„Gott will mich in Kasachstan haben“
Sr. Kunigundes Stimme zittert und in ihren Augen bilden sich Tränen, wenn sie von ihrem ersten Besuch in Kasachstan erzählt. Dieser Moment im Dezember 1995, kurz vor Weihnachten, als sie das erste Mal sah, in welcher Einfachheit die Menschen in Kasachstan leben, ist bis heute sehr emotional für sie. „Diese Erfahrung von Einfachheit und Nichts-haben, das hat in mir etwas hinterlassen, wo ich gesagt habe: Da möchte ich hingehen und den Menschen das Weihnachtslicht bringen.“ Zu dieser Zeit war Sr. Kunigunde Fürst Generaloberin der Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Schon damals fasste sie den Entschluss: „Wenn meine Zeit als Generaloberin vorüber ist, gehe ich nach Kasachstan.“ „Das einfache Leben, das hat mich schon immer gereizt“, erzählt sie.
Sr. Kunigunde Fürst mit Schüler:innen in der St. Lorenz Schule in Korneewka, im Norden von Kasachstan. © privat Fotodownload
Eine Ordensfrau alleine in Kasachstan
Bis Ende August ist sie noch in Österreich, sie vermisse aber ihre Schüler:innen und das Land schon. „Ich freue mich schon, wenn ich wieder zurückkomme. Auch wenn das meine Geschwister und meine Mitschwestern nicht so gerne hören. Aber ich komme ja wieder“, erzählt die gebürtige Oberösterreicherin. Ans Aufhören denkt die 80-jährige Ordensfrau noch lange nicht. Beim Generalkapitel im Juli 2024 hat der Orden beschlossen, für weitere sechs Jahren in Kasachstan zu bleiben. Üblicherweise sind immer zwei Franziskanerinnen von Vöcklabruck in Kasachstan; aktuell ist Sr. Kunigunde jedoch alleine in ihrem Haus in Korneewka, da ihre Mitschwester aus gesundheitlichen Gründen nach Österreich zurückkehren musste.
Vor einige Zeit war auch Sr. Kunigunde gesundheitlich angeschlagen und musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen. Dass es ihr jetzt wieder so gut geht und sie so gesund ist, ist für sie die Bestätigung: „Gott will mich dort noch haben!“
Die Schüler:innen in Kasachstan lernen vier Sprachen in der Schule: Kasachisch, Russisch, Englisch und Deutsch. Sr. Kunigunde Fürst (mitte) unterrichtet Deutsch. © privat Fotodownload
Wie alles begann…
Begonnen hat alles beim Generalkapitel der Franziskanerinnen von Vöcklabruck 1994. Dort fiel die Entscheidung, dass der Orden – wenn sich Schwestern dafür finden – nach Kasachstan geht. Und sie fanden sich. Zu Beginn fanden Hilfstransporte mit Kleidung, Schuhen, Schulsachen usw. statt. Schnell wurde auch der Entschluss gefasst, beim Aufbau und der Finanzierung einer Schule mitzuhelfen.
Den jungen Menschen eine Zukunft geben
Gemeinsam mit Msgr. Lorenz Gawol gründeten die Ordensfrauen 1996 die St. Lorenz Schule in Korneewka, im Norden von Kasachstan. „Die Schule wurde gegründet, um den Kindern vom Land eine Chance zu geben“, erzählt Sr. Kunigunde. Heute ist die Schule der größte Arbeitgeber im Dorf. Rund 180 Schüler:innen aus der Region besuchen die Schule, die aus einem Kindergarten, Gymnasium (Volksschule und Mittelschule) und Internat, sowie einer Privatschule für Zusatzausbildung in Ethik, Fremdsprachen, kreativen Fächern und Sport besteht. Sr. Kunigunde Fürst unterrichtet dort Deutsch. Sie erzählt, dass die Schüler:innen in Kasachstan vier Sprachen lernen: Kasachisch, Russisch, Englisch und Deutsch. Als Native-Speakerin kann Sr. Kunigunde den Schüler:innen die Sprache auf einem sehr hohen Niveau beibringen. So wie überall auf der Welt, gibt eine gute Bildung den jungen Menschen in Kasachstan Perspektiven. Viele ihrer „Schützlinge“ beginnen nach der Schulzeit ein Studium – oft auch in Deutschland oder Österreich. „Einige erhalten ein Stipendium vom Staat – das macht uns natürlich besonders stolz und zufrieden“.
Die Schule habe einen guten Ruf, die Kinder gehen gerne in die Schule, erzählt Sr. Kunigunde. Denn Schule ist ja bekanntlich mehr als nur lernen. Die Schüler:innen bekommen in der Schule auch Essen, das von der Ordensgemeinschaft über Partnerschaften finanziert wird.
„Dass wir Schwestern unterrichten dürfen, ist etwas Besonderes“, erzählt sie, denn Kasachstan ist mehrheitlich muslimisch oder russisch-orthodox geprägt. Sr. Kunigunde trägt als katholische Ordensfrau in der Schule und auch im Alltag ihren Habit und wird mit Sr. Kunigunde angesprochen. Sie selbst spüre nur positive Reaktionen – sowohl im Alltag als auch in der Schule oder bei den Behörden.
Schüler:innen aus Kasachstan führen einen traditionellen Tanz auf. © privat Fotodownload
Ein Himmel zum Angreifen
Sie kommt immer wieder ins Schwärmen, wenn sie über „ihr“ Kasachstan spricht: „Dort wo wir leben, ist es einfach wunderschön. Die Weite und Unendlichkeit der Steppe, der niedrige Himmel – manchmal hat man das Gefühl, man kann die Wolken greifen.“ Sie berichtet von kleinen Seen, Birkenwäldern und unendlichen Feldern. Im nördlichen Teil von Kasachstan, dort wo Sr. Kunigunde lebt, fängt schon die sibirische Steppe an, die sehr fruchtbar ist. „Dort, wo die Erde umgeackert wird, wächst alles, was man sich vorstellen kann“, erzählt sie und berichtet von ihrem eigenen Garten, wo sie u.a. Kartoffel und Zucchini erntet. Ende Mai wird gesetzt, im September dann geerntet. Im Oktober fällt oft schon der erste Schnee. Sr. Kunigunde berichtet von bis zu minus 40 Grad Celsius im Winter. Bei -27 Grad dürfen die Schüler der Unterstufe zu Hause bleiben, bei der Oberstufe muss das Thermometer bereits -32 Grad anzeigen. „Dann findet Online-Unterricht statt. Das funktioniert aber nicht immer, weil die Verbindung abbricht oder weil die Familien keine zwei oder drei Geräte für alle Kinder haben“, erzählt sie.
Ihren 80. Geburtstag wird sie in ihrer Heimat verbringen und gemeinsam mit Familie, Mitschwestern und Freund:innen feiern. Am 27. August geht es für die engagierte und taffe Ordensfrau wieder zurück nach Kasachstan, ihrem Herzensort. „Es ist so schön und bereichernd, wenn man sich für eine Sache einsetzt, die man dann ganz ausfüllen kann“, sagt sie abschließend überzeugt und mit einem Strahlen im Gesicht.
Sr. Kunigunde Fürst ist aktuell alleine von ihrem Orden in Kasachstan. Ihr zur Seite stehen die Patres von Servi Jesu et Mariae und auch eine Frau aus Österreich, die für ein paar Wochen bei Haus- und Gartenarbeiten mithalf. © privat Fotodownload
Zur Person
Sr. Kunigunde Fürst wurde am 20. August 1944 in Ried in der Riedmark (OÖ) geboren. Sie studierte Mathematik und Theologie, wo sie auch promovierte. Sie unterrichtete am Gymnasium Wels und wurde 1986 Direktorin. Mit 15 Jahren trat sie in den Orden der Franziskanerinnen von Vöcklabruck ein, deren Generaloberin sie von 1994 bis 2012 war. Von 2008 bis 2012 war sie auch Präsidentin der Vereinigung von Frauenorden Österreichs. Nach ihrer Zeit in zahlreichen Leitungspositionen ging Sr. Kunigunde Fürst 2013 nach Kasachstan, wo sie bis heute als Ordensfrau wirkt.
„Orden on air“ – der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich
Das Medienbüro hat im März 2022 mit dem Podcast „Orden on air“ einen neuen Medienkanal der Ordensgemeinschaften Österreich ins Leben gerufen. Und der Name ist Programm: Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang und – im wahrsten Sinne des Wortes – vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden.
Weiterlesen:
Franziskanerinnen von Vöcklabruck
Franziskanerinnen von Vöcklabruck (Ordens-Wiki)
[renate magerl]