Unsichtbares sichtbar machen: Kunst vermitteln – aber wie?
Das diesjährige Thema des Treffens - sichtbar/unsichtbar - lockte viele Besucher*innen ins "Museum am Dom" in St. Pölten. (c) ÖOK/Mayr
Das Thema des diesjährigen Netzwerktreffens widmete sich dem (Un)sichtbaren „sichtbar- unsichtbar: Depot – Ausstellung - Vermittlung“ und sollte aufzeigen, welche Möglichkeiten sich bieten, die vorhandenen Kulturgüter einem Publikum zugänglich zu machen sowie neue Wege für die Kulturvermittlung zu finden.
Bei der Begrüßung hob Karin Mayer, die Leiterin des Bereichs Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz, die Bedeutung eines persönlichen Austausches vor Ort hervor und betonte, wie wertvoll im Bereich der Kulturgüter eine Vernetzung mit Gleichgesinnten sein kann.
Das Organisationsteam: Karin Mayer (ÖOK), Manuela Rechberger, Barbara Taubinger (beide Museum am Dom) und Suanne Barabas (ÖOK). (c) ÖOK/Mayr
Der diesjährige Kooperationspartner war das „Museum am Dom“ in St. Pölten. Die Direktorin Barbara Taubinger begrüßte die rund 30 Teilnehmenden und führte sie gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Manuela Rechberger (am Vormittag) durch den Dom sowie die versteckten Orte im Bistumsgebäude, das auch die Museumsräumlichkeiten beherbergt.
Führung durch versteckte Orte
Die Führung machte Halt im Oratorium, einem barock ausgestatteten Raum, der früher von den Ordensmännern des Klosters benutzt wurde. Sogar Kaiserin Maria Theresia soll in diesem noch original ausgestatteten Raum gebetet haben.
Heute ziert eine knapp ein Meter große „Madonnenstatue“ mit Naturhaar die rechte Ecke des Zimmers - ein Geschenk der Karmelitinnen an die Mary-Ward-Schwestern, damals Englischen Fräulein.
Ein Hingucker: Die Madonnenstatue, die ein Geschenk der Karmeliten an die Englischen Fräulein war. (c) ÖOK/Mayr
Ein Museum beherbergt viele Stücke, nicht alle können ständig ausgestellt sein und werden in Depots gelagert. So kommt es, dass die kostbarsten Gemälde der Sammlung für den Besucher oft unsichtbar sind, wie ein Besuch der Gruppe im sogenannten Stiegendepot beweist: In einem ausgeklügelten Leitsystem werden dort die u.a. wertvollsten Gemälde gelagert wie etwa die „Grablegung Christi“ von Kremser Schmidt. Wenn keine Ausstellung stattfindet, bekommen diese Meisterwerke nur Mitarbeitende oder Forschende zu Gesicht.
Ein weiteres Depot enthält die Schätze der Mary-Ward-Schwestern. Diese haben bei der Übergabe ihrer Niederlassung in St. Pölten an die Vereinigung der Ordensschulen dem Museum große Teile ihrer Einrichtung als Dauerleihgabe überlassen, darunter beispielsweise der barocke Pfingst-Ornat, der von Maria Theresia gestiftet wurde.
Das "Stiegendepot", wo Kulturgüter beinahe ideale Lagerbedingungen haben. Die Schienen, an denen die wertvollen Gemälde befestigt sind, sind ausziehbar. (c) ÖOK/Mayr
Für die langfristige Lagerung von Kunst- und Kulturgütern, die aus den verschiedensten Materialien bestehen, bedarf es konservatorisch guten Bedingungen für deren Aufbewahrung. Für die Umsetzung reichen oft wenig Mittel, um Verbesserungen zu erzielen, oft können alte Schränke adaptiert werden, wie im Paramentendepot des Museums.
Europa, wer bist du?
Die Führung fand ihren Abschluss im „Museum am Dom“. Das kirchliche Museum im Herzen der Landeshauptstadt wurde letztes Jahr nach einer umfassenden Renovierung neu eröffnet, die neuen Räume – großzügig und architektonisch ansprechend – beherbergen gerade die Ausstellung „Europa. Wer bist du? Menschen, Mächte, Mythe“. Dieser erste Teil eines dreiteiligen Ausstellungszyklus geht der Frage nach, was Europa eigentlich ausmacht.
Bewunderung auch für den "Andreasaltar". (c) ÖOK/Mayr
Die Ausstellungstücke – darunter auch Leihgaben von den Ordenssammlungen der Stifte Melk, Göttweig, Altenburg und St. Paul im Lavanttal – decken in einem fein abgestimmten Ineinandergreifen verschiedene Stationen der Entwicklung Europas ab.
Nach einer gemeinsamen Stärkung zu Mittag konzentrierte sich der Teil am Nachmittag auf die Frage, wie Kunstvermittlung heute aussehen könne.
Kunstvermittlung 2.0
Einen möglichen „futuristischen Zugang“ zu Kulturgütervermittlung stellt Christoph Kremer (Electronica Center in Linz) vor. Das „Museum der Zukunft“ schöpft aus dem digitalen Vollen: 2020 scannte sein Team die Krippe des Linzer Doms und baute sie digital für Zuseher*innen nach, die sie dann im „Deep Space“ hautnah erleben konnten.
Christoph Kremer vom Ars Electronica Center berichtete über digitale Möglichkeiten, Verborgenes sichtbar zu machen. (c) ÖOK/Mayr
Ähnliches sei auch schon mit Bildern passiert, wie das Projekt „Inside Bruegel“ des Kunsthistorischen Museums Wien beweist. In mehreren Schichten wurden die Gemälde von Bruegel Zentimeter für Zentimeter gescannt und digital aneinandergereiht. Bis ins kleinste Detail können nun die „Wimmelbilder des 16. Jahrhunderts“ von Besucher*innen daheim am Desktop betrachtet werden.
Kremer demonstriert am Beispiel vom Bruegels „Kinderspiele“, wie intensiv der Zoom ist: Bei 3mm werden Pinselstriche, Farbschattierungen sowie Risse sichtbar. Im Detail verliert sich das Besondere des Bildes:
„Im Bild sind 96 Kinderspiele dargestellt“, so Kremer, „ein Besucher im Museum erkennt höchsten einen Bruchteil, nicht aber am PC, wenn alle Details sichtbar werden.“ Weiterer Vorteil: Die Bilder von Bruegel können von Forschern auf der ganzen Welt begutachtet werden.
Christliche Basisvermittlung
„Wie kann man eine sakrale Sammlung neu konzipieren?“, fragte Barbara Taubinger im Vortrag am Nachmittag und gab Einblicke in die Praxis der Kulturvermittlung ihres Museums.
Manuela Rechberger zeigte die Schätze des Museum. (c) ÖOK/Mayr
Eines tritt bei den Führungen deutlich zu Tage: „Die Vermittlung von sakralen Inhalten wird mehr und mehr zur christlichen Basisvermittlung. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass die Menschen, die zu uns kommen, irgendetwas über das Christentum wissen.“ Da komme schon mal die Frage, wer der „Typ mit dem rot-blauen Mantel sei“ (Jesus), darauf müssen sie reagieren.
Bei der letzten Ausstellung, die erste nach dem Umbau, sei das Museumsteam daher neue Wege gegangen und habe mit Schüler*innen des künstlerischen Zweiges des Wienerwaldgymnasiums kooperiert.
„Wir haben eine Reliquien-Ausstellung geplant, das ist an und für sich kein leichtes Thema für manche.“ Auch die Reaktionen der Schüler*innen ließen Zweifel ob eines Erfolges hochkommen – von „Igitt“ bis „Auf gar keinen Fall“, alles war dabei.
Karin Mayer, Bereichsleiterin Kultur und Dokumentation, zeigte sich ob der Fülle an Kulturgütern begeistert. (c) ÖOK/Mayr
Die Befürchtung erwies sich als unbegründet: Die Arbeiten der Schüler*innen zeugten von einer teils intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema. Ein Gruppe kreierte etwa eine moderne Heilige, gab ihr Attribute wie Mut, Ehrlichkeit und Toleranz. Eine Schülerin behandelte ein Stofftuch so, dass es wie ein Wachstuchs aussah und stellte eine Grabszene nach. Ein Schüler verlegte ein Skelett einer Heiligen in den virtuellen Raum und verlieh ihr damit etwas Comicartiges.
„Es war spannend zu sehen, wie das Thema von den jungen Menschen aufgegriffen wird und wie man aus einem scheinbar sperrigen Thema etwas zum Angreifen macht“, so das Resümee der Museumsdirektorin. Ein Weg, der in Zukunft wieder geplant ist.
Das Museum zum Leben erwecken
Theaterpädagogische Impulse, wie von Alexander Hoffelner vorgezeigt, können den Museumsbesuch erlebbar machen. (c) ÖOK/Mayr
Der letzte Punkt des abwechslungsreichen Programmes übernahm Theaterpädagoge und Schauspieler Alexander Hoffelner, der gemeinsam mit den Teilnehmenden einen praxisnahen theaterpädagogischen Zugang zu Ausstellungsstücken erarbeitete.
„Viele Kniffe aus dem Theater lassen sich wunderbar mit Kunstvermittlung kombinieren. Das Erleben, das „Sich-Einlassen auf eine Situation“ und das oft humorvolle Annähern führt zu einer persönlichen Aneignung, die nachhaltig wirkt. Die Leute merken sich die Gemälde, zu denen sie was machen haben müssen“, so Hoffelner.
Gesagt, ausprobiert. Zwei Teilnehmende zeigten ihr schauspielerisches Können im „Statuentheater“ und stellten die Szene des Bildes „Elisabeth und Maria“ nach. Dabei mussten sie mitteilen, wie es ihnen in der Pose geht, während auch die anderen Teilnehmenden ihre Beobachtungen dazu teilen konnten. Das Fazit war: Die Gruppe erhielt einen ganz anderen Eindruck, was der Inhalt des Gespräches zwischen Elisabeth und Maria (Tratsch, Abwehr etc.) sein könnte, als jene Intention, die im 15. Jahrhundert von Hans Siebenbürger gemalt wurde.
Susanne Barabas, die den Tag im Vorfeld organisisert hatte, spielte gemeinsam mit Manuela Rechberger Statuentheater. (c) ÖOK/Mayr
„Das persönliche Spüren steht klar im Zentrum, wie geht es mir in der Pose, wie geht es euch Zuseher dabei? Welche Assoziationen habt ihr? Und im nächsten Schritt lassen sich die tatsächlich abgebildete Szene mit der erlebten verbinden“, so Hoffelner. Gemälde, Figuren, alle Ausstellungsstücke gewinnen, wenn sie erleb- und erfahrbar werden.
In einer Übung erhielten die Anwesenden die Aufgabe, sich ein Stück der aktuellen Ausstellung im „Museum am Dom“ auszusuchen und einen Haiku (japanischer 3-Zeiler) sowie einen inneren Monolog darüber zu verfassen. Auch hier zählte die Interaktion mit einem Detail, um sich dem Kunstwerk im Ganzen zu nähern.
„Im Zentrum der Theaterpädagogik steht das persönliche Erleben der Besucherinnen und Besucher und das kann mit ganz einfachen Mitteln umgesetzt werden, auch in Ihrem Museum – haben Sie Mut!“ Und es macht Spaß!
[elisabeth mayr]