"Etwas abgefahren – aber was könnte schöner sein?"
Sebastian Ortner hat in der Gemeinschaft der Jesuiten seine Berufung gefunden. (c) privat
Entdeckt habe ich die Jesuiten als 19-jähriger Zivildiener, und zwar durch ein gelbes Infoblatt, das mir im Pastoralamt der Diözese Linz ins Auge fiel. Darauf war von „Kontemplativen Einzelexerzitien mit dem Jesusgebet in ignatianischer Tradition“ (oder so ähnlich) die Rede. Zugegebenermaßen etwas „abgefahren“. Aber genau darin lag der unwiderstehliche Reiz des Angebots: So richtig ernsthaft meditieren wie die echten Mystiker! Das würde ich gern mal ausprobieren … Oder war diese Sache vielleicht doch eine Stufe zu hoch für mich als „Otto Normalverbraucher“? Noch dazu riet ein erster Retourbrief davon ab, den Kurs zu besuchen, falls man sich in psychologischer Behandlung befand - das Kursangebot wurde immer spannender.
Nährboden "Canisianum"
Der Gedanke, in eine Ordensgemeinschaft einzutreten, kam mir während meines Theologie- und Philosophiestudiums in Innsbruck. Ich habe mit leidenschaftlichem Interesse studiert. Daneben habe ich versucht, der Natur meines Studiums gemäß zu leben und ein regelmäßiges Gebetsleben zu pflegen, wofür sich die Gemeinschaft des Internationalen Theologischen Kollegs der Jesuiten, das „Canisianum“, als vorzüglicher Nährboden erwies.
Die Frage, was ich denn eigentlich mit meinem Studium anfangen wollte, kam erst an zweiter Stelle, hat mich aber von Anfang an begleitet. Verschiedene Optionen gingen mir durch den Kopf: Lehrer für katholischen Religionsunterricht in Kombination mit anderen Fächern wie Latein, Griechisch oder Philosophie/Psychologie? Pastoralassistent? Ständiger Diakon? All diese Optionen ließen die Möglichkeit offen, zu heiraten und eine Familie zu gründen.
Viele Fragen
Oder ging mein Weg tatsächlich in die Richtung einer Berufung zum Priester-Sein? Vielleicht in einer Ordensgemeinschaft? Wenn ja, in welcher? Eventuell bei den Jesuiten? Aber ist das für mich überhaupt lebbar, so ganz ohne eigene Familie, ohne eigene berufliche Karriere? Kann ich mein Leben lang mit Menschen unter einem Dach leben, die ich mir nicht aussuche? Und das alles in Armut, eheloser Keuschheit und im Gehorsam gegenüber einem Oberen? Ist das überhaupt normal? Ist das gesund? Macht das glücklich? Könnte etwas dermaßen Ungewöhnliches realistischer Weise mein Weg sein, meine Berufung?
Mehrere Jahre bis zur Entscheidung
Mehrere Jahre der Reflexion und der Beschäftigung mit dieser Frage in geistlicher Begleitung führten schließlich zur nächsten Etappe der Entscheidungsfindung. Ich nahm Kontakt mit dem Berufungspastoral-Verantwortlichen der österreichischen Jesuiten auf. Eine Woche in einem Benediktinerstift half mir darüber nachzudenken, ob ich vielleicht eher zu einer kontemplativen Berufung neige. Nach einer Woche ignatianischer Exerzitien war mir klar: Ich würde gerne das Noviziat der Jesuiten besuchen, um auszuprobieren, ob ich dorthin passe oder nicht. So führte das eine zum anderen. Bis heute bin ich glücklich in meiner Berufung als Jesuit.
Jeder Tag, sei es ein glücklicher, sei es ein schwieriger, ist erfüllt von einer tiefen Freundschaft mit dem, der alles Begreifen übersteigt und mit dem ich in Jesus Christus und im Heiligen Geist wahre Gemeinschaft habe. Als einer von über 15.000 „Gefährten Jesu“ weltweit versuche ich jeden Tag in dem was ich tue und in der Weise wie ich lebe und anderen begegne Gott zu loben und Jesus in meinen Nächsten zu dienen.
Was kann es Schöneres geben?
Sebastian Ortner
S. Sebastian Ortner SJ wurde am 1. Mai 1988 in Freistadt, Oberösterreich geboren. Seine Diakonenweihe wird am 20. Juni 2020 in Paris sein, die Priesterweihe am 31. Oktober 2020 in Innsbruck. Wir wünschen ihm für diese Tage und seinen Dienst reichen Segen!