„Ich mag es nicht, wenn etwas so ungerecht ist“
Sr. Notburga ist Ordensfrau der Tertiarschwestern des heiligen Franziskus in Hall in Tirol, kurz gesagt eine Franziskanerin. Sie gibt den Ärmeren und Schwächeren in unserer Gesellschaft eine Stimme. Im März 2021 erlangte Sr. Notburga Maringele österreichweit Bekanntheit. Sie war es, die ein Plakat mit einem Zitat von Bundespräsident Alexander Van der Bellen sehr prominent an die Wand des Klosters gehängt hat, um öffentlich und lautstark gegen die Abschiebung von Kindern zu protestieren. „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies (Kinder abschieben) wirklich notwendig ist.“, war auf dem Plakat zu lesen. Das Foto ging viral, war auf dem Cover der Wochenzeitung Falter zu sehen, die Kronen-Zeitung schrieb „Eine Nonne bewegt die Massen“ und über 50 Ordensgemeinschaften schlossen sich der Botschaft an. Heute kann das Plakat im Haus der Geschichte in Wien bestaunt werden.
Mit diesem Foto und dem Plakat erlangte Sr. Notburga Maringele österreichweit Bekanntheit. (c) Tertiarschwestern Hall/Tirol Download
Fokus auf Gerechtigkeit
Sie selbst sagt über die Aktion, dass das alles „völlig unspektakulär“ war, sie habe „ja nur ein Plakat aufgehängt“. Dass dieses dann weite Kreise zog und medial so hohe Wellen schlug, mit dem habe sie nicht gerechnet, freue sich aber über den Erfolg und auch, dass sich so viele Ordensgemeinschaften angeschlossen haben. „Aber es werden immer noch Kinder abgeschoben - trotz Kinderschutzkommission. Das kann und will ich nicht verstehen“, sagt die engagierte Ordensfrau. Ihr Einsatz für geflüchtete Menschen und für das Klima „hat einen Fokus, und das ist Gerechtigkeit“. „Der Umgang mit geflüchteten Menschen an Europas Außengrenzen ist so dermaßen ungerecht. Und ich mag es nicht, wenn etwas so ungerecht ist“, betont Sr. Notburga. Dieser Einsatz sei ganz untrennbar mit ihrem Glauben, mit Gott und mit der biblischen Botschaft verbunden, erzählt sie.
Die beiden Ordensfrauen Sr. Christina Blätterbinder (li.) und Sr. Notburga Maringele (re.) beim Camp für Moria vor dem Tiroler Landestheater. (c) Tertiarschwestern Hall/Tirol Download
75 Jahre Menschenrechte der Vereinten Nationen
Spricht sie über die 30 Artikel der Menschenrechte kommt sie fast ins Schwärmen: „Wir haben kaum schönere Texte formuliert als diese 30 Artikel.“ Und fügt mit Wehmut hinzu: „75 Jahre Menschenrechte und man hat das Gefühl, sie gehen auf ihr Grab zu. Die Gesellschaft darf sowas doch nicht aufgeben.“ Am 10. Dezember 2023 jährt sich die Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen zum 75. Mal. In Innsbruck wird sich Sr. Notburga an einer Aktion anlässlich des Jahrestages beteiligen. Die Menschen müssen endlich verstehen, dass „ein afghanischer Flüchtling genau die gleichen Menschenrechte hat, wie alle anderen Menschen auf dieser Welt“. Und sie ist überzeugt: „Wenn Europa die Millionen, die sie für Unmenschlichkeit – Zäune, Frontex, Festungen – ausgibt, stattdessen für ein rechtskonformes Asylsystem einsetzen würde – ich glaube, das würde sich ausgehen.“
Sr. Notburga begleitet die Klimaproteste mit Plakaten. (c) Tertiarschwestern Hall/Tirol Download
„Wir hinterlassen eine Klimahölle“
Auch bei Klimaprotesten trifft man die Franziskanerin aus Hall. Sie habe sich noch nicht auf die Straße festgeklebt, erzählt sie, aber sie unterstützt die jungen Menschen mit ihrem Plakat auf dem zu lesen ist: „Wir wurden in ein Paradies hineingeborgen und hinterlassen der kommenden Generation eine Klimahölle – das ist Unrecht.“
Für die in der Gesellschaft teils sehr umstrittene „Letzte Generation“ ergreift sie klar Partei: „Das sind alles sehr mutige, besonnene, informierte, engagierte Menschen. Sie verlangen im Grunde von der Regierung nur das, wozu sich die Regierung selbst verpflichtet hat. Bei uns geht alles zu langsam: Wenn das Boot mal gesunken ist, bringt es nichts mehr, das Steuer umzureißen. Die Politiker sollen einfach ihre Hausaufgaben machen.“ Von den Medien wünsche sie sich, weniger Populismus, stattdessen mehr Hintergründe und tiefergehendes Wissen weitergeben.
Vor kurzem hat sie sich daher auch bei „183 Stunden für das Klima“ beteiligt. Eine Gruppe von Menschen – gewachsen aus dem kirchlichen Bereich – hat 183 Stunden (eine Stunde für jeden Nationalratsabgeordneten) vor dem Parlament ausgeharrt, ist für den Klimaschutz eingetreten, hat Gespräch mit Abgeordneten geführt und die Bevölkerung dazu aufgerufen Mails an die Abgeordneten zu schicken. 2.000 Mails wurden bis jetzt abgeschickt.
„Es ist das gemeinsame Haus für die ganze Welt, für alle Menschen. Bevor wir nicht kapieren, dass wir nur gemeinsam überleben, davor wird sich auf der Erde nicht grundlegend etwas ändern“, ist Sr. Notburga überzeugt und ergänzt: „Ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum wir nicht bereit sind, uns einzuschränken.
Das Mahnwacheteam rund um Sr. Notburga bei einem Theater-Flashmob, mit dem sie auf die Widersinnigkeit von Abschiebungen gut integrierter Flüchtlinge aufmerksam machen. (c) Niewo 2019 Download
Im Habit im Einsatz für Gerechtigkeit
„Das alles empfinde ich als zutiefst ungerecht, da möchte ich mich äußern und meine Meinung kundtun, auch wenn ich angepöbelt werde“, erzählt die Franziskanerin. Bei all diesen Aktionen ist Sr. Notburga ganz bewusst im Habit unterwegs. „Das finde ich auch als meine Berufung als Franziskanerin. Franziskus war seiner Zeit so weit voraus, wenn es um Menschenrechte, aber auch um Umwelt geht. Er hat die ersten Insektenwiesen gehabt. Das war so ein zärtlicher Umgang mit der Schöpfung“, erzählt sie begeistert.
Sie falle auf jeden Fall auf und werde auch öfters fotografiert als ihre Mitstreiter:innen, erzählt sie. Manche finden es gut, manche schütteln den Kopf oder fragen sie: „Weiß Ihre Gemeinschaft, was sie hier treiben?“. Aber diese Dinge hält sie mittlerweile gut aus: „Solange ich davon überzeugt bin, dass es gut ist, dass ich hier bin, halte ich auch Gegenwind gut aus.“ Manchmal fühle sie sich dennoch unwohl, wenn sie auf der Straße steht, „dann hilft mir immer der Gedanke: Ich stehe nicht alleine hier.“ Und auch ihr tiefes Gottvertrauen: „Diesen Gott kann ich vertrauen, durch alles Dunkel hindurch.“
Für Sr. Notburga gehören Kirche und Politik untrennbar zusammen. Damit meint sie aber nicht Parteipolitik, sondern prophetische Politik. (c) Niewo 2019 Download
Aus dem Evangelium leben und in die Gesellschaft hineinwirken
Für Sr. Notburga gehören Kirche und Politik untrennbar zusammen. „Auch Papst Franziskus sagt: Es ist ein Muss für den Christen, sich in Politik einzumischen.“ Damit sei aber nicht Parteipolitik gemeint, sondern „prophetische Politik – Aufschreien, wenn ‚Armen, Witwen und Fremde‘ (wie es früher hieß) unter die Räder kommen“. Sie erinnert sich an eine ihrer ersten Vorlesung zur Befreiungstheologie, wo sie gespürt hat: „Das muss Kirche sein! Aus dem Evangelium leben und in die Gesellschaft hineinwirken.“ „Ein waches Gewissen sein“, das sei auch heute noch immer Auftrag der Kirche.
„Wir Ordensgemeinschaften übergeben nun nach und nach Werke an den Staat, an Stiftungen sowie andere Organisationen und Institutionen – das ist gut so, aber was dann noch an Kräften in uns Ordensfrauen und Ordensmännern frei bleibt, sollten wir den gesellschaftspolitischen Fragen und Nöten widmen. Denn Gehorsam leben, heißt wach leben“, appelliert die engagierte Franziskanerin an alle Ordensgemeinschaften.
„Orden on air“ – der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich
Das Medienbüro hat im März 2022 mit dem Podcast „Orden on air“ einen neuen Medienkanal der Ordensgemeinschaften Österreich ins Leben gerufen. Und der Name ist Programm: Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang und – im wahrsten Sinne des Wortes – vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden.
Weiterlesen:
Franziskanerinnen - Kongregtaion der Tertiarschwestern des heiligen Franziskus
[renate magerl]