in die Höhe gehalten, dann ist es Altpapier.
5. Columbarien in der Stiftsgruft
Bei der Umnutzung so mancher Kirchen wird empfohlen, Columbarien für Urnengräber umzuwidmen. Unterhalb meiner derzeitigen Pfarrkirche Spital am Pyhrn befindet sich die ehemalige Stiftsgruft. Hier sind einige Columbarien frei. Eine einzige würde genügen, den Mehrfachbestand der liturgischen Bücher des ehemaligen Dekanates zu bergen.
Abb. 10: Leeres Columbarium in der Gruft der Pfarrkirche in Spital am Pyhrn. © Friedrich Höller OCist
6. Schreddern
Als Quelle für die Arbeit Book Recycling wird ein köstlicher Artikel aus der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahre 2010 angegeben.[21] Hier beschreibt ein Autor, wie dessen unverkaufte Auflage seines Romans vernichtet wird und der sich damit in einer ähnlichen Situation wie kirchliche Bibliothekare und Bibliothekarinnen befindet. Er sagt: „Ich arbeite als Journalist, und es war mir immer klar, dass die Zeitung am nächsten Tag ins Altpapier kommt. Aber Bücher sind keine Zeitungen, Bücher sind für die Ewigkeit – nur eben nicht alle. Irgendwann müssen, die, die niemand mehr will, Platz machen.“[22] Die ganze Geschichte läuft darauf hinaus, dass er mitbekommt, wie die geschredderten Bücher zu Dämmstoff verarbeitet werden. So tröstet er sich mit der Gewissheit: „Mein Buch wird das Weltklima verbessern“.[23]
Sollten unsere alten liturgischen Bücher ebenfalls das Weltklima verbessern?
Irgendwie geht es mir dann so wie Marcel Reich-Ranicki (*1920, †2013), der seine Sendungen immer mit dem Zitat von Bert Brecht (*1898, †1956) abgeschlossen hat: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen."
Friedrich Höller OCist, seit 1971 Zisterzienser in Stift Schlierbach und 1978 zum Priester geweiht. Seit 1983 Pfarrer – derzeit in Spital am Pyhrn – und seit 1991 zuständig für die Stiftsbibliothek und das Stiftsarchiv. Friedrich Höller OCist ist eines der Gründungsmitglieder der ARGE Ordensbibliotheken der Österreichischen Ordenskonferenz, in deren Leitungsteam er sich von 2013 bis 2022 aktiv beteiligte.
Kontakt: hoeller.friedrich@pptv.at
[1] Beispielhaft https://www.dioezese-linz.at/zukunftsweg/umsetzung-pfarrstruktur [Zugriff: 26.06.2024].
[2] Predigt von Bischof Dr. Georg Bätzing zu Pfingsten im Hohen Dom zu Limburg am 19. Mai 2024. Online abrufbar unter: https://www.dbk.de/presse/aktuelles/meldung/predigt-von-bischof-dr-georg-baetzing-zu-pfingsten-1 [Zugriff: 04.07.2024].
[3] https://www.benediktiner.de/regel-des-hl-benedikt/regeltext-in-deutsch/kapitel-48_handarbeit/ [Zugriff: 09.07.2024].
[4] P. Basilius STEIDLE (Hg.), Die Benediktus-Regel. Lateinisch-Deutsch (Beuron 1963).
[5] Auch Charta Caritatis. Gerhard B. Winkler, Art: Charta Caritatis, in: Lexikon für Theologie und Kirche 2 (Sonderausgabe 2006), Sp. 1024f.
[6] Exordium Cistercii 9, Vom Bau der Abteien: https://ocso.org/swstatic-240927024141/swstatic-241114101744/swstatic-241114101744/resources/foundational-text/exordium-cistercii/ [Zugriff: 09.07.2024].
[7] Ebd.
[8] Exordium Cistercii 10, Welche Bücher es sind, die nicht unterschiedlich sein dürfen: https://ocso.org/swstatic-240927024141/swstatic-241114101744/swstatic-241114101744/resources/foundational-text/exordium-cistercii/ [Zugriff: 09.07.2024].
[9] Konrad SCHIFFMANN, Zur Frage nach dem Mutterkloster des Cistercienser-Nonnenstiftes Schlierbach in Oesterreich ob der Enns, in: Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden, Bd. 19 (1898) 97–100.
[10] Konrad SCHIFFMANN, Altdeutsche Funde aus Schlierbach, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd. 42 (1898) 220–228.
[11] Gottesdienst. Zeitschrift der Liturgischen Institute Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Jahrgänge 1975–2024.
[12] Christliche Kunstblätter. Zeitschrift des Linzer Diözesankunstvereins Jahrgang 1894.
[13] https://www.dioezese-linz.at/institution/8050/bildungvermittlung/kirchenpflege/article/270460.html
[Zugriff: 09.07.2024].
[14] Johann Michael FRITZ, Benutzen und bewahren. Mahnung zum rechten Umgang mit den „Ornamenta ecclesiae“, in: Gottesdienst 23 (1989) 177–179.
[15] Susanne SCHAUFLER: Bookcycling, Reuse before recycle, Beitrag der Bücherei zur Ressourcenschonung, Projektbericht im Rahmen der Ausbildung für ehrenamtliche und nebenberufliche Bibliothekar/innen (Stadl-Paura 2023), unveröffentlichtes Typoskript.
[16] Josef WALLNER, Vom Umgang mit heiligen Dingen, Teil 3/3, Gesegnetes außer Dienst, in: Kirchenzeitung, Diözese Linz (Hg.), Ausgabe 09/2024 (27.02.2024).
https://www.kirchenzeitung.at/site/kirche/glaube/gesegnetes-ausser-dienst [Zugriff 14.08.2024].
[17] Leitfaden für den angemessenen Umgang mit nicht mehr verwendeten religiösen Gegenständen, Bischöfliches Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.) (Rottenburg am Neckar 2022). https://www.deutsche-bistuemer-kunstinventar.de/swstatic-240927024141/swstatic-241114101744/swstatic-241114101744/images/Leitfaden_Rottenburg.pdf
[Zugriff: 09.07.2024].
[18] Ebd., 14.
[19] Ebd.
[20] Josef WALLNER–Heinz NIEDERLEITNER, Der Ursprung der Asche, Teil 1/3 Gesegnetes außer Dienst, in: Kirchenzeitung, Diözese Linz (Hg.), Ausgabe 07/2024 (13.02.2024).
https://kirchenzeitung.at/site/kirche/glaube/der-ursprung-der-asche [Zugriff: 15.07.2024].
[21] Nicol LJUBIC, Literatur-Recycling: Mein Buch wird das Weltklima verbessern, Süddeutsche Zeitung (19. Mai 2010). https://www.sueddeutsche.de/kultur/literatur-recycling-mein-buch-wird-das-weltklima-verbessern-1.896734?isSubscriber=false [Zugriff: 15.07.2024].
[22] Ebd.
[23] Ebd.