
„Es gibt eine Wirklichkeit, die uns übersteigt“
Ostern beginnt immer früher
Eigentlich beginnt Ostern mit einem leeren Grab. „Was mir in letzter Zeit auffällt, ist, dass wir im Grunde Ostern schon feiern, bevor der Auferstehungssonntag da ist“, sagt Sr. Johanna Schulenburg. Die Ostermärkte sind zwar wunderschön, aber das leere Grab rückt dabei in den Hintergrund. Dabei braucht es auch die Zeit des Trauerns, des Verlusts, um Ostern wirklich erfahren zu können.
Schönheit und Sehnsucht
Und doch möchte sie das nicht nur kritisieren. „Ja, liturgisch ist das alles viel zu früh. Aber ich fange an, mich über das Schöne zu freuen.“ In der Dekoration, im Brauchtum, in den Farben spürt sie eine tiefe Sehnsucht – nach Licht, nach Leben, nach Schönheit. „Das ist ein Bedürfnis, das wir ernst nehmen sollten.“ Und es ist eine Chance, auch jenen Menschen Ostern näher bringen zu können, die für Kirche oder Liturgie nicht mehr zu gewinnen sind.
Der vergessene Karsamstag
Zwischen Karfreitag und Ostersonntag liegt ein oft übersehener Tag: der Karsamstag. Für viele ein Tag hektischer Vorbereitung – Eier färben, Tisch decken, backen. Für Sr. Johanna hat er eine ganz andere Bedeutung: Es ist ein Tag des Dazwischen, der Stille, des Aushaltens.
„Für mich ist der Karsamstag ein großer Sabbat. Es ist der Tag, an dem Christus in die Unterwelt hinabsteigt, um Adam, Eva – und alle – zu erlösen. Diese Verheißung, dass wirklich alle erlöst werden, finde ich ganz großartig.“ Für sie ist dieser Tag der Moment, in dem das Reich Gottes bereits da ist – auch wenn es noch nicht sichtbar geworden ist.
Ein Satz aus einer alten Osterpredigt begleitet sie dabei: „Komm, lass uns fortgehen von hier – von diesem Ort, wo kein Leben ist.“ Ein Satz, der für sie nicht nur den Karsamstag, sondern die ganze Ostererfahrung zusammenfasst.
Leere aushalten
Sich dem Karsamstag wirklich auszusetzen ist nicht leicht. „Aber vielleicht hilft es, sich bewusst eine Unterbrechung zu schaffen. Einen Moment, in dem man die eigenen Leerstellen im Leben wahrnimmt – vielleicht sogar schmerzlich.“
Denn nach dem Karfreitag kommt eben nicht gleich die Auferstehung, sondern erst die Leere. „Auferstehung heißt für mich nicht: Jesus war einen Tag weg und dann wieder da. Sondern: Auferstehung macht etwas sichtbar vom göttlichen Wesen, das er immer schon in sich trug. Sie fügt nichts Neues hinzu – aber sie offenbart etwas.“
Wer nicht trauert, wer nicht loslässt, dem bleibt vielleicht der Blick verstellt. So wie Maria von Magdala, die Jesus erst erkennt, als sie sich vom Grab abwendet. Und ihn zunächst für den Gärtner hält – vielleicht kein Zufall. Denn: „Etwas Neues will wachsen“.
Die Kirche am Karsamstag
Für Sr. Johanna ist die Karsamstags-Erfahrung auch ein Sinnbild für die aktuelle Situation der Kirche und für die sinkende Zahl der Kirchenbesucher:innen.
„Es wird viel über Strategien gesprochen, wie man Kirche wieder lebendig machen kann. Aber oft ist das nur Aktionismus.“ Und überdeckt eine tiefere Ratlosigkeit. „Ich glaube, wir erleben nicht nur eine Kirchen-, sondern eine Beziehungskrise . Die Beziehung zu Gott ist für viele kaum noch vorstellbar.“
Trotzdem sieht sie Hoffnung: in den synodalen Prozessen, in Momenten echter Begegnung, im gemeinsamen Hören auf das, was trägt. „Vielleicht müssen wir erst anerkennen, dass vieles leer geworden ist – um offen zu werden für das, was neu entstehen will.“
Auferstehung – auch heute
Die Kritik, dass man heute keinen Leichnam mehr vorweisen kann, nimmt sie gelassen. „Ich glaube, wer sich auf den inneren Weg macht, wer versucht, mit etwas in Kontakt zu kommen, das größer ist als man selbst, der spürt manchmal: Da ist noch mehr.“ Beim Sonnenaufgang. Am Strand. Wenn ein Kind geboren wird. „Kinder faszinieren mich“, sagt sie. „Weil sie noch so unberührt sind und man in ihren Augen sehen kann, dass es da noch etwas anderes gibt.“
Für sie ist Auferstehung ein Zeichen: Es gibt eine Wirklichkeit, die uns übersteigt. Und die ist mit Leben und Hoffnung verbunden. Eine Hoffnung, die man nicht erfinden muss, sondern die einen findet, wenn man offen bleibt.
„Ostern ist Hoffnung“
Ostern passiert einmal im Jahr – aber es kann jeden Tag geschehen. „Wir können in diese Osterwirklichkeit hineinwachsen“, sagt Sr. Johanna. Für sie ist das der Kern: Dass Hoffnung möglich ist und dass sie uns mit unseren Lebensquellen verbindet. „Wenn wir in dieser Zeit etwas brauchen, dann ist es Hoffnung.“ Sie setzt den Dunkelheiten etwas entgegen.
Und manchmal reicht schon eine kleine Kerze, die brennt.
„Orden on air“ – der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich
Das Medienbüro hat im März 2022 mit dem Podcast „Orden on air“ einen neuen Medienkanal der Ordensgemeinschaften Österreich ins Leben gerufen. Und der Name ist Programm: Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang und – im wahrsten Sinne des Wortes – vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden.
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[elisabeth mayr-wimmer]