„Ins Gefängnis zu gehen ist meine Lieblingsaufgabe“
Seine Aufgaben im Gefängnis sind vielseitig und sehr bereichernd. „Das Wichtigste sind die Gespräche mit Gefangenen“, erzählt P. Marte. Aber auch die Eucharistiefeier in der Gefängniskapelle oder verschiedene priesterliche Dienste – eine Beichte oder auch mal eine Verlobung oder die Segnung eines Neugeborenen – gehören zu seinen Tätigkeiten. „Das ist meine Lieblingsaufgabe, ins Gefängnis zu gehen“, erzählt P. Christian Marte überzeugt und erklärt: „Man hat ganz unmittelbar mit Menschen in einer schwierigen Situation zu tun. Ich muss kein Urteil fällen. Und es ist wirklich etwas Geistliches: Wir beten gemeinsam ein ‚Vaterunser‘, ein ‚Gegrüßet seist du, Maria‘, dann gebe ich einen Segen, ich bringe die Kommunion in die Krankenabteilung. Das sind starke und oft auch emotionale Momente.“
P. Christian Marte ist Gefängnisseelsorger in der Justizanstalt Innsbruck. © Jesuiten Innsbruck/Christian Ender Download
Eine willkommene Abwechslung
In ganz Österreich sind 8.000 Menschen im Gefängnis, davon insgesamt sechs Prozent Frauen und 94 Prozent Männer. Österreichweit gibt es rund 4.000 Gefängnisbeamtinnen und -beamte. In der Justizanstalt in Innsbruck sind 480 Gefangene. „Wenn ich ins Gefängnis komme, erhalte ich eine ganze Liste von Personen, die mit mir sprechen wollen. Mit dem Seelsorger zu sprechen, ist eine willkommene Abwechslung für sie. Wir sind wohlwollende, freundliche Zuhörer“, erzählt P. Marte. Viele Insassen erhalten keinen Besuch und haben keine Kontakte zur Außenwelt, da ist ein Gespräch mit dem Seelsorger eine willkommene Abwechslung. Vor allem am Beginn, wenn jemand neu oder das erste Mal im Gefängnis ist, sei es besonders wichtig, dass die Insassen mit einem Seelsorger sprechen können. Selbstverständlich unterliegen die Gespräche der Schweigepflicht.
Ein gern gesehener Gast in der Justizanstalt Innsbruck: Wenn P. Christian Marte seinen Dienst als Gefängnisseelsorger antritt, erhält er eine ganze Liste an Personen, die mit ihm sprechen möchten. © Jesuiten Innsbruck / Christian Ender Download
Spielräume zum Guten hin
Bei den Gesprächen gehe es oft um Ängste – Angst vor der Verhandlung oder vor dem Richterspruch – aber auch um Schlaflosigkeit oder um zwischenmenschliche Dinge, wie den Kontakt zur Familie, Probleme mit Mitgefangenen oder Zellenkollegen. „Im Gefängnis ist man sehr allein, man hat keine Freunde. Niemanden kann man wünschen, dass er dort hinkommt“, fasst P. Christian Marte die Situation zusammen. Das Ziel von P. Marte als Gefängnisseelsorger ist es, dass die Gefangenen nach dem Gespräch gestärkt, getröstet und aufgerichtet wieder zurück in die Zelle gehen. „Ich schaue in jedem Gespräch, wo die Spielräume zum Guten hin sind.“
Neben den Gesprächen mit den Gefangenen gehören auch die Eucharistiefeier in der Gefängniskapelle oder verschiedene priesterliche Dienste, wie z.B. die Beichte, zu seinen Tätigkeiten. © Jesuiten Innsbruck / Christian Ender Download
Seelsorge ist Detox
Die Kirche hat als eine der wenigen Institutionen Zugang zu den Gefängnissen und man hat als Insasse einer Justizanstalt das Recht auf religiöse Betreuung. „Wir Seelsorgerinnen und Seelsorger nehmen Druck heraus, wir nehmen Hass heraus und verbreiten eine positive Grundstimmung. Das ist ‚Detox‘“, bekräftigt P. Marte die Wichtigkeit dieser Aufgabe.
Obwohl er es mit Mördern, Pädophilen und Räubern zu tun hat, falle es ihm nicht schwer, offen und nicht vorverurteilend zu sein. Sein pragmatischer Zugang ist: „Es ist gar nicht so klar, dass der eine auf der einen Seite sitzt und ich auf der anderen Seite. Es könnte auch umgekehrt sein. Diese Menschen haben unter bestimmten Lebensbedingungen ein paar falsche Abzweigungen genommen. Es könnte auch anders sein…“
„In Gefängnissen wird wahrscheinlich so viel gebetet, wie in Kirchen oder Krankenhäusern“, sagt P. Christian Marte. Einmal wöchentlich findet ein Gottesdienst in der Gefängniskapelle statt. © Jesuiten Innsbruck / Christian Ender Download
Beten im Gefängnis
Auch wenn man es nicht vermuten würde: P. Martes Erfahrung ist, dass in Gefängnissen wahrscheinlich genau so viel gebetet wird wie in Kirchen oder in Krankenhäusern. „Das ist eine Grenzsituation, wo Menschen auf sich zurückgeworfen sind. Man hat unendlich viel Zeit. Da kommt man ins Denken, und dann kommen ganz grundsätzliche Fragen auf.“ Immer montags um 13 Uhr findet ein Gottesdienst in der Gefängniskapelle statt, an dem 20 bis 30 Menschen teilnehmen. „Mehr würde auch nicht gehen, denn es müssen immer mehrere Beamte dabei sein“, erklärt P. Marte.
„Orden on air“ – der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich
Das Medienbüro hat im März 2022 mit dem Podcast „Orden on air“ einen neuen Medienkanal der Ordensgemeinschaften Österreich ins Leben gerufen. Und der Name ist Programm: Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang und – im wahrsten Sinne des Wortes – vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden.