„Religiöse Erziehung ist Fundament, auf dem man bauen kann“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich Priester werde“, erzählt der gelernte Buchdrucker, der sein Handwerk in jungen Jahren in Deutschland gelernt hat. „Hätte mich damals jemand gefragt, ob ich Priester werden möchte, hätte ich gesagt: ‚Du spinnst!‘“. Gekommen ist es offensichtlich anders. Der 89-Jährige beschreibt eine „eigenartige Begegnung im Gebet, die mir keine Ruhe mehr gelassen hat“. Von diesem Tag an habe er zwei Jahre gekämpft, bis die Entscheidung getroffen war.
Statt Afrika nach Österreich
Bereits seit 65 Jahren ist er nun Piarist; 1959 hat er in Wien sein Noviziat begonnen. „Ich wollte nie in Spanien bleiben, da sind genügend Piaristen.“ Ursprünglich wollte er nach Afrika oder Lateinamerika gehen. Da er aber aufgrund seiner Lehre und seines deutschen Vaters schon gut Deutsch sprach, schlug ihm sein Ordensoberer vor, nach Österreich zu gehen. Und so kam es, dass P. Pius Platz in Österreich gelandet ist. Kurz darauf folgte eine der spannendsten Zeiten seines Lebens: Das Studium in Rom während des Zweiten Vatikanischen Konzils. „Da habe ich in Rom den Aufbruch der Kirche, diese Begeisterung miterlebt“, berichtet der Piarist von dieser prägenden Zeit.
P. Pius Platz ist überzeugt, dass „die ultrakonservative Kirche keine Zukunft hat.“ © Piaristen/Angela Ringhofer Fotodownload
Die Kirche muss offener gegenüber Damen sein
Bei manchen Dingen sehe er aber noch zu wenig Veränderung und erwähnt zum Beispiel, dass „die Kirche offener gegenüber Damen sein soll. Warum keine Weihe? Das kann man nicht begründen“, sagt P. Pius überzeugt. Er habe manchmal den Eindruck, dass die Spaltung innerhalb der Kirche sehr groß ist. Und ist überzeugt, dass „die ultrakonservative Kirche keine Zukunft hat.“ Er blickt dennoch positiv in die Zukunft: „Kirche hat Zukunft, weil der Geist Gottes sie führt. Es wird sich aber vieles ändern müssen.“
Den „liebenden Gott“ lehren
Der 89-jährige Piarist ist ein großer Verfechter des „liebenden Gottes“: „Wir müssen uns die Begeisterung für Jesus erhalten und den befreienden Jesus verkünden, nicht den strafenden.“ Dieses Bild des liebenden Gottes habe er den Kindern in der Schule vermittelt, denn: „Kinder sind von Natur aus offen für das Wahre, für das Schöne“. Sein Ziel im Religionsunterricht war es, die Kinder so erziehen, dass sie auch als Erwachsene Christen sein können und sich dazu bekennen. Er habe ihnen eine Grundlage gegeben, auf die sie bauen können.
P. Pius ist überzeugt, dass bei der Erziehung der Kinder nicht auf die religiöse Erziehung verzichtet werden darf, „denn der Glaube trägt – gerade in schwierigen Zeiten ist der Glaube eine große Hilfe.“ In den 50 Jahren als Religionslehrer und Pfarrvikar in St. Thekla habe er viele Kinder auf ihrem Lebensweg begleitet – von der Taufe über die Erstkommunion, Firmung und Trauung bis hin zu Begräbnissen.
Im Gespräch mit Renate Magerl erzählt P. Pius Platz, warum die Kinder für ihn die besten Lehrerinnen und Lehrer waren. © Piaristen / Angela Ringhofer Fotodownload
Sprechen, wie ein Kind
Die Ordensmänner der Piaristen legen bei ihrem Ordenseintritt zusätzlich zu den üblichen drei Gelübden – Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam – ein viertes Gelübde ab. Nämlich das Gelübde, sich für die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Aber nicht nur die Kinder lernen von den Piaristenpatres. „Die Kinder waren für mich die besten Lehrerinnen und Lehrer – diese Echtheit, diese Geradlinigkeit“, erzählt P. Pius. Als er nach dem Studium in Rom „vollgestopft mit wissenschaftlicher Theologie“ als Religionslehrer in Wien begann, war ihm schnell klar: „Ich muss meinen Unterricht umkrempeln.“ Das größte Kompliment für ihn war, als ein Schüler nach dem Religionsunterricht zu ihm sagte: „P. Pius, du hast heute gesprochen wie ein Kind.“
Vater der Tischmütter
Zu erwähnen ist auch, dass P. Pius Platz einer der „Väter“ der Tischmütter ist, also jener – meist weiblichen – Helfer:innen für die Erstkommunionsvorbereitung. Er reiste damals durch ganz Österreich, um für das Anliegen Werbung zu machen. Es hat sich ausgezahlt, denn das Konzept Tischmütter gibt es bis heute.
Piaristen
Es gibt aktuell rund 1.300 Piaristen in 43 Ländern auf der ganzen Welt. Weltweit steigt die Anzahl der Ordensmitglieder durch den Ordensnachwuchs in Asien und Afrika. In Österreich leben 13 Piaristen an den Standorten Maria Treu (Wien), St. Thekla (Wien), Krems und Horn (NÖ).
„Orden on air“ – der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich
Das Medienbüro hat im März 2022 mit dem Podcast „Orden on air“ einen neuen Medienkanal der Ordensgemeinschaften Österreich ins Leben gerufen. Und der Name ist Programm: Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang und – im wahrsten Sinne des Wortes – vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden.
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[renate magerl]